Eine neue Strategie, ein Wohnungsbauberater und ein höherer Prozentsatz an erschwinglichen Wohnungen sollen langfristig für einen parallelen Wohnungsmarkt in öffentlicher Hand sorgen. Das verspricht der Pacte Logement 2.0., der Anfang nächsten Jahres in Kraft treten soll.

„Wenn wir verhindern wollen, dass die soziale Schere weiter auseinanderklafft, muss die öffentliche Hand stärker in den freien Markt eingreifen“, sagte Innenministerin Taina Bofferding (LSAP), als sie gemeinsam mit Wohnungsbauminister Henri Kox (Déi Gréng) am Donnerstag den Pacte Logement 2.0 vorstellte. Als „ein wichtiges Instrument“ bezeichnete Henri Kox die Zweitauflage des Paktes zwischen Staat und Gemeinden. Langfristig soll der Pakt dazu beitragen, einen parallelen Wohnungsmarkt in öffentlicher Hand aufzubauen, und somit „die Preise zu stabilisieren“.

Die Ausrichtung des Pacte Logement 2.0 ist im Vergleich zu seinem Vorgängermodell, das Ende des Jahres ausläuft, auch deutlich strategischer. Während der erste Pakt die finanzielle Unterstützung der Gemeinden vor allem an die demografische Entwicklung, sprich an steigende Einwohnerzahlen band, soll nun eine Wohnungsbaustrategie der Gemeinden die Grundlage hierfür bilden.

Unterschreibt eine Gemeinde eine Konvention mit dem Staat, verpflichtet sie sich demnach, ein „Programme d’action locale logement“ (PAL) zu erstellen, in dem die Gemeinde neben einer umfassenden Bestandsaufnahme bereits konkrete Pläne und Bauprojekte vorstellt. Wird dieser PAL vom Gemeinderat gebilligt, steht der Unterzeichnung der zweiten Konvention mit dem Staat (convention de mise en oeuvre) nichts mehr im Wege.

Wohnungsbauberater als Katalysator

„Durch den strategischen Ansatz und die Laufzeit von zwölf Jahren, ist der Pakt auf Kontinuität ausgerichtet“, sagt Urbanistik-Forscher Tom Becker. Das sei begrüßenswert, müsse der Pakt doch mindestens zwei Wahlen und somit eventuellen politischen Machtwechseln in den Gemeinden standhalten.

Ein wichtiger Akteur im neuen Pacte Logement ist der Wohnungsbauberater, der an das Konzept des bereits bestehenden Klimaberaters angelehnt ist. Er soll die Gemeinden bei der Ausarbeitung der Strategie unterstützen, bei der Umsetzung der Pläne helfen und die jährlichen Bilanzen ausarbeiten. Ob es sich hierbei um einen bereits in der Gemeinde arbeitenden Beamten handelt oder ein externer Experte zu Rate gezogen wird, bleibt den Gemeinden selbst überlassen.

Der Staat verpflichtet sich allerdings dazu, jährlich 380 Beratungsstunden zu finanzieren. Für die Ausarbeitung der ersten Strategie sollen bereits 240 Stunden hinzukommen. „Ich hoffe, dass der Wohnungsbauberater nicht nur für technische Fragen da ist, sondern ein gutes Verständnis für raumplanerische Fragen hat“, sagt Tom Becker. Sonst riskiere der Pakt nur quantitativ und nicht qualitativ zu wirken. „Was wir aber auch brauchen, ist eine anständige Lebens- und Wohnqualität“, so der Forscher.

Ein wichtiges Novum ist auch, dass die Wohnungen in öffentlicher Hand bleiben sollen und nicht, wie bisher, nach einigen Jahren dem freien Wohnungsmarkt zur Verfügung stehen. Dies soll maßgeblich dazu beitragen, dass im Laufe der Jahre ein paralleler Wohnungsmarkt entstehen kann, der nicht den Gesetzen des Marktes unterworfen sein und somit für mehr Preisstabilität sorgen soll. Um die Anzahl der Wohnungen in öffentlicher Hand schneller zu vermehren, haben die Minister auch Anpassungen am Prozentsatz der erschwinglichen Wohnungen pro Bauprojekt vorgenommen.

600 statt 365 erschwingliche Wohneinheiten pro Jahr

So soll in Zukunft die Zehn-Prozent-Regel bereits bei neuen Vierteln mit zehn bis 25 Wohneinheiten greifen, bei mehr als 25 Einheiten gelten 15 Prozent. Für Vorhaben außerhalb des aktuellen Bauperimeters gelten ab 2022 sogar 30 Prozent erschwinglicher Wohnraum ab 25 Wohneinheiten, 20 Prozent zwischen 10 und 25 Wohneinheiten und 10 Prozent zwischen 5 und 9 Wohneinheiten. Außerdem müssen zukünftig bis zu 30 Prozent der Flächen, die neu in den Bauperimeter aufgenommen werden, an die öffentliche Hand gehen.

Die Regierung verspricht sich hierdurch beinahe eine Verdoppelung des erschwinglichen Wohnraums pro Jahr. Momentan kommen zum Immobilienpark pro Jahr etwa 4.560 Wohnungen hinzu. Nach alter Rechnung sind davon 365 erschwinglich, nach neuer hingegen um die 600.

Das Vorhaben klingt ambitioniert, besonders im Hinblick auf den zeitlichen Rahmen. Der Gesetzentwurf wurde am 29. Juli vom Regierungsrat angenommen. Im Herbst soll das Gesetz verabschiedet werden, um am 1. Januar 2021 in Kraft zu treten. Er habe dem Staatsrat die Dringlichkeit des Gesetzes mitgeteilt, sagte Henri Kox auf Nachfrage.

Die Reform des Mietgesetzes und der neue Pacte Logement 2.0 sind zwei wichtige Puzzleteile des blau-rot-grünen Reformkonzeptes, um die Wohnungsmarktkrise zu entschärfen. Mit der zeitnah geplanten Reform des Gesetzes für Wohnungsbeihilfen kommt ein drittes hinzu. Skepsis, ob allein durch diese Reformen die akute Wohnungskrise eingedämmt werden kann, ist aber sicherlich weiter angebracht.