Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Pünktlich zum Wochenende blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: Freedom-Day und ein geschwätziger Premier.
Die Retrospect-Redaktion hat leider eine kleine Pause einlegen müssen. Die Welt nach der Zeitenwende ist anstrengend. Nach stundenlangem Doomscrolling ist vieles nicht mehr witzig. Aber die Beobachtung unserer Lieblingsspezies – die Politiker – können wir nicht einfach so einstellen. Die fühlen sich sonst vernachlässigt.
Minister und Abgeordnete entdecken nun zusehends, dass das gechillte Abhängen im Amtssessel endgültig vorbei ist. Es geht nicht mehr nur um Brücken, die einfach so mal 40 Millionen mehr kosten (Geld haben wir ja). Plötzlich geht es um etwas – wie Krieg und Frieden oder Schlangen vor den Tankstellen.
Putin hat den Freedom-Day versaut
Das ist so unfair, weil die Pandemie ja jetzt vorbei ist. Oder zumindest glauben das gewisse Teile der LSAP. Die neue Co-Präsidentin Francine Closener meinte am Montag im „Radio 100,7“-Interview, dass es ja toll sei, „jetzt nach der Pandemie“ wieder das Parteivolk in Präsenz zu treffen. Und traf damit die generelle Stimmung in den Parteien.
Politiker aller Couleur hatten sich so gefreut, endlich für gute Stimmung zu sorgen, indem sie das Ende der Masken beschließen. Doch die große Verkündung des Freedom-Day fällt aus, Vlad aus Moskau hat die Party konsequent gesprengt. Das ist auch bestimmt der Grund, warum Jean „Terminator“ Asselborn die „physische Eliminierung“ Putins forderte. Da war er „emotional“ geworden, der selbst gelernte Diplomat.
Na ja und dann gab es noch den 1000. Covid-Toten und die Infektionszahlen steigen wieder. Aber wir haben jetzt andere Sorgen.
Das gebrochene Herz des JCJ
Nein, nicht etwa, dass Russland den größten Angriffskrieg seit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst hat. Wer will sich schon mit solchen Kleinigkeiten abgeben. Die wahren Sorgen der Luxemburger Politiker liegen wie immer im Zwischenmenschlichen. Das weiß auch Ex-Kanzler Gerhard … äh … Ex-Premierminister Jean-Claude Juncker. Die graue Eminenz der CSV gab ihre Einschätzung zum russischen Angriff diese Woche in fast allen Medien zum Besten. „De Putin huet mech maaslos enttäuscht“, sagte er „RTL“.
Da kocht einem wirklich das Blut in den Adern. Panzer und Streumunition auf Zivilisten sind die eine Sache, aber JCJ jahrelang an der Nase rumzuführen und dreist zu belügen, das geht wirklich zu weit. Wer hätte schon ahnen können, dass ein Ex-KGB-Agent die Wahrheit als diplomatische Knetmasse begreift und westlichen Politikern nur das erzählt, was sie hören wollen?
Vielleicht hätten JCJ und Jang in eine Agenten-Fortbildung bei Fernand Kartheiser gehen sollen. Immerhin stand der ADR-Politiker nachweislich in den Diensten des russischen Nachrichtendienstes GRU. Zur gleichen Zeit war Fernand Kartheiser eigenen Aussagen zufolge auch für den US-Geheimdienst CIA tätig. Seine damalige Erklärung ist aus heutiger Sicht einfach zu gut, um sie Ihnen vorzuenthalten: „Wir haben die Russen Jahre lang an der Nase herumgeführt.“ Na dann. #Nastrovje
Der aktuelle Premier gab zu Protokoll, er wolle bald mit Putin telefonieren, sagte er „RTL“. Jetzt gelte: „schwätzen, schwätzen, schwätzen“. Einerseits ist das ja Xavs Kernkompetenz. Andrerseits: Vor exakt einem Jahr telefonierte Bettel auch mit Putin. Damals wollte er den Sputnik-Impfstoff kaufen und „grünes“ russisches Kapital anlocken. Es kann also nichts schiefgehen.
Preiskampf an der Zapfsäule
Derweil erreichten Luxemburg weiter schreckliche Bilder. Kinder, die auf dem Rücksitz weinen. Lange Autokolonnen, die alle Ausfallstraßen der Hauptstadt verstopfen. Und Autofahrer, die hoffen, dass sie es noch rechtzeitig schaffen und es nicht schon zu spät ist. Nein, nicht raus aus der Ukraine. An die Zapfsäulen. Denn als am Mittwoch bekannt wurde, dass die Treibstoffpreise über Nacht teilweise um fast 40 Cent ansteigen würden, war Schluss mit lustig. Der Krieg hatte Luxemburg endgültig erreicht und prompt brach Chaos aus, weil auch der letzte SUV-Fahrer mit halbvollem Tank noch schnell zur „Pompel“ wollte.
Im Parlament wurde der Preissprung natürlich sofort auf die Sitzungsordnung gesetzt. Und während die Regierungsparteien sich hinter einer vage vor Ostern stattfindenden Tripartite versteckten, witterte die ADR ihre große Chance, um es den Grünen so richtig zu geben. Denn natürlich ist nicht der Krieg in der Ukraine schuld an den hohen Spritpreisen, sondern die ganzen Steuern und Abgaben, die der Staat beim Tanken abzwackt. Das meinte auch Fred Keup, Tage nachdem er eine Gasrechnung, vermeintlich seine eigene, in den sozialen Medien geteilt hatte. Dabei stießen die darin veranschaulichten Heizgewohnheiten jedoch nicht nur auf Verständnis. Ein Facebook-Nutzer kommentierte lapidar: „Wunnt Dir an enger Sauna?“

Auf Unverständnis stießen die Attacken der ADR auch bei den Grünen. Doch die hatten aus der Vergangenheit gelernt und waren vorbereitet. Die Grünen-Abgeordnete Stéphanie Empain hatte extra ein Tortendiagramm mit ins Parlament gebracht. Auf dem DIN-A3-Ausdruck waren alle Steuerabgaben zu sehen, die in den Spritpreis einfließen. Die kleinste davon: die CO2-Steuer. Ein klarer Sieg für die Grünen, mag man meinen. Damit hatten auch die vier etwas begriffsstutzigen Herren in der letzten Reihe es verstanden.
Jeff Engelen, der Abgeordnete, dem die Frauen vertrauen
Dass die Mitglieder der ADR aber auch für positive Ablenkung sorgen können, bewies diese Woche der Nordabgeordnete und Sprachakrobat Jeff Engelen. Denn während die anderen Parteien anlässlich des Weltfrauentags bloß schnöde über Chancengleichheit und Gender-Pay-Gap schwadronierten, mutierte der ADR-Abgeordnete zum richtigen Frauenversteher. Und überraschte dabei mit ganz neuen Perspektiven. Denn vielleicht gibt es in Wahrheit gar keine Probleme bei der Gleichberechtigung. Denn, so Jeff Engelen im Wortlaut: „Villäicht sinn och d’Frae vun Natur aus einfach, méi einfach gesinn (sic) a sinn net interesséiert u féierende Posten. Och dat muss ee mol eng Kéier analyséieren.“ Und wir leben auch nicht in einem „Patriarch“ (sic).
Bei so viel aufgeklärtem Feminismus bleibt uns eigentlich nur, Ihnen ein schönes Wochenende zu wünschen. Bleiben Sie, jetzt da die Regierung Corona beendet hat, gesund und geben Sie die Zuversicht nicht auf, Ihr Retrospect-Team.