Alexei Mordaschow galt als reichster Mann Russlands. Recherchen im Rahmen der „Pandora Papers“ zeigen, wie Berater von „PwC“ dem russischen Stahlbaron dabei halfen, sein Offshore-Imperium zu verwalten. Mordaschow ist auch für Luxemburgs Politik kein Unbekannter.

Von Scilla Alecci und Luc Caregari *

Vor rund 20 Jahren krönte das „Forbes“-Magazin den russischen Stahlmagnaten Alexei Mordaschow zusammen mit Oprah Winfrey zu einem der „Neuankömmlinge“ in der Welt der Milliardäre. Mordaschow war damals 37 und kaum bekannt. Ein „selbstgemachter Businessmann“ sollte der Unternehmer dem Magazin nach sein. 2021 wurde Mordaschow zum reichsten Mann Russlands – mit einem Vermögen, das „Forbes“ auf 29 Milliarden Dollar schätzte.

Die „Pandora Papers“ und andere geleakte Dokumente zeigen, wie Alexei Mordaschow seinen Reichtum durch ein Netz aus Offshore-Firmen erweiterte. Vordergründig ging es dabei um Investitionen in europäische Unternehmen. Doch auch in Russland kam dieses Netz zum Einsatz, um die Geschäfte des Oligarchen über die Stahlindustrie hinaus auszudehnen und große Anteile in der Kohle- und Holzindustrie sowie in Medienunternehmen zu erwerben.

Eine Schlüsselrolle spielte dabei die Beraterfirma „PwC“. Wie andere westliche Berater- und Anwaltskanzleien assistierte der zypriotische Ableger von PwC dem Oligarchen dabei, mehr als 65 Briefkastenfirmen auf den Britischen Jungferninseln und in anderen Steuerparadiesen zu gründen und zu managen, wie das „International Consortium of Investigative Journalists“ (ICIJ) im Rahmen der „Pandora Papers“-Recherche herausfand.

Offshore-Netzwerk mit weitreichenden Spuren

Die Berater halfen ihm und seiner Lebensgefährtin Marina Mordashowa etwa dabei, Firmen zu registrieren, die eine über 60 Meter lange Jacht und einen Privatjet verwalteten. Sie gingen auch zur Hand, als die Mordashows die Besitzverhältnisse ihrer Briefkastenfirmen in Krisenzeiten ändern mussten. Krisen wie die vergangenen westlichen Sanktionswellen gegen russische Geschäftsleute und ihre Gesellschaften. Auch jetzt, nach der russischen Invasion in der Ukraine, taucht der Multimilliardär auf den Sanktionslisten der EU auf.

Die Recherchen zeigen zudem, wie der Unternehmer über diverse Briefkastenfirmen große Summen weltweit auf zum Teil suspekte Weise hin- und herschob. Darunter waren mindestens vier Transaktionen, an denen ein enger Vertrauter Wladimir Putins beteiligt war – entgegen den Behauptungen von Alexei Mordaschow, dass er als ehrenwerter Geschäftsmann keine Verbindungen zum Kreml habe.

Offenbart werden auch einige Verbindungen von Alexei Mordaschow nach Luxemburg. So war der PwC-Ableger in Singapur auch mit den Audits über einen Investmentfonds betraut, der Kirill Androsov gehörte. Das Netzwerk des „Altera“-Fonds des ehemaligen Putin-Mitarbeiters zog sich auch bis ins Großherzogtum – wie Reporter.lu exklusiv berichtete. Auch für die Immobiliengeschäfte des Milliardärs Oleg Deripaska, der über seine Anteile an der österreichischen „Strabag“ ebenfalls an Bauprojekten in Luxemburg beteiligt ist, war PwC zuständig.

„Weißer Ritter“ und Luxemburger Ehrenkonsul

Alexei Mordaschow ist der Sohn von Mühlenarbeitern aus der nordwestrussischen Stadt Tscherepowez, der mit 31 Jahren an die Spitze von „Severstal“, dem größten russischen Stahlproduzenten, aufstieg. Sein unerschrockener Managementstil brachte ihm schnell den Spitznamen „der Panzer“ ein. 2003 gründete der junge Milliardär auf Zypern die Gesellschaft, die später als „Unifirm“ bekannt wurde – und die Spitze seiner Offshore-Firmen darstellt. PwC-Berater auf Zypern koordinierten sich mit dem „Trident Trust“ – einer Firma, die lediglich dazu dient, Briefkastenfirmen auf den Britischen Jungferninseln zu gründen und zu verwalten – um die vielen Offshore-Firmen von Mordaschow zu bedienen.

