Die Zahl der dringlichen Anfragen von Abgeordneten ist seit Beginn der Krise explodiert. Im Juli wurde beschlossen, dieses Mittel der parlamentarischen Arbeit zu reformieren. Es kommt zu mehreren Anpassungen, die Opposition konnte sich jedoch mit ihrer Hauptforderung nicht durchsetzen.
Es sollte ein Prozess mit offenem Ausgang werden: Der Geschäftsordnungsausschuss erhielt von den Fraktionsvorsitzenden den Auftrag, sich mit drei Fragen auseinanderzusetzen. Darf ein Abgeordneter die Entscheidung des Parlamentspräsidenten anfechten, die Dringlichkeit einer Anfrage nicht anzuerkennen? Ist es erlaubt, bei einer Antwort nachzuhaken und müssen die Regierungsmitglieder auf mündlich gestellte Anfragen auch mündlich antworten?
Nach zwei Sitzungen wurde Anfang November von Abgeordneten aller im Parlament vertretenen Parteien ein erster Vorschlag eingereicht. Es handelte sich bereits zu diesem Zeitpunkt um einen Kompromissvorschlag. Abgeordnete könnten die Entscheidung des Präsidenten bezüglich der Dringlichkeit einer Anfrage etwa nicht beanstanden und auf mündliche Fragen dürften Regierungsmitglieder im Einvernehmen mit dem Abgeordneten auch schriftlich antworten. Allerdings sollte eine mündliche Antwort auf eine entsprechende Anfrage der Regelfall sein. Dies stellte sich als Streitpunkt in den Diskussionen heraus.
Opposition besteht auf Mündlichkeit der Antwort
„Der Grund, warum der Text fallen gelassen wurde, ist ganz einfach. Wir konnten uns nicht einigen“, sagt Roy Reding (ADR) im Gespräch mit Reporter.lu. Mehrere Kompromissvorschläge scheiterten am Widerstand der Regierungsparteien. DP, Déi Gréng und LSAP wollten den Regierungsmitgliedern die Wahl lassen, ob sie mündlich oder schriftlich antworten. „Wenn man zum dritten Mal über die gleiche Frage diskutiert und keine Lösung findet, dann muss man es eben lassen“, so der Vorsitzende des Ausschusses. Da die Diskussionen in eine Sackgasse liefen, forderte Roy Reding eine Abstimmung über den Gesetzvorschlag im Ausschuss. Die Regierungsparteien stimmten geschlossen dagegen. Damit bleibt es vorerst beim Status quo. Allerdings hat Gilles Baum (DP) bereits angekündigt, eine neue Fassung vorzulegen, denn eine Reform sei weiterhin dringend nötig.
Laut dem aktuellen Artikel 84 der Geschäftsordnung muss der Präsident die Dringlichkeit feststellen und das Regierungsmitglied hat die Möglichkeit schriftlich zu antworten, wenn in der Woche keine Plenarsitzung stattfinden sollte. Außerdem ist die Redezeit für Abgeordnete auf fünf und für Minister auf zehn Minuten begrenzt. Zu den genannten Fragen liefert die aktuelle Fassung keine Antworten. Bereits 2018 haben Regierung und Parlament deshalb ein „gentlemen‘s agreement“ über dringende mündliche Anfragen gefunden. Die Minister können diesem zufolge auch auf mündliche Anfragen schriftlich antworten, vorausgesetzt eine schriftliche Beantwortung geht schneller als eine mündliche. Kriterien, wie die Dringlichkeit festzustellen ist, wurden allerdings nicht festgelegt. Auch die Möglichkeit nachzuhaken sollte erst mit einer Reform berücksichtigt werden. Diese soll nun kommen, jedoch ohne auf Mündlichkeit zu bestehen.
Neuer Text nach Ostern
„Das Parlament lebt von Debatten, wir brauchen einen mündlichen Austausch“, sagt Sven Clement (Piratenpartei) im Gespräch mit Reporter.lu. Auch Roy Reding hat wenig Verständnis für die Position der Regierungsparteien „Wenn die Regierung Fragen nicht mehr mündlich beantwortet, können wir ja auch gleich Diskussionen nur noch schriftlich führen und schriftlich abstimmen“, so der ADR-Abgeordnete.
Der DP-Fraktionspräsident Gilles Baum hat für die Argumente der Oppositionspolitiker allerdings wenig Verständnis: „Was ist denn nun wichtiger, die Mündlichkeit oder die Möglichkeit, schnell eine Antwort zu erhalten?“, fragt der liberale Politiker. Er hat das Gefühl, dass es weniger um die Dringlichkeit als um die Selbstinszenierung der Politiker gehe, wenn sie während einer Parlamentsdebatte Fragen stellen.
Gilles Baum will demnächst einen neuen Text mit den konsensfähigen Punkten einreichen, mit dem Zusatz, dass die Regierung alle Anfragen auch schriftlich beantworten kann. „Es gab eine Einigung, dass ein Abgeordneter auch nach einer Antwort nachhaken darf, wenn sie oder er zuvor nicht die volle Zeit ausgeschöpft hat“, erklärt Sven Clement. Zusätzlich würde der Vorschlag auch festlegen, dass die Abgeordneten die Dringlichkeit ihrer Anfrage begründen müssen. Im Gegenzug muss der Parlamentspräsident auch erklären, warum die Dringlichkeit nicht anerkannt wurde. Anfechtbar ist die Entscheidung allerdings nicht. Laut Gilles Baum könnte der neue Vorschlag bereits Ende April verabschiedet werden.