Hohe Mieten, wenig Platz, lieblose Gebäude: Die Folgen der verfehlten Wohnungsbaupolitik sind längst spürbar. Um dagegen vorzugehen, hat die Stadt Luxemburg zwei Grundstücke für sogenannte partizipative Bauprojekte zur Verfügung gestellt. Das ist ein Anfang, reicht aber nicht aus.
Not macht erfinderisch. Das gilt auch beim Wohnungsbau. Während andere Länder längst alternative Konzepte wie Kooperativen, Tiny Houses oder Mehrgenerationenhäuser ausprobieren, steht Luxemburg trotz seiner Wohnungsbauproblematik noch am Anfang dieses Weges.
Seit 2017 streckt die Stadt Luxemburg ihre Fühler nach alternativen Wohnformen aus. Die Möglichkeit und vor allem die nötigen Grundstücke hat sie dafür. Zwei dieser Bauplätze – einer in der Rue Edouard Grenier in Bonneweg und einer am Boulevard Grande-Duchesse Joséphine-Charlotte in Belair – hat sie für sogenannte partizipative Wohngemeinschaften zur Verfügung gestellt.
Der Vorteil von Baugemeinschaften: Interessierte können sich zusammenschließen, um sich eine individuell geplante Wohnung leichter leisten zu können.
Nun scheinen sich die beiden Projekte zu konkretisieren. Wie aus dem Handelsregister hervorgeht, haben sich im Dezember und Januar die beiden Bürgergesellschaften « Cohousing Bouneweg » und « Groupement d’Habitat Participatif COHEEM » gegründet. Aus den Einträgen im Register ist ferner zu entnehmen: In Belair sind für COHEEM sechs Wohneinheiten und ein Ladenlokal vorgesehen. In Bonneweg wird es drei Wohneinheiten und einen Raum im Erdgeschoss für gemeinschaftliche Aktivitäten geben.
Gemeinschaftsprojekte brauchen Zeit und Geduld
Das Projekt der Stadt Luxemburg startete im Frühling 2017. Der Anfang eines langen Prozesses. Es gab zwei öffentliche Infoveranstaltungen, Dossiers konnten bis zum 16. November 2017 eingereicht werden. Von den sieben zulässigen Anträgen wurden schließlich zwei zurückbehalten.
Doch es gibt auch Schwierigkeiten. Die Mitglieder einer Baugemeinschaft müssen bereit sein, Geld und Zeit in ein noch wenig konkretes Projekt zu investieren und sich bei der Planung in der Gruppe abzusprechen. Das erfordert nicht nur viel Eigeninitiative, sondern auch Toleranz für die Wünsche und Ideen der anderen Mitglieder.
Was in einem Lastenheft steht, ist immer nur eine theoretische Vorstellung. Die Realität kann dann am Ende aber auch anders aussehen. »Claude Ballini von « Cohousing Bouneweg »
Bis hin zu einem fertigen Wohnhaus ist es für partizipative Baugruppen ein weiter Weg. Auch das zeigt das Projekt der Stadt Luxemburg. 2017 sollte die Idee ihren Lauf nehmen – bis heute ist weder der Bau in Bonneweg noch der in Belair gestartet.
Je mehr Leute beteiligt sind, desto mehr Wünsche und Ideen fließen mit ein und desto komplexer wird es. Interessenten können bis zur Unterzeichnung des notariellen Aktes immer noch abspringen, die restlichen Mitglieder müssen dann Ersatz finden. In Belair war außerdem die Nachbarschaft nur wenig über das innovative Vorhaben der Stadt begeistert. Das Projekt war zudem urbanistisch komplex, weil es an einen Teilbebauungsplan (PAP) gebunden war.
Von der Baugruppe zur eingetragenen Gesellschaft
Zumindest in Bonneweg soll es von der Planung aber bald zum Bau übergehen. « Wir hoffen, dass wir im Mai offiziell Erbpächter des Grundstücks sein werden und der Bau beginnen kann », sagt Claude Ballini von « Cohousing Bouneweg ».
In Bonneweg waren zunächst fünf bis sechs Einheiten vorgesehen – ausgewählt wurde das « Cohousing Bouneweg » mit lediglich drei Wohneinheiten. « Wir haben von Anfang an überlegt, was man am besten mit dem Gebäude machen kann », sagt Claude Ballini. « Drei Einheiten bedeuten nicht unbedingt, dass weniger Menschen dort leben. » Das Gegenteil sei der Fall, es würden Familien mit Kindern einziehen. « Was in einem Lastenheft steht, ist immer nur eine theoretische Vorstellung. Die Realität kann dann am Ende aber auch anders aussehen. »
Er ist auch Architekt der « Cohousing Bouneweg » Gesellschaft. Im Lastenheft der Stadt Luxemburg ist festgehalten, dass sich die Baugruppen als « Société Civile » eintragen müssen. Das hat Vorteile bei der Kommunikation und beim Abwickeln von Finanztransaktionen.
Denn jede Gruppe muss einen Leiter oder Geschäftsführer festlegen, der für die Gemeinde und den Architekten als Ansprechperson fungiert. Außerdem werden alle Rechnungen für die Planung und den Bau von der Gesellschaft und nicht von jedem Einzelnen gezahlt. Nach der Planungs- und Bauphase wird diese Gesellschaft wieder aufgelöst und aus der « Société Civile » wird eine herkömmliche « Copropritété ».
« Man nimmt den Weg, der einen am ehesten ans Ziel führt »
Für Claude Ballini müsste es mehr solcher Projekte geben. Er hatte Glück, dass das Dossier seiner Gruppe eines der beiden war, die zurückbehalten worden sind. Die Vorteile für die Gruppe sind vielfältig. Durch den Erbpachtvertrag von 99 Jahren wird es für sie um etwa ein Drittel günstiger, als wenn man ein Grundstück auf 20 Jahre abzahlen muss. Die Gemeinde stellt eine Planungshilfe zur Seite. Jeder kann seine Wohneinheit individuell gestalten und niemand zieht Profit aus dem Bau, weil es kein kommerzielles Vorhaben ist.
Der Jahresbeitrag für die Erbpacht in Bonneweg liegt bei 9.900 Euro. Für die Parzelle in Belair bei 20.000 Euro. Der Preis wird jährlich an den Preisindex angepasst. In Bonneweg sind drei Wohneinheiten auf einem Grundstück von 4,62 Ar vorgesehen, in Belair sechs Wohneinheiten und ein Ladenlokal auf 5,64 Ar.
Wir sind in Gesprächen mit den Politikern, doch es braucht Zeit. »Eric Weirich, Adhoc
Claude Ballini war auch schon an einem anderen innovativen Bauprojekt beteiligt. Die Baukooperative Adhoc wurde vor etwa fünf Jahren gegründet und versucht seitdem, ein gemeinsames Projekt in Kirchberg auf die Beine zu stellen. « Letztlich geht es ums Wohnen und man nimmt den Weg, der einen am ehesten zum Ziel führt » erklärt Claude Ballini seinen Abschied von Adhoc. « Die Kooperative leistet absolute Pionierarbeit. Dort finden sich normale Bürger zusammen, die gemeinsam etwas bauen wollen. Das Problem dabei ist, dass es noch keinen rechtlichen Rahmen dafür gibt », so Claude Ballini.
Konzept « Wohngenossenschaft » rechtlich nicht geregelt
Das bestätigt auch Eric Weirich von der Genossenschaft Adhoc. Das Konzept der Baukooperative sei in Luxemburg noch nicht bekannt und rechtlich nicht geregelt. « Wir werden jetzt als ‘Société Commerciale’ angesehen und auch so behandelt », so Eric Weirich. Während Privatleute drei Prozent Mehrwertsteuer auf einen Bau zahlen müssen, sei es bei ihnen pro Person 17 Prozent.

« Wir sind in Gesprächen mit den Politikern, doch es braucht Zeit. Wir haben uns mit den ungünstigen Bedingungen abgefunden. Projekte, die nach unserem entstehen, werden es dafür einfacher haben. » Er schätzt, dass der Bau in Kirchberg in etwa einem Jahr losgehen kann. Zumindest hofft er das – wenn die Politik mitspielt und vielleicht erste Rahmenbedingungen geklärt sind.
Beim Projekt der Stadt Luxemburg war das einfacher. Die Vorgaben für die Baugruppen stehen alle im « Cahier des Charges » festgeschrieben. Bei der Umsetzung gibt es zwar Spielraum – der muss aber innerhalb der Gruppe und mit der Gemeinde abgesprochen werden.
Politik muss mitspielen
Bis die Politik innovative Bauformen für sich entdeckt hat, hat es allerdings gedauert. Das Projekt von Adhoc zeigt aber: Die Menschen können vielleicht von einer alternativen Idee überzeugt sein. Wenn die Politik aber nicht mitspielt, wird die Umsetzung einer Idee in die Realität schwierig bis unmöglich.
« Es hat viel Überzeugungsarbeit gebraucht », sagt François Benoy (Déi Gréng) im Gespräch mit REPORTER. Er ist Gemeinderat in der Hauptstadt und ein Befürworter des partizipativen Bauens. « Für mich war es aber klar, dass es ein Erfolg würde. Das zeigen auch die sieben Dossiers, die eingereicht wurden. »
Es ist schade, dass Zeit verschwendet wurde. »François Benoy, Déi Gréng
Für den grünen Politiker hat diese Bauform einen hohen Mehrwert – auch für die Stadt Luxemburg. Einerseits wird Wohnraum geschaffen, der « zwischen 15 und 20 Prozent » günstiger ausfällt, weil kein kommerzieller Bauherr dahinter steht. Es könnte dadurch auch qualitativ besser gebaut werden. Und das Grundstück bleibe durch den Erbpachtvertrag auch weiterhin in der öffentlichen Hand.
Noch Luft nach oben
Die Stadt Luxemburg zeigt sich zwar offen für weitere Projekte, Bürgermeisterin Lydie Polfer (DP) sprach in der Gemeinderatssitzung vom 18. November 2019 aber auch davon, dass man « mit Vorsicht » an solche Projekte herangehen muss: « Denn je größer die Grundstücke sind, desto höher ist das Risiko dass die Teilnehmer im Laufe der Prozedur abspringen werden. »
Sie sagte in der gleichen Sitzung aber auch, dass die Stadt noch über weitere Grundstücke für solche Projekte besitze und diese « sicherlich » zur Verfügung stellen werde.
François Benoy hofft seinerseits, dass die künftigen Projekte nicht zu klein werden. Baugruppen von zwei, drei Einheiten seien zwar einfacher umzusetzen, würden dem Gruppenkonzept und der Idee der erschwinglichen Preise aber nicht mehr unbedingt gerecht werden. Stattdessen müssten die Grundstücke gut gewählt und « urbanistisch nicht zu komplex » sein. « 2017 wurden viele gute Dossiers eingereicht und es kam eine gewisse Dynamik auf », so François Benoy.
Das zeige, dass solche Initiativen Potenzial haben. « Es ist schade, dass Zeit verschwendet wurde und für künftige Projekte praktisch wieder bei null angefangen werden muss. » Denn die, die damals motiviert waren, seien jetzt weg.