Um die „Bommeleeër“-Affäre ranken sich viele Gerüchte. Doch in der Ausstellung im City Museum über Verschwörungstheorien fehlt diese prominente Episode der Luxemburger Zeitgeschichte. Die Bürgermeisterin Lydie Polfer stoppte konkrete Pläne, die Anschlagserie zu thematisieren.

Der Raum, der Fragen aufwirft, liegt gleich rechts vom ersten Ausstellungssaal. Zwischen dem Fahrstuhlmotor aus dem World Trade Center und den Masken mit dem Konterfei von Bill Gates. In dem rund 20 Quadratmeter großen schwarzen Zimmer steht wiederum ein schwarzer Würfel. Auf einer Seite kann man diesen durch einen Vorhang betreten. Im Inneren blickt man auf ein in rotes Licht getauchtes Fragezeichen und durch Lautsprecher ertönen Flüsterstimmen. „Rumeurs“ heißt die Installation.

Im Zusammenspiel mit den anderen Exponaten der Ausstellung „Gleef dat net…!“ im „Musée d’Histoire de la Ville de Luxembourg“ („City Museum“) wirkt der Raum wie eine verschenkte Gelegenheit. Denn die Schau zeichnet die geschichtliche Entwicklung von Verschwörungstheorien über die Jahrhunderte detailliert nach. Mit zahlreichen historischen Gegenständen und Dokumenten gelingt es der Ausstellung, den Bogen zwischen den Hexenprozessen des Spätmittelalters und den Corona-Leugnern der Gegenwart zu spannen. Die besondere Leistung des „City Museums“ besteht dabei darin, immer wieder den Bezug zu Luxemburg herzustellen.

So findet sich im ersten Ausstellungsraum etwa ein offener Brief des Anwalts Gaston Vogel an Mobilitätsminister François Bausch (Déi Gréng) mit Fragen zu Chemtrails. Anonymisierte luxemburgische Facebook-Kommentare von Impfgegnern finden sich dort ebenso, wie die „Pulververschwörung“ zu Zeiten der österreichischen Besatzung der Festung Luxemburg im 18. Jahrhundert. Auch die Debatte über den möglichen Selbstmord von Premierminister Paul Eyschen im Oktober 1915 wird thematisiert.

Das fehlende Kapitel „Bommeleeër“

Vor diesem Hintergrund liest sich die Installation „Rumeurs“ wie ein Kommentar zur eigenen Ausstellung. Und damit zu den Gerüchten, die um diese kursieren. Denn laut Informationen von Reporter.lu sollte „Gleef dat net…!“ auch ein Kapitel der Luxemburger Zeitgeschichte behandeln, das seit Jahren Nährboden für zahlreiche Verschwörungstheorien bietet: die „Bommeleeër“-Affäre. An der Ausarbeitung waren unter anderem die Journalisten Nico Graf und Marc Thoma beteiligt, die durch ihre Recherchen für RTL in den vergangenen Jahren immer wieder neue Aspekte der Affäre ans Licht brachten.

Das „City Museum“ ist Teil der Verwaltung der Stadt Luxemburg und wird über das hauptstädtische Gemeindebudget finanziert. (Foto: Eric Engel)

Ein eigener Raum in der Ausstellung war für das Thema vorgesehen, mit einem Fragment eines Hochspannungsmastes aus Heisdorf – einem der Tatorte der Anschlagserie aus den 1980er-Jahren – im Zentrum. Doch kurz vor der Fertigstellung hat die Bürgermeisterin der Hauptstadt, Lydie Polfer (DP), ihr Veto gegen diesen Teil der Ausstellung eingelegt.

Im Gespräch mit Reporter.lu bestätigt Nico Graf die Zusammenarbeit mit dem Museum. „Wir waren mit drei Mitarbeitern des Museums auf dem Heisdorfer Plateau und in Bourscheid und sie haben dort Fundstücke an den ehemaligen Anschlagsorten gesammelt“, so der Journalist. An der redaktionellen Arbeit für die Ausstellung seien Marc Thoma und er selbst jedoch nicht beteiligt gewesen, sie hätten die Ausstellungsleitung lediglich zu diesen Fundorten begleitet und diese Aktion auch in Wort und Bild dokumentiert.

Was im Museum gezeigt wird, entscheiden wir selbst und sonst niemand.“Direktor Guy Thewes

„Mein Eindruck war, dass die Pläne für den Teil über den ‚Bommeleeër‘ schon sehr präzise waren und eigentlich schon feststanden.“ Wer konkret in die Ausstellung eingegriffen habe, sei aus seiner Sicht aber letztlich Spekulation, so Graf weiter. „Sollte es sich jedoch um eine politische Einflussnahme handeln, ist das für mich ein Fall von politischer Zensur“, betont er.

Museumsdirektor bestätigt Zusammenarbeit

Zuständig für die Ausarbeitung der Ausstellung war die Kuratorin Gaby Sonnabend. Auf Nachfrage von Reporter.lu wollte sie sich jedoch nicht zur Frage der Einflussnahme äußern. Ihr Vorgesetzter, der Museumsdirektor Guy Thewes, bestätigte hingegen die Zusammenarbeit zum Thema ‚Bommeleeër‘ mit Nico Graf und Marc Thoma: „Ich kann bestätigen, dass diese Sammlungen der Objekte stattgefunden haben.“

Doch wieso findet sich davon nichts in der Ausstellung wieder? Guy Thewes erklärt das zunächst mit der Ausrichtung der Ausstellung: „Beim ‚Bommeleeër‘ handelt es sich um eine terroristische Anschlagserie, die stattgefunden hat, und nicht so sehr um eine Verschwörungstheorie.“ Zudem sei es üblich, dass das Museum Gegenstände und Asservate sammele und sie nicht sofort ausstelle, so Thewes weiter, denn schließlich habe das City Museum auch eine archivarische Mission.

Gerüchte von Wahrheit zu trennen, ist Sache der Justiz.“Bürgermeisterin Lydie Polfer

Hinzu komme jedoch noch ein weiterer Punkt, so der Museumsleiter: „Der Prozess um den Bommeleeër ist noch nicht abgeschlossen. Uns erschien es juristisch ratsam, das Ende des Prozesses abzuwarten, ehe wir uns des Themas annehmen.“

Juristische Bedenken, die der Museumsdirektor bei einem Gespräch mit Reporter.lu zu seinem Amtsantritt im Juli 2019 noch nicht hatte. Bereits damals erklärte Thewes, eine Ausstellung über Verschwörungstheorien zu planen, und erwähnte die „Bommeleeër“-Affäre ausdrücklich. Auch eine kritische historische Einordnung schien den Museumleiter bereits damals zu beschäftigen: „Je pense qu’on peut faire une histoire critique sans chercher le coupable et tomber dans la dénonciation.“

Bei der Frage nach einer Einflussnahme auf die Ausstellung von außen wiegelt Guy Thewes heute jedoch ab: „Was im Museum gezeigt wird, entscheiden wir selbst und sonst niemand.“

Die Installation „Rumeurs“ wird als Teil der Ausstellung bis Januar 2022 im „City Museum“ zu sehen zu sein. (Foto: Eric Engel)

Das „City Museum“ ist Teil der Verwaltung der Stadt Luxemburg und wird über das hauptstädtische Gemeindebudget finanziert.

„Es hat mich schockiert“

Zu der Frage, wie es zur Entscheidung gekommen sei, das Thema „Bommeleeër“ nicht in der Ausstellung zu behandeln, äußert sich Bürgermeisterin Lydie Polfer derweil deutlicher als Guy Thewes.

Lydie Polfer steht zu ihrem Veto. Im Gespräch mit Reporter.lu bestätigt die liberale Politikerin, dass ein Teil der Ausstellung die Anschlagserie behandeln sollte. Die Verantwortlichen der Ausstellung hätten der Gemeinde ihre Pläne bei einer Versammlung vorgestellt. Die Reaktion der Bürgermeisterin darauf war deutlich. „Ich muss sagen, das hat mich schockiert“, erklärt Lydie Polfer im Gespräch mit Reporter.lu.

Als Grund für ihre Ablehnung nennt auch Lydie Polfer das laufende Verfahren: „Gerüchte von Wahrheit zu trennen, ist Sache der Justiz. Und in der ‚Bommeleeër‘-Affäre gibt es so viele Mutmaßungen und Behauptungen, ich finde, daran darf eine öffentliche Institution sich nicht beteiligen.“ Auf die Frage, ob diese Einmischung keinen Eingriff in die Bildungsfreiheit darstelle, entgegnet Polfer: „Bei den Museumsmitarbeitern handelt es sich um vereidigte Beamte. Und für sie sollte der Respekt des Rechtsstaats und der Arbeit der Justiz oberstes Gebot sein.“

Sie sei sich wohl bewusst, dass es um den „Bommeleeër“ zahlreiche Verschwörungstheorien gebe, so die Bürgermeisterin weiter. Doch der Moment, diese in einer Ausstellung zu thematisieren, sei nicht jetzt. „Wenn der Prozess einmal abgeschlossen ist, kann ich mir durchaus vorstellen, dass man die Diskussionen um den Bommeleeër in einer Ausstellung thematisiert“, erklärt Lydie Polfer zum Schluss.

Für den Journalisten Nico Graf ist die Entscheidung, den Bommeleeër in der Ausstellung nicht zu thematisieren, hingegen überhaupt nicht nachzuvollziehen: „Für mich ist das illiberal.“ Den Kommentar zu dieser Episode der Luxemburger Ausstellungsgeschichte liefert bis zum 16. Januar 2022 ein rotes Fragezeichen auf schwarzem Grund. Denn bis dahin kann die Installation „Rumeurs“ im „City Museum“ besichtigt werden. Wann der Bommeleeër-Prozess abgeschlossen sein wird, bleibt hingegen Mutmaßung.


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