Hält ein Gericht bei einer Straftat eine sogenannte „Circonstance aggravante“ fest, kann es den oder die Angeklagte zu einem höheren Strafmaß als der Höchststrafe verurteilen. Bisher galten Rassismus, Antisemitismus und andere Arten der Diskriminierung nicht als erschwerender Umstand. Das soll sich nun ändern. Ein entsprechender Gesetzentwurf liegt dem Parlament vor.
Der Gesetzestext, den Justizministerin Sam Tanson (Déi Gréng) vergangene Woche im Parlament einreichte, sieht die Einführung einer neuen „Circonstance aggravante“ vor, die dann bei allen Verbrechen oder Delikten zum Tragen kommen könnte. Konkret geht es um Straftaten, die aufgrund einer Diskriminierung gemäß Artikel 454 des Strafgesetzbuchs geschehen. Das heißt, Straftaten, bei denen der Täter das Opfer gezielt aufgrund einer bestimmten Charakteristik anvisiert.
Etwa, weil das Opfer eine dunkle Hautfarbe hat. Oder aufgrund seiner Herkunft. Aber auch wegen seines Geschlechts, seiner sexuellen Orientierung, einer Geschlechtsumwandlung, seiner Familiensituation, seines Alters, seiner gesundheitlichen Verfassung, einer Behinderung, seiner politischen oder philosophischen Ansichten, einer gewerkschaftlichen Tätigkeit oder auch seiner Religion, wie aus der Begründung des Gesetzentwurfs hervorgeht. Die Liste der Charakteristiken umfasst insgesamt 14 Punkte.
Damit könnte ein Gericht künftig bei jeder Straftat, die das Strafgesetzbuch vorsieht, den erschwerenden Umstand der Diskriminierung feststellen und damit bei einer Verurteilung ein höheres Strafmaß aussprechen als die eigentliche Höchststrafe. Dies könnte maximal bis zu einer Verdoppelung der Höchststrafe gehen und betreffe sowohl Freiheitsstrafen wie auch Geldbußen, wie dem Kommentar im Gesetzentwurf zu entnehmen ist.
Die Einführung dieses erschwerenden Umstands ins Strafgesetzbuch geht auf eine Empfehlung der EU-Kommission zurück, die diese im Rahmen der europäischen Strategie zur Bekämpfung von Antisemitismus ausgesprochen hatte. Ziel war es vor allem, antisemitische Hassverbrechen strafrechtlich strenger verfolgen zu können. Mit der Neuerung reagiert Luxemburg aber auf entsprechende Empfehlungen der „European Commission against Racism and Intolerance“ (ECRI) und folgt der Vorgabe des EU-Rats, Hatespeech und Hassverbrechen härter zu ahnden.
Allein im Gerichtsbezirk Luxemburg war die Staatsanwaltschaft im Jahr 2020 mit 183 Fällen von Hatespeech befasst, die sich vor allem in den sozialen Medien zutrugen. In 77 Fällen wurde eine Voruntersuchung durchgeführt, die restlichen blieben ohne strafrechtliche Folgen, wie aus dem Gesetzentwurf hervorgeht. 15 Fälle landeten vor Gericht und führten zu einem Urteilsspruch. (GS)