Die Kulturbranche atmet auf. Das neue Covid-Gesetz sieht unter klaren Auflagen eine weitgehende Öffnung des gesamten Sektors vor. Die Pandemie, die den Sektor besonders stark getroffen hat, scheint allerdings auch den Blick auf dringende Reformen geschärft zu haben.

Eine Pressekonferenz im Rahmen der Corona-Pandemie, die sich ausschließlich dem Kultursektor widmet: Das hat es seit letztem Sommer nicht mehr gegeben. Kulturministerin Sam Tanson (Déi Gréng) gab ohne Umschweife zu, dass ihr Auftreten vor der Presse am Donnerstag auch dazu dienen sollte, dem Wunsch aus der Branche nach mehr Sichtbarkeit Rechnung zu tragen. Seit Beginn des ersten Lockdowns im März fühlen sich viele Kulturschaffende benachteiligt, sowohl im öffentlichen Diskurs, als auch bei den Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie an sich. Geschlossene Theater und Kinos, aber verkaufsoffene Sonntage und offene Kirchen, hatten besonders in den letzten Wochen für viel böses Blut gesorgt.

Damit soll nun Schluss sein. „Kultur ist ein Grundbedürfnis und ich freue mich, dass wir sie ab Montag wieder live genießen können“, sagte Sam Tanson zu Beginn der Pressekonferenz. Die Nachfrage nach Kultur sei im vergangenen Jahr sehr hoch gewesen. Das hat laut der Ministerin vor allem auch die Öffnung im September gezeigt, als die maximal 100 Eintrittskarten für Aufführungen oft schnell verkauft worden seien. Digitale Angebote könnten nur als komplementär angesehen werden, der direkte Kontakt zwischen Künstlern und Publikum sei ausschlaggebend für ein Kulturerlebnis, so die Kulturministerin.

Wir sind zur Schlussfolgerung gekommen, dass es zum jetzigen Zeitpunkt keinen Grund mehr gibt, Kulturstätten weiterhin geschlossen zu halten.“Sam Tanson, Kulturministerin

Doch mit dem Auftreten vor Publikum war es im Herbst schnell wieder vorbei. Bereits Ende Oktober kamen neue Restriktionen, Ende November mussten die Kinos und Theater dann wieder ganz schließen. Und das, obwohl im Sektor selbst verhältnismäßig wenig Infektionen nachgewiesen wurden. Sam Tanson sprach von einer einzigen Produktion, die wegen epidemiologischen Bedenken abgesagt werden musste. Ansonsten habe es höchstens Einzelfälle gegeben, die keine Infektionsketten ausgelöst hätten.

Die Ministerin lobte das stark ausgeprägte Verantwortungsbewusstsein der Kulturschaffenden und des Publikums. „Wir analysieren die Situation ständig neu. Und wir sind zur Schlussfolgerung gekommen, dass es zum jetzigen Zeitpunkt keinen Grund mehr gibt, Kulturstätten weiterhin geschlossen zu halten.“

Strikte Auflagen für Künstler und Publikum

Die Auflagen ähneln jenen aus dem Herbst: Maximal 100 Zuschauer in einem Saal, Maskenpflicht und mindestens zwei Meter Abstand zwischen Menschen, die nicht im selben Haushalt leben. Die Theaterbars bleiben geschlossen, Essen und Trinken, etwa Popkorn im Kino, ist weiterhin nicht gestattet. In Museen, Kunstzentren, Bibliotheken und Archiven, also dort, wo das Publikum zirkuliert, gilt eine strenge Maskenpflicht sowie die Empfehlung, sich an den Quadratmeternormen aus dem Handel zu orientieren. Professionelle Künstler können ihrer Arbeit nachgehen, ohne Maske und ohne Distanzregelung auftreten und proben sowie Filme produzieren. Das flächendeckende, regelmäßige Testen von gesamten Orchestern, Theatertruppen oder Filmcrews wird beibehalten.

Für den Amateurbereich gelten allerdings die allgemeinen Regelungen: Nur bis zu vier Personen dürfen ohne Maske und Distanz aufeinandertreffen, für zwischen vier und zehn Personen gilt sowohl die Maskenpflicht als auch die Abstandsregel. Ab zehn Personen ist ein Zusammentreffen nur im Sitzen möglich. Besonders hart treffen diese Regelungen Chöre und Fanfaren. Sie sei in ständigem Kontakt mit den Verantwortlichen der UGDA, der nationalen Vereinigung für Musikvereine, pflichtet Sam Tanson bei. „Ich hoffe, dass wir auch hier in Zukunft weiter lockern können.“

Wirtschaftliche und gesellschaftliche Anerkennung

Die Kulturministerin hatte sich noch am Donnerstagmorgen mit Vertretern der Mitgliedsverbände der ULASC (Union luxembourgeoise des associations du secteur culturel) über die aktuelle Lage und über die wichtigsten Herausforderungen des Kultursektors ausgetauscht. In diesem Zusammenhang stellte sie auch Reformen in Aussicht. So soll unter anderem nun endlich das Gesetz zu den Statuten (Statuten des „artiste professionnel indépendant” und des “Intermittent du spectacle) überarbeitet werden.

Bei großen Teilen der Gesellschaft sowie bei Teilen der Politik und der Wirtschaft fehlt ein klares Bewusstsein für die alltäglichen und beruflichen Realitäten der Kulturschaffenden.“Yasin Özen, ULASC

Nach Ansicht der ULASC ist die Anerkennung der Kulturschaffenden in Luxemburg auf gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Ebene auf lange Sicht die zentrale Herausforderung im Kultursektor. Mit einer Reform des Künstlerstatutes ist es laut dem Dachverband nicht getan. Im Gespräch mit Reporter.lu hebt der Koordinator des Dachverbandes, Yasin Özen, hervor, dass die Statuten durch den Zugang zu finanziellen Hilfen zwar maßgeblich zum Schutz der Kulturschaffenden vor wirtschaftlichen Schwankungen und Krisen und zu deren Überbrücken beitragen. Allerdings würden diese über die Hilfen hinaus wenig Wirksamkeit entwickeln.

„Es fehlen oft noch klare Strukturen und Formen, unter welchen Kulturschaffende ihre Berufe ausführen, eine wirtschaftliche Karriere sichern und damit ihren Lebensunterhalt verdienen könnten“, sagt Yasin Özen. „Bei großen Teilen der Gesellschaft sowie bei Teilen der Politik und der Wirtschaft fehlt ein klares Bewusstsein für die alltäglichen und beruflichen Realitäten der Kulturschaffenden“, sagt der Koordinator weiter.

Gründung neuer Organisationen

Dass gerade im vergangenen Jahr eine Reihe neuer Strukturen gegründet wurden, spricht dabei für die Reformbedürftigkeit des Sektors. Auch der Dachverband ULASC, der sieben Vereinigungen der unterschiedlichen Branchen umfasst, ist ein Kind der Krise. Ein einziger Ansprechpartner, der die Interessen all seiner Mitglieder vertritt, soll die Kommunikation zwischen den Ministerien und den Kulturschaffenden erleichtern.

„Neistart Letzebuerg“

In Rahmen der Pressekonferenz am Donnerstag zog Kulturministerin Sam Tanson auch Bilanz über das Förderprogramm „Neistart Letzebuerg“ und legte Einzelheiten über die Finanzhilfen in Höhe von insgesamt fünf Millionen Euro dar:

  • Knapp 1,5 Millionen Euro fließen an Kulturhäuser und Institutionen, um finanzielle Ausfälle durch Absagen und Verschiebungen von Veranstaltungen zu kompensieren.
  • 100.000 Euro gehen an Künstlerresidenzen im Schloss Burglinster und seine Zweigstellen.
  • Knapp 50.000 Euro gehen an acht Künstler für musikalische Auftragswerke.
  • Für etwa 250.000 Euro hat das Kulturministerium Kunstwerke gekauft. 18 Kunstwerke aus acht Galerien und 23 Werke von 22 Künstlern direkt.
  • Konventionierte Kulturhäuser sollen Geld für Künstlerresidenzen bekommen, 19 Anfragen sind in Bearbeitung.
  • 200.000 Euro sind für neue Theaterstücke vorgesehen.
  • Für die Ausarbeitung neuer Formate der Bühnenkunst werden rund 70.000 Euro ausgegeben.
  • Regionale Museen, Schlösser und Kulturstätten sollen aufgewertet werden. 16 Anfragen werden derzeit bearbeitet.

Mit der Gründung von „Kultur LX“ im Juli hat das Kulturministerium zudem eine völlig neue Struktur geschaffen, die im Rahmen des Kulturentwicklungsplans die Weichen für die Zukunft stellen und einen erheblichen Beitrag zur verstärkten gesellschaftlichen, aber auch wirtschaftlichen Anerkennung des Sektors leisten soll. Während die Organisation ursprünglich als eine Art Exportbüro für Luxemburger Kunst und Kultur angedacht war, geht ihre Mission mittlerweile über die Promotion im Ausland hinaus.

So unterstrich Sam Tanson auch auf der Pressekonferenz, dass die Verantwortlichen von „Kultur LX“ bei ihrer Arbeit „ihren Blick auch nach innen“ richten werden. Eine der Kernaufgaben der Organisation sei es, „den Aufbau von Karrieren im Kultursektor zu unterstützen“.

Anpassung des Urheberrechts

Einen weiteren Beitrag, um den Berufsstand gebührend aufzuwerten, müsse dem Dachverband zufolge auch ein modernes Urheberrecht leisten. „Die Menge an digitalen kulturellen Inhalten nimmt immer weiter zu und hat angesichts der Corona-Pandemie einen weiteren Schub erfahren“, führt Yasin Özen aus. „Es muss sichergestellt werden, dass die Kulturschaffenden an den Gewinnen durch Verkauf und Verbreitung digitaler Inhalte gebührend beteiligt werden“, so der Koordinator der ULASC. Dazu gehört nicht zuletzt die Umsetzung der EU-Richtlinie zum Urheberrecht.

Ein an den digitalen Binnenmarkt angepasstes Urheberrecht sowie die Reform der Künstlerstatuten sind wichtige Komponenten, um den Stand der Künstler und Kulturschaffenden in unserer Gesellschaft aufzuwerten. Regelmäßige Pressekonferenzen mögen ein erster Schritt in die Richtung zu mehr Sichtbarkeit sein. Ein wirklicher Wandel jedoch, der mit einem Mentalitätswechsel im öffentlichen Diskurs einhergeht, ist nur durch tiefgreifende Reformen möglich. Für die Kultur- und Justizministerin Sam Tanson soll das Überstehen der Pandemie in ihrer Mission, den Kultursektor langfristig zu stärken und aufzuwerten, demnach nur ein Zwischenschritt sein.


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