Das Arrangement war üblich für russische Firmen, die ihre Steuern drastisch senken wollten, indem sie Übereinkünfte zwischen den Regierungen Russlands, Zyperns und den Britischen Jungferninseln ausnutzten. Zu verschiedenen Zeitpunkten hielten die Tochtergesellschaften Anteile an amerikanischen Stahlfabriken, russischen Fernsehsendern und einem deutschen Reiseanbieter – der „TUI“. Zypern gilt als der beliebteste Offshore-Hafen für superreiche Russen.

Mit dem Ziel, die Offshore-Konstrukte russischer Oligarchen offenzulegen, startete das ICIJ eine Neuauflage seiner Recherche zu den „Pandora Papers“. (Foto: ICIJ)

Internationale Aufmerksamkeit erregte Alexei Mordaschow aber erst 2006, als er ankündigte, „Arcelor“-Anteile kaufen zu wollen. Den Kontakt hergestellt hatten damals die Arcelor-Spitzen Guy Dollé und Joseph Kinsch, die alles unternahmen, um den indischen Milliardär Lakshmi Mittal davon abzuhalten, sich Arcelor einzuverleiben. Mordaschow sollte als „weißer Ritter“ Arcelor retten und gleichzeitig zum größten Stahlproduzenten der Welt machen, wie etwa „The Wall Street Journal“ damals berichtete. Der Deal soll vom russischen Präsidenten Putin selbst genehmigt worden sein.

Am Ende kam der Deal jedoch nicht zustande. Aber Mordaschow hatte sich in Luxemburg Sympathien bis in höchste Kreise aufgebaut. Im September 2006 verlieh Außenminister Jean Asselborn (LSAP) dem Oligarchen die Ehrenkonsul-Würde: Alexei Mordaschow repräsentierte seitdem das Großherzogtum und dessen Finanzplatz in seiner Heimatregion Tscherepowez. Einige Tage nach dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine wurde dieser Titel klammheimlich von der Webseite des Außenministeriums getilgt.

Gespaltenes Image und fragwürdige Kredite

Auch wenn die Arcelor-Übernahme scheiterte, erlaubte diese Episode Mordaschow, sein Image als Unternehmer, der offen ist für Geschäfte mit dem Westen, zu festigen. Gleichzeitig pflegte er aber sein patriotisches Unternehmerimage. In der Vergangenheit hatten sich Mordaschows Firmen immer wieder damit gebrüstet, den Stahl herzustellen, mit dem die russischen Panzerwagen und Unterseeboote gebaut werden.

Medienberichte, die ihm persönliche Verbindungen zu Wladimir Putin nachsagten, dementierte er stets. „Ich bin ein privater Unternehmer und habe nichts mit der Regierung zu tun“, sagte Mordaschow etwa 2018 in einem Interview mit „Bloomberg TV“. Für eine gewisse Nähe zur russischen Exekutive sprechen jedoch Erkenntnisse aus den „Pandora Papers“. Diese zeigen etwa, dass Millionen US-Dollar aus Mordaschows Offshore-Firmen an Gesellschaften gingen, die mit einer Schlüsselfigur aus Putins innerstem Kreis in Verbindung stehen.

Die Kredite gingen nämlich an Serguei Rodulgin, einen Cellisten und persönlichen Freund Putins. Bereits die „Panama Papers“ enthüllten, dass Rodulgin eine bedeutende Rolle in einem geheim operierenden Netzwerk von Putin-Vertrauen spielte, die mindestens zwei Milliarden Dollar via Banken und Offshore-Firmen verschwinden ließen. Die Partner benutzten dazu oft fragwürdige Kredite, die zinslos und ohne Rückzahlungsdatum vergeben wurden. Auch Mordaschows Sechs-Millionen-Dollar-Kredit an eine Briefkastenfirma von Rodulgin wurde später für nur einen Dollar Rückzahlung vergeben, wie die Recherchen des ICIJ zeigen. Zudem hatten alle an den Transaktionen beteiligten Firmen dieselben Verwaltungsbeauftragten – allesamt Strohmänner, die den eigentlichen Besitzer verheimlichen sollen.

Geschäftsmann mit besten Connections: Alexei Mordaschow (l.) gemeinsam mit Russlands Präsident Wladimir Putