Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Pünktlich zum Wochenende blickt unsere Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Dieses Mal: Ein bescheidener Friedenspremier und andere Gründe, sich selbst abzufeiern.

„Vive de Grand-Duc! An eise Luc…“ Wer bisher dachte, der Spruch der CSV in diesem Wahlkampf sei nur als Scherz gedacht, wurde diese Woche eines Besseren belehrt. Luc Frieden meint es nämlich todernst. Nicht nur will er Premier werden und das Land mit einer „Politik aus engem Goss“ beglücken. Der Heilsbringer des neoliberalen Untergrunds hat auch ein knallhartes Programm im Gepäck. Dazu gehört an erster Stelle und pünktlich zum Nationalfeiertag: Freibier für alle! Naja, nicht direkt Freibier. Aber weniger Steuern für alle, immerhin.

Im Grunde liegt der frühere „Sparminister“ (#LOL) aber voll in der Tradition Luxemburger Politik. Die politischen Gegner hyperventilieren zwar schon angesichts der christlich-sozialen Steuersenkungsorgien. Doch so manche von ihnen (aka OGBL) forderten bei den vergangenen Tripartite-Verhandlungen mit der akkuraten Anpassung der Steuertabelle an die Inflation aber im Grunde das Gleiche. #Pssst

Der große Unterschied ist aber: Luc Frieden ersetzt die gute alte Luxemburger Gießkanne mit dem Feuerwehrschlauch. Und er will den Leuten ernsthaft erzählen, dass durch weniger Steuern am Ende mehr Steuereinnahmen entstehen. Das Prinzip ist ebenso bekannt wie erprobt: Durch den Tanktourismus wird bekanntlich ja auch das Klima gerettet.

Wundersame Brotvermehrung

Früher wäre bei der CSV klar gewesen, woher dieser Glaube kommt. Schließlich liefert die Bibel mit der wundersamen Brotvermehrung und der Verwandlung von Wasser in Wein zwei mögliche Inspirationsquellen für diese Voodoo-Finanzpolitik. Aber Luc Frieden ist bekanntlich nur „manchmal“ ein gläubiger Mann, sodass man den Katechismus nicht voraussetzen kann.

Obwohl: Den neoliberalen Kanon beherrscht #LUC wie kein Anderer. Von „trickle-down economics“ bis „trop d’impôt, tue l’impôt“ hat der Spitzenkandidat alles im Repertoire. Es ist aber total unfair, Luc Frieden mit Maggy Thatcher zu vergleichen. Für den Messias aus Contern gibt es durchaus eine Gesellschaft, sie ist nur „fragmentiert“, erklärte er den Kollegen von „Paperjam“.

Der Grund ist so einfach wie einleuchtend: Die Menschen können sich keine Wohnung leisten. Weil … sie zu viel Steuern zahlen müssen, ist doch klar. Mit mehr Steuern – zum Beispiel auf Erbschaften – wäre die Ungleichheit natürlich absolut nicht zu beheben. Da ist sich allerdings nicht nur Luc Frieden ganz sicher.

Ganz normale Leute

Seine politische Nemesis Franz Fayot hat ganz andere Sorgen. Im Interview mit „RTL“ wurde der bescheidenste, schlagfertigste und beliebteste Minister unter dieser Sonne noch einmal zu seiner Spesenaffäre befragt. Alles tip top an der Rei, so die Antwort des ausgewiesenen Deontologiekenners. Dass man als Minister im Ausland viele Leute zum Essen einlädt und dabei auf Staatskosten teurer Wein und Cocktails fließen, sei absolut normal. Auch wenn die Ottonormalbürger natürlich „darüber diskutieren“ dürften. #BenMerci

En passant ließ der Luc Frieden der LSAP dann aber noch durchblicken, was er überhaupt unter „normalen“ Leuten versteht. Man müsse über zusätzliche Steuern auf Wohneigentum nachdenken, sagte der Wirtschaftsminister, der von Parteikollegen scherzhaft „Sozialist“ genannt wird. Dabei müsse man aber unbedingt die „normalen“ Leute ausnehmen, die ein Haus und vielleicht „noch ein, zwei Appartements“ besitzen.

Wie jetzt, Sie gehören nicht zu diesen „normalen“ Leuten?! Dann sollten Sie sich beeilen und Ihr ganzes Erspartes investieren, vielleicht reicht es ja in ein paar Jahrzehnten für einen halben Parkplatz in der Hauptstadt. Andererseits, was der sozialistische Firlefranz nicht so ausdrücklich sagte: Auch Sie gehören eventuell zu den Gewinnern der LSAP-Regierungspolitik der vergangenen 20 Jahre. Denn wenn Sie so arm dran sind und gar kein Wohneigentum besitzen, können Sie auch nicht zusätzlich besteuert werden. #SmartSocialism

„Sozialismus… Deen ass gutt!“ #LOL #LUC (Foto: Mike Zenari)

Seitdem Franz Fayot Minister ist, hat er aber den „Realismus“ für sich entdeckt. Setzte er sich vorher noch vehement, also dem sozialistischen Anschein nach, für eine Erbschaftssteuer ein, sieht er die Dinge heute ganz anders. Anscheinend wollen nämlich nicht alle Wohlhabenden mehr Steuern zahlen. #Whaaat? Und was in der blau-rot-grünen Klimapolitik richtig ist, gilt natürlich auch bei der Besteuerung von Omas acht bis zwei Eigentumswohnungen: „Man muss die Leute mitnehmen…“ Das stimmt natürlich. Erst wenn alle Leute freiwillig an Bord sind, kann die Politik handeln. Bis dahin wursteln wir eben weiter wie bisher. #WatWëllsDeMaachen

Residenzklausel 2.0

Apropos normale Menschen und ihre Domizile: Bekanntlich muss auch ein Bürgermeister irgendwo wohnen. Im besten Fall macht er das in der Gemeinde, in der er ein Mandat hat. Alternativ tut es aber auch ein schlichtes Schloss in Deutschland. So handhabt es zumindest der neue Bürgermeister von Vianden. Und sieht darin auch kein Problem, wie er dem „Luxemburger Wort“ verriet: Immerhin habe das (Wahl)Volk das ja gewusst – und trotzdem habe man ihn gewählt. Recht hat der Mann. Auch das ist gedeckt durch den heiligen „Wählerwillen“.

Unterm Strich geht es den gemeinen Pöbel auch nichts an, wo der Herrscher residiert. Das Schloss in Vianden war halt grad nicht verfügbar. Und vom Prunkbau in Körperich ist es auch nur ein Katzensprung hinüber. Sowieso ist er öfters im Städtchen an der Our zugegen: „Ich schlafe regelmäßig dort und halte jeden Tag mein Mittagsschläfchen“, so der Frontalier-Maire. Das hört man als Untertan – pardon, als Bürger – doch gerne.

Wir finden: Das Ganze ist ein Modell, das Schule machen sollte. Man sollte einfach allen Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen ein Schloss als Residenz zur Verfügung stellen. Möglicherweise wäre das der Anreiz, der mehr Menschen dazu bewegen könnte, sich lokalpolitisch zu engagieren. Und wenn Luxemburg – neben Briefkästen – über etwas ausreichend verfügt, dann sind es Burgen und Schlösser. Gut, hier und da wären schon mal Renovierungen zu machen und der Energiepass würde auch nicht überall allzu gut ausfallen. Zur Not könnten aber auch einfach ein paar neue Schlösser gebaut werden. Dann hätte der Bausektor endlich mal wieder was zu tun. So sehen smarte Lösungen aus.

Friedenspremier in Aktion

Niemand ist jedoch bekanntlich so smart wie der bekennende „Menschenjunkie“ Xavier Bettel. Unser Premier hätte sogar fast den Ukraine-Konflikt im Alleingang gelöst. Woher wir das wissen? Vom Friedenspremier himself. „J’ai négocié avec Poutine et Zelensky et on avançait, on était proche du but“, sagte Xavier Bettel über Xavier Bettel im Interview mit „TV5 Monde“. Mit der Bettel’schen Standard-Einleitung „Je ne devrais pas vous le dire mais je le dis quand même…“ plauderte unser Premier ganz schön rege aus dem diplomatischen Nähkästchen.

Wie man ihn kennt, ist es Bettel aber extrem, extrem, also wirklich extrem unangenehm, sich ungefragt selbst zu loben und als potenziellen Retter des Weltfriedens zu inszenieren. „Je suis un peu gêné d’en parler…“, sagte der kommende Friedensnobelpreisträger nämlich noch. Am Ende wurde aus der Luxemburger Ein-Mann-Friedensoffensive aber bekanntlich nichts. Der Grund, laut Mahatma Bettel: „Parce qu’il n’y avait pas de volonté du côté russe pour trouver une solution.“ #NoShitSherlock

„Look there, far behind the hills is where I nearly made peace with Vladimir…“ (Foto: Xavier Bettel/Twitter)

Aber alle, die jetzt denken: Geht’s vielleicht auch eine Nummer kleiner und bescheidener? Sie vergessen, erstens, dass Xavier Bettel „menschensüchtig“ ist, also auch von sich selbst nicht genug bekommt. Und zweitens, steht der diesjährige Nationalfeiertag eben im Zeichen des Erfolgs, wie „RTL“ die Rede des Premiers akkurat zusammenfasste. „Mir feieren och eis selwer, eis Leeschtungen an Erfolleger“, hieß es da etwa. Um sicher zu gehen, wer gemeint war, ergänzte der Redner: „Wann ech vu ‚mir‘ schwätzen, déi all dës Krisen erfollegräich gemeeschtert hunn, da mengen ech domat eis alleguer. Well dësen Erfolleg gehéiert net eleng enger Regierung oder enger Persoun.“ #Vive

Wir finden: Richtig so! Es gibt einfach nicht genügend Gelegenheiten, um sich selbst mal so richtig abzufeiern. Und selbst wenn der Erfolg nicht da ist, erfindet man ihn einfach oder schiebt die Gründe für das Scheitern der eigenen Genialität irgendeinem russischen Angriffskrieger in die Schuhe.

Einfach mal Danke sagen

Einfacher war es für die Regierung hingegen, eine Möglichkeit zu finden, jenen Menschen Danke zu sagen, die während der Pandemie alles gaben. Der Applaus auf dem Balkon ist längst in Vergessenheit geraten. Damit die Anerkennung lange währt, hat der Ministerrat deshalb beschlossen, eine Sammlermünze mit den „Helden der Pandemie“ prägen zu lassen. Das ist zwar kein Gehaltsbonus, aber immerhin kann man sich dann trotzdem manchmal freuen, wenn man in seine Brieftasche schaut.

Damit konnte die Regierung denn auch die Gemüter der CGFP beruhigen, die noch immer davon überzeugt ist, dass die Menschen wegen der tapferen Beamtenarbeit im Homeoffice geklatscht haben. Aber die Regierung musste offenbar nicht nur die einzig wirklich wichtige Gewerkschaft des Landes beruhigen. Denn auch die Kirche und der Großherzogliche Hof erhalten ihre eigenen Münzen. Was die Regierung dem Gartenschläfer allerdings angetan hat, wissen wir bis heute nicht. Auch er ist nun auf einer Zwei-Euro-Münze, dabei sollen doch erst mit Luc Friedens Machtübernahme Biotope für den Wohnungsbau zerstört werden. Diese Regierung ist eben ihrer Zeit voraus.

An dieser Stelle können wir Ihnen aber auch gerne verraten: Wir, die Retrospect-Redaktion, hätten vor nicht allzu langer Zeit beinahe alle Probleme des Landes im Handumdrehen gelöst. Wir waren ganz nahe dran am Ziel. Wir sollten es Ihnen eigentlich nicht sagen und es ist uns eigentlich sehr unangenehm, aber so war es.

In diesem Sinne hoffen wir, dass Sie Ihre und unser aller Erfolge nicht zu hart gefeiert haben und wünschen ein geruhsames Wochenende.


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