Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Pünktlich zum Wochenende blickt unsere Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Dieses Mal: Sozialistische Verjüngungskuren und aufgetaute Wahlkämpfer.

Was war denn da los? Da meldet sich der kapverdische Präsident zu einem Staatsbesuch an und Luxemburg schickt keinen Geringeren als … Marc Hansen?! Offensichtlich hatte kein richtiger Minister Zeit, um den Gast zu empfangen. Der Premier schaute sich Filme in Cannes an und reiste dann weiter nach Berlin zum Kanzlerplausch. Vize-Premierministerin Paulette Lenert weilte in Genf, Vizepremier François Bausch klopfte sich mutmaßlich bei irgendeiner Regionalkonferenz in der deutschen Provinz wegen des Gratis-Transports auf die eigene Schulter. All die anderen Minister hatten dem Vernehmen nach ebenso viel Zeit wie keinen Bock.

Also musste der ehrenwerte Marc Hansen ran. Für die, die es aus verständlichen Gründen nicht wissen, seinerseits Minister für den öffentlichen Dienst, Minister für die Beziehungen zum Parlament, Beigeordneter Minister für Digitalisierung und Beigeordneter Minister für die Verwaltungsreform. Nicht nur der Gast aus Cabo Verde staunte nicht schlecht, als er herausfand, dass Herr Hansen tatsächlich als Regierungsmitglied des Großherzogtums geführt wird. Bisher war dies nur absoluten Insidern des liberalen Deep States bekannt.

Goldene Sozialistenregeln

Ganz andere Probleme haben dagegen Luxemburgs Sozialisten. Nein, nicht, was Sie jetzt denken, denn es liegen noch genügend Brunello-Flaschen im Weinkeller des Generalsekretariats. Im Wahljahr geht es jetzt um viel mehr als völlig akzeptable und gerechtfertigte Spesenabrechnungen eines ebenso bodenständigen wie volksnahen Ministers. Auf dem Spiel steht die Zukunft jener Partei, die seit gefühlten vier Jahrhunderten an der Macht ist. Deshalb ist es höchste Zeit für eine radikale Verjüngungskur!

Die LSAP ist schon eine lustige Partei. Das findet zumindest Polit-Jungspund Jean Asselborn. Im jüngsten Parteivideo „Et ass Zäit fir méi Jonker an der Politik!“ erklärt der Außenminister, wie er damals, anno 1781, seine Karriere in der Gemeindepolitik begann. Und er erinnert sich, als wäre es gestern gewesen… Es gebe eine „goldene Regel“ in der Politik, doziert Jang – nämlich: „der Allgemeinheit dienen“. Die silberne Regel des Franz Fayot, dass man bei diesem edlen Dienst stets auf Kosten der Allgemeinheit die Korken knallen lassen sollte, erwähnte Asselborn in seinem jugendlichen Leichtsinn allerdings nicht.

Jean Asselborn, Ehrenvorsitzender der Jonk Sozialisten. (Foto: Mike Zenari)

Die Partei für Sozialismus, radikale Glaubwürdigkeit und robuste Rotweine (LSAP) lässt sich aber nicht beirren. Mit einem 74-Jährigen, der seit über 40 Jahren Berufspolitiker ist und keine Anstalten macht, für nachkommende Generationen Platz zu machen, für eine Verjüngung der Partei werben, das traut sich nicht jeder. „Et ass Zäit fir méi Jonker an der Politik!“, wiederholt Jang im Video jedenfalls mit gänzlich unironischer Inbrunst. Und in der Tat, auch wir finden: Mars Di Bartolomeo, Claude Haagen, Lydia Mutsch, und wie die Nachwuchstalente der LSAP noch alle heißen, haben jetzt endlich ihre Chance verdient! #MerdeAlors

Och dat ass d’Stad …

Wie spannend der Wahlkampf sein kann, das sieht man derweil an den allgegenwärtigen „Face-à-Face“-Debatten im Radio oder Fernsehen: Serge Wilmes vs Lydie Polfer, François Benoy vs Patrick Goldschmidt, Carole Hartmann vs Ben Scheuer – bereits das „vs“ zwischen den Kontrahenten deutet darauf hin, dass es knallhart zur Sache geht, politisch schweres Geschütz aufgefahren wird und die messerscharfen Profile der Kandidaten sich überdeutlich voneinander abheben. #Not

„Ech sinn einfach leidenschaftlech un Stied interesséiert, ech sinn Historiker, dat gëtt mer einfach och e gewësse Bagage, fir dat Zesummeliewen ze organiséieren“, so etwa die klare Kante des hauptstädtischen Bürgermeister-Aspiranten Serge Wilmes bei „RTL“. Da kann seine Chefin, pardon, politische Gegnerin Lydie Polfer nun wirklich nicht mithalten. Für ein Geschichtsstudium hatte die Liberale nach dem vielen Jura-Büffeln auch schlicht keine Zeit. Sie musste ein gewisses Bürgermeisteramt in einer gewissen Stadt übernehmen – und das auch noch ausgerechnet in dem Jahr, in dem Serge Wilmes geboren wurde.

Durchaus stadt- und geschichtsinteressiert: Serge Wilmes (Foto: Eric Engel)

„Sidd frou, datt d‘Lydie Polfer do war“, befand denn auch Patrick Goldschmidt in seinem „Battle“ mit dem zukünftigen ersten grünen Bürgermeister der Stadt, François Benoy. „Sidd frou, datt d’Lydie Polfer do war, fir datt mir elo esou e schéinen Tram hunn“, meinte der Mobilitätsexperte der Stater DP. Recht hat er, findet die Restrospect-Redaktion. Schließlich war es eben jene Iron Lydie, die einst drei Gelenkbusse aneinanderketten ließ, um die Vorzüge einer Tram in einer Festungsstadt hervorzuheben. Nach dem Motto: Was interessieren mich meine populistischen Stunts von gestern?!

Auch darüber hinaus war das Match zwischen Patrick Goldschmidt und François Benoy sehr aufschlussreich. Immerhin erfuhr der geneigte Zuhörer, welche Partei wie lange nichts gemacht hat, als sie in der Verantwortung war. Oder wie Patrick Goldschmidt es formulierte: „Sidd frou, datt mir do sinn.“

Politik aus der Tiefkühltruhe

Weniger glücklich darüber, dass die DP und auch die CSV da sind, ist David Wagner – der in seiner politischen Pause übrigens Zeit fand, sein Geschichtsstudium abzuschließen. Im Interview mit „RTL“ attestierte der Co-Spitzenkandidat der städtischen Linken dem örtlichen Schöffenrat nicht nur ein „Häerz aus Äis“, sondern auch ein „déifgefruerent Gehier“. Das macht Sinn, nicht umsonst ist das blau-schwarze Bündnis vom „Knuedler“ auch als „Bofrost“-Koalition bekannt. Wenn die Kühlkette hält und sie gut gelagert wird, ist sie möglicherweise auch mehr als eine Mandatsperiode haltbar. Das schmeckt nicht jedem, aber die Opposition soll sich daran mal ruhig die Zähne ausbeißen.

So richtig freuen über Lydie, Patrick und Co. konnten sich hingegen die Zuschauer am Samstag während des ING-Marathons. Für einen kurzen Moment war die Hauptstadt nicht nur keine Festungsstad für Autofahrer, sondern ausschließlich Fußgängern und Läufern vorbehalten. Das musste gefeiert werden. Den riesigen politischen Erfolg zelebrierten die wahlkampferprobten Politiker sogleich mit einer kleinen Tanzeinlage. Selbst Lorri Mosar schwang nach dem fünften Glas Aperol das Tanzbein.

In puncto total ungezwungener Lässigkeit ganz vorne dabei ist auch die ADR. Die Alternativdemokraten setzen dabei nicht nur auf den Erhalt der Luxemburger Sprache, sondern auf die Förderung der Jugendsprache. „1000-mol méi Natur an der Stad“: Was klingt wie die endkrass zu Ende gedachte Forderung eines ungezogenen Achtjährigen, ist so tatsächlich in einer offiziellen Broschüre zu lesen, auf deren Cover die beiden Rebellen der hauptstädtischen ADR denn auch einen frechen Luftsprung wagen. Bei so viel jugendlicher Lockerheit kann auch Juso-Jang nur vor Neid erblassen.

Ein absolut reines Gewissen

Freuen können sich auch die Bürger in Wiltz. Vor allem über ihren bürgernahen Gemeindevater. Zwar ermittelt die Justiz seit zwei Jahren gegen Fränk Arndt, unter anderem wegen mutmaßlicher Korruption. Aber die Wiltzer wissen: Ihr Bürgermeister wird bloß falsch verstanden. Denn in Wahrheit ist er ein echter Verbraucherschützer. Bevor er im Namen der Gemeinde irgendeine Wohnung gegen ein Stück Land tauscht, bewohnt er die Immobilien zuerst einmal selbst. Nur so können die Wiltzer sicher sein, dass die vielen Neubauten in ihrer Stadt nicht beim ersten Windstoß zusammenkrachen. Oder wie es der Bürgermeister im Gespräch mit „Radio 100,7“ in gewohnter Bescheidenheit auf den Punkt brachte: „Wann de Fränk do selwer dra wunnt, dann ass d’Qualitéit och gewährleist.“

Dass die Wohnung auf einem Grundstück liegt, dass früher dem Bürgermeister selbst gehört hat, ist dabei natürlich völlig unerheblich. Auch dass Fränk Arndt, in klassischer Don-Corleone-Manier, den Deal selbst einfädelte, natürlich im Namen der Familie, pardon, des Gemeinderats, spielt auch keine Rolle. Schuld an der Misere ist einzig und allein die Presse, die nichts Besseres zu tun hat als „mam Pifffaass iwwert eng Famill ze fueren“.

Wäscht seine Hände in piffgetränkter Unschuld: Fränk Arndt. (Foto: Mike Zenari)

Eines muss man der LSAP aber lassen. Egal, ob Wirtschaftsminister oder Bürgermeister einer Nordgemeinde: Die Botschaft ist immer abgestimmt. Fehler zugeben oder Diskussionen aussitzen, das ist eine Polit-Strategie von Vor-Vor-Gestern. Heute gilt: Ob bei ein paar Brunellos, Gin Tonic und Süßigkeiten vom Steuerzahler oder ein paar Immobiliendeals unter Freunden: So what?! Und wer ganz genau hinsieht, der findet auf den Wahlplakaten der Sozialisten sogar ihren gesamten Wahlspruch. Zugegeben, er ist etwas klein gedruckt: „ZESUMMEN: Kenger Schold bewosst.“


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