Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Immer samstags blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: Das dumme Volk und andere Brexit-Highlights.
Mann, was sind die Briten so dumm. Also nicht nur ein bisschen, sondern richtig dumm. Geradezu « runkelrübendumm ». Das meinte diese Woche jedenfalls ein Leitartikler des « Tageblatt », der sich über die « Demagogen » und das leichtgläubige Volk, das den « Rattenfängern blind in ihr eigenes Verderben folgt » echauffierte. « Ein nicht unerheblicher Teil des ‘Volkes’ ist runkelrübendumm. Und wird mit jeder Minute, die es in den asozialen Medien verbringt, noch rettungslos blöder », so das geistreiche Fazit des Autors.
Wir, das gemeine lesende Volk, sind etwas verwirrt, ja fast schon verängstigt. Wenn man diese Gedanken nämlich konsequent zu Ende führt, könnte man ja fast schon an der Demokratie als Regierungsform zweifeln. So sehen es denn auch einige Gleichgesinnte des Autors in den Kommentaren unter dem Artikel – sowie übrigens noch mehr in den verblödenden « asozialen Medien » – und wünschen sich schon eine « Herrschaft der Philosophen » à la Platon herbei. Denn schon die alten Griechen wussten: Demokratie, das ist doch wirklich nur etwas für Vollidioten.
Von selbst versteht sich dabei, dass sich all diese geschmeidigen Demokratiekritiker selbst natürlich nicht zu jenem « runkelrübendummen » Volk zählen. Die Dummen, das sind natürlich die Anderen. Die wirklich interessante Frage wird dabei jedoch ausgelassen: Wer entscheidet denn, wer zu dumm zum Wählen und Regieren ist? Wir plädieren dafür, diese Entscheidung künftig in die Hände des nachweislichen Hortes der kollektiven Intellektualität an der Escher Kanalstraße zu legen.
Zu fest auf die Tube gedrückt
Die Politik ist aber auch wirklich kompliziert, ja runkelrübenkomplex. Mal sind Briten für den Brexit, dann dagegen, sie wollen einen Deal, dann einen No-Deal. Und am Ende blickt niemand mehr durch. Gut, dass es da Politiker gibt, die Politik mit bildhafter Sprache so richtig schön anschaulich machen können. So, dass auch jeder, sei er auch noch so blöd, sie versteht.
Gestatten, Jean Asselborn. Der Außenminister ist als Meister der kantigen Worte (« Merde alors! ») bekannt und zauberte auch für die immer noch laufenden Brexit-Verhandlungen eine ganz anschauliche Metapher aus dem Ärmel: « Die Briten haben aus einem Deal einen No-Deal gemacht und jetzt wollen sie wieder aus einem No-Deal einen Deal machen. Das ist wie mit der Zahnpasta: Man bekommt sie einfach aus der Tube raus, aber nicht mehr rein. »
Ein Bild, das hängen bleibt. Nein, nicht das mit dem Deal. Sondern das mit der Zahnpasta-Tube. Das schaffte es diese Woche auch gleich in die internationale Presse. Denn egal wie man jetzt zum Brexit steht oder ob man ihn überhaupt noch versteht – das Problem mit der Zahnpasta kennen irgendwie alle. Und auch wenn das Brexit-Drama langsam nervt, ist doch die Hauptsache, dass Bettel, Asselborn und Co. im Ausland mit ihren Pointen zitiert werden.
Fashionkrimi beim Brexit-Gipfel
Königsblauer Blazer mit passendem Rock. Ein schwarzes schlichtes Shirt und eine goldene Kette. Das trägt die Staatenlenkerin von heute, sei es bei Brexit-Verhandlungen oder bei parlamentarischen Fragestunden. Jedenfalls wenn sie Theresa May und Angela Merkel heißen.
Während eines stundenlangen, scheinbar endlosen Brexit-Gipfels am Mittwoch sorgte dieses Doppelgänger-Outfit für einen Moment der allgemeinen Aufheiterung. So hörten May und Merkel gar nicht mehr auf zu lachen, als sich beide – im königsblauen Partnerlook – ein Foto anschauten. Wie ein Schuljunge sprang auch Xavier Bettel sogleich von seinem Stuhl auf, um zu sehen, worüber sich die Coolen in der Klasse denn so herrlich amüsierten.
Merkel had something very amusing on her tablet to show everyone at #EUCO. May and Tusk both found it hilarious.
So let’s hear your guesses – what was it? pic.twitter.com/glBPRTo9rB
— Dave Keating (@DaveKeating) April 10, 2019
Doch worüber lachten alle bloß? Die Brüsseler Journalisten wurden zu Detektiven. Der Lacher der Spitzenpolitikerinnen: Ein heiliger Fund inmitten der Brexit-Langweile. Zu lange war ihr Tag, zu erschöpfend der Brexit. Die Köpfe waren leer, die Brexit-Geduld erschöpft. So haben sie ihre Recherche-Künste und Twitter-Accounts lieber auf das mysteriöse Foto gelenkt. Ja, ganze Artikel wurden gar darüber geschrieben.
Angela Merkel sorgt für « Eisbrecher »-Moment bei Brexit-Verhandlungen https://t.co/92TGB1wCTe pic.twitter.com/bC4m0Gnjr9
— WELT (@welt) April 11, 2019
Die Auflösung gab es wenig später *Trommelwirbel*: Es war das königsblaue (manche würden sagen EU-blaue) Outfit. Und zwar eine Fotomontage der beiden Regierungschefs, wie sie in eben diesem Outfit am selbigen Nachmittag vor ihren jeweiligen Abgeordneten standen.
#May und #Merkel zeitgleich in London und Berlin, bevor sie wieder gemeinsam in Brüssel eine Brexit-Krimi-Nacht durchmachen. @phoenix_de pic.twitter.com/aezOzrSKOo
— Kristina Dunz (@WaltrautDunz) April 10, 2019
Für die Leserinnen unter ihnen, die sich auch schon immer einmal wie eine Regierungschefin kleiden wollten, haben auch wir unsere Recherchekünste für die Suche nach dem Merkel-May-Look mobilisiert. Den EU-Blazer gibt es bereits für 29.95 bei Zara.
