Exorbitante Mieten und schwindende Kundschaft: Fast 20 Läden stehen gegenwärtig in der Innenstadt leer. Die Situation erinnert an die Pleite der rund 20 Boutiquen im Jahr 2013 und den Paukenschlag um das Unternehmer-Duo Castera-Einhorn. REPORTER erklärt die Zusammenhänge.

Das « Epoque » war eine Institution. 39 Jahre lang wartete das Traditionshaus in der Rue Philippe II mit seinen hochwertigen Marken auf, bis der Eigentümer des Lokals den Mietvertrag kündigte. Die beiden Geschäftsleute wollten sich dies nicht bieten lassen und entschieden, die Kündigung vor Gericht anzufechten. Die Richter urteilten zugunsten des Eigentümers, die Geschäftsleute mussten den Laden innerhalb von 48 Stunden räumen und Insolvenz anmelden. Auf ihren Kosten blieben sie sitzen. Die bereits eingekaufte Ware konnten sie ohne Laden nicht länger vertreiben. Das war 2014. Dann bezog die Luxuskette Dior das Lokal.

Mietvertragskündigungen und stetige Mietpreiserhöhungen sind seit der Ankunft des Duos der lothringischen Geschäftsmänner Frédéric Castera und Pascal Einhorn (bekannt unter dem Namen FCPE) um das Jahr 2000 gang und gäbe. Die Franzosen fuhren einen strammen Expansionskurs und hatten bei ihrem Markteintritt in Luxemburg viele Ladeninhaber in der Hauptstadt bekanntlich mit bedeutend höheren Mietpreisen konfrontiert. 2013 meldeten sie Insolvenz an – ihre rund 20 Boutiquen schlossen von heute auf morgen.

„Die Mietpreisspirale wurde damals mit den Geschäftsmännern von FCPE in Gang gesetzt“, erklärt der Geschäftsführer der « Maison É », Nico Karwatzki. Er sah kurz nach der Schließung des „Epoque“ das Potenzial, die enttäuschte Kundschaft aufzufangen. Seine „Maison É“ eröffnete er im Juni 2015 mit ähnlichen Marken in der Galerie Neuberg der Grand-Rue. „Ich bin in der Galerie zufrieden“, sagt Nico Karwatzki im Gespräch mit REPORTER und gesteht: „Ich denke, dass es im Moment für alle Geschäftsleute in der Stadt schwierig ist.“

Hochwertige Ware und guter Service zieht Kunden auch in eine Galerie, davon ist der deutsche Geschäftsmann überzeugt. Und dennoch: „Wenn ich wählen könnte und die Mietpreise nicht so horrend wären, würde ich natürlich eine A-Set-Location wählen.“ Kunden lockt er vor allem mit seinem Schaufenster an – das Anziehen von Neukunden und Laufkundschaft sei aber zugegebenermaßen schwierig.

22.000 Euro im Monat für 200 Quadratmeter

Allein im „goldenen Dreieck“ oder „goldenen T“, das sich aus der Grand-Rue, der Rue Philippe II und der Avenue de la Porte-Neuve in bester Lage der Oberstadt zusammensetzt, stehen gegenwärtig ein Dutzend Läden leer. Darunter die Lokale der ehemaligen Markengeschäfte: Courrèges, Essentiel, Fabienne Belnou, Madura, BCBG, Neuhaus, Escada und Cassis. Die beeindruckendsten Gebäude sind sicherlich der Juwelier Kass-Jentgen und das ehemalige Centre Bourse an den beiden Straßenecken der Groussgaass. Nicht für alle genannten Geschäftsflächen werden jedoch neue Vermieter gesucht – einige werden renoviert, für andere wurden bereits neue Geschäftsbetreiber gefunden.

Hinzu kommen allerdings rund zehn weitere zurzeit leere Geschäftslokale, die sich in der erweiterten Fußgängerzone befinden. Wie mehrere Quellen bestätigen, überlegen sich weitere Geschäftsführer, das „Goldene T“ oder gar die gesamte Innenstadt kurzfristig zu verlassen. Unter ihnen auch große Marken, für die sich der sinkende Umsatz proportionell zum hohen Mietpreis kaum noch lohnt. Im Gespräch ist REPORTER-Informationen zufolge unter anderem die für ihre Macarons bekannte französische Nobel-Konditorkette « Ladurée ».

Das ehemalige Lokal des Dekorationsgeschäfts Madura fand vor kurzem einen neuen Mieter. Wann der Einzug geplant ist, steht offen. (Foto: Screenshot athome.lu)

Es ist kein Geheimnis: Die Mietpreise in Luxemburg-Stadt sind schwindelerregend hoch. Laut dem führenden Immobilienportal « athome.lu » verlangen die Eigentümer der Verkaufsräume des früheren « Madura » in der Grand-Rue gegenwärtig 22.000 Euro für 200 Quadratmeter. Dort, wo bis vor mehreren Monaten das Geschäft der Designermarke « Courrèges » angesiedelt war, wird eine Miete von 25.000 Euro für 350 Quadratmeter fällig.

Der Designerladen Courrèges hat bereits Ende Dezember 2017 das Handtuch geworfen – das Lokal steht noch immer leer. (Foto: Screenshot athome.lu)

Hohe Mietpreise sind laut den Geschäftsleuten indes nicht die einzige Erklärung für die gegenwärtige Situation. Nico Karwatzki von « Maison É » führt eine Kombination aus unterschiedlichen Faktoren an: Die schwierige Verkehrssituation, die auf die Baustellen rund um die Stadt zurückzuführen ist, das akute Parkplatzproblem und nicht zuletzt „die Bettler“. „An manchen Tagen rufe ich drei Mal die Polizei“, sagt er. Die Ordnungshüter würden allerdings meistens mit Verweis auf ungenügende Kontingente abwinken.

Nico Karwatzki profitiert vom Durchgang jener Kunden, die ihre Autos in der Tiefgarage der Place des Capucins parken und von dort aus den Weg in die Grand-Rue einschlagen. Galerie bedeutet aber – vor allem im Winter – auch ein gemütlicher Schlaf- und Aufenthaltsort für Bettler. Über sie, ihren hohen Alkoholkonsum und ihre verbale Aggressivität regt sich Nico Karwatzki vor allem auf. „Wir Geschäftsleute regen uns auf, die Kunden regen sich auf. Und die Bürgermeisterin sagt lediglich, sie könne dagegen nichts machen, weil sie nun einmal nicht die Polizeichefin sei“, so der Geschäftsführer der „Maison É“.

Keine gute Werbung für Luxemburgs « Prachtmeile »

Die Anzahl der leerstehenden Geschäfte beschäftigt auch Mireille Rahme-Bley. Sie ist selbst Geschäftsfrau und Vize-Präsidentin des Geschäftsverbandes der Stadt Luxemburg. „Es gibt kein schönes Stadtbild ab, wenn derart viele Läden geschlossen sind. Für die Innenstadt ist das keine gute Werbung“, sagt sie. Die hohen Mietpreise sieht sie dafür als logische Erklärung an.

Auch sie selbst entschloss sich kürzlich ihren Kinderkleiderladen in der Innenstadt zu schließen. Im Stadtkern betreibt sie aber weiterhin ihre beiden Café-Restaurants « Downtown » und « Café des Capucins ». Ist die Situation im Gaststättengewerbe einfacher als in der Textilbranche? „Es ist anders“, gesteht sie. „Bei einem Restaurant kann die Ware jeden Tag neu bestellt und angepasst werden. In der Textilbranche müssen alle Bestellungen sechs Monate im Voraus abgeschlossen werden. Nachbestellungen sind danach sehr schwer, weil die Marken dies zum Teil nicht mehr zulassen. Die Geschäftsleute müssen also ganz genau wissen, wie viele Kleider sie bestellen.“ Dabei riskieren die Kaufleute, auf ihrer Ware sitzenzubleiben.

Entschädigungen gefordert

Bereits im Frühling 2016 hatten sich die Einzelhändler der Innenstadt über einen Rückgang der Kundenfrequenz von bis zu 40 Prozent beschwert. Der Geschäftsverband hatte die Regierung und die Stadt Luxemburg damals aufgefordert, dringend neue Maßnahmen umzusetzen. Auch forderten sie Entschädigungen für den abzusehenden Umsatzeinbruch aufgrund der umliegenden Parkhaus-Baustellen oder jenen um das Royal-Hamilius. Doch seitdem ist wenig passiert. „Es wurden bisher keine Geschäftsleute aufgrund der Baustellen entschädigt“, so Mireille Rahme-Bley, Vize-Präsidentin des Geschäftsverbandes UCVL.

Royal Hamilius und das Hoffen auf den Wirtschaftsboom

Fabrice Kreutz, erfahrener Immobilienhändler von Geschäftsflächen in der Innenstadt, bestätigt seinerseits eine mangelnde Nachfrage für Geschäftslokale. „Normalerweise führe ich in der Innenstadt mit interessierten Vermietern vier bis fünf Boutiquen-Besichtigungen am Tag durch. Seit eineinhalb Jahren sind es nunmehr vier bis fünf Besichtigungen pro Woche“, erklärt der Immobilienmakler. Regelmäßig stehen Lokale nun bis zu sechs Monate lang leer – eine Situation, die noch vor einigen Jahren undenkbar gewesen sei.

Der Makler betrachtet die Situation dennoch nuanciert. „Ich weiß von weiteren Geschäftsführern, die sich eine Schließung überlegen. Es wäre allerdings schade, jetzt fünf Meter vor dem Ziel aufzugeben. Immerhin eröffnet das Parkhaus Aldringen noch dieses Jahr. Bald werden rund 700 zusätzliche Parkplätze für Kunden zur Verfügung stehen.“ Der Wirtschaftsboom der Innenstadt sei mit der Eröffnung von Royal-Hamilus vorprogrammiert. Das sagt er jedenfalls seinen Kunden. Und sein Tipp: Sich doch noch vor der Einweihung der Shopping-Galerie einen Laden zu sichern – die Mietpreise würden danach sicherlich erneut anziehen.

Die Schuldzuweisung an das Duo Einhorn-Castera lässt Fabrice Kreutz für die hohen Mietpreise indes nicht gelten. „Diese beiden Geschäftsmänner haben etwas aus unserer Innenstadt gemacht“, so der Immobilienmakler. Durch ihr FCPE-Konstrukt wurden hierzulande erstmals Luxusmarken wie Gucci oder Marc Jacobs in eigenen Geschäften vertrieben. Dabei verschweigt Kreutz nicht, dass die Franzosen seine « besten Kunden » waren.

Bis auf zwei Boutiquen seien alle der rund 20 leer gewordenen Läden innerhalb eines Monats nach der Pleite von 2013 wieder vermietet worden – meist zum gleichen Preis. „Die Herren Einhorn und Castera hatten viel Geld in die Renovierung der Geschäftslokale gesteckt, so dass die Eigentümer die gute Instandsetzung später bei den nächsten Vermietern geltend machen konnten“, rechtfertigt er.

Mehrere Läden die bis 2013 vom Geschäftsmänner-Duo Einhorn-Castera bertrieben wurden wechseln seitdem häufig den Vermieter. (Foto: Screenshot athome.lu)

Eigentlich hätten die Mietpreise – laut der Marktlogik von Angebot und Nachfrage – nach der Pleite und dem Überangebot an leeren Läden einbrechen müssen. Doch trat nach den französischen Handelsmännern ein skandinavischer Geschäftsmann auf den Plan, der auf einen Schlag Mietverträge für mehr als ein halbes Dutzend der leeren Geschäftsräume unterzeichnete und so das vorgefundene Vakuum füllte. Der Großteil der damals ergatterten Geschäftsparzellen sind mittlerweile jedoch nicht mehr in seinen Händen.

Neben den vielen Schließungen gibt es auch Erfolgsgeschichten. So etwa das Traditionshaus für Herrenkleidung Tilges, das sich in der Rue Beaumont von einer Fläche von 130 Quadratmetern auf 300 Quadratmetern ausbreiten wird. Oder die Bäckerei Hoffmann, die die Bäckerei Schumacher in der Avenue de la Porte-Neuve aufkaufte und wo es seitdem augenscheinlich von Kunden nur so wimmelt. Die Krise im « goldenen Dreieck » ist also doch etwas komplexer.

Lesen Sie weiter: Seit mehreren Monaten steht das Traditionshaus Kass-Jentgen an der prominentesten Straßenecke von Luxemburg-Stadt leer. Wenige Meter weiter findet die Boutique von Fabienne Belnou seit über zwei Jahren keinen Vermieter. Im Gespräch mit REPORTER erzählen die beiden Geschäftsführer von ihrer Odyssee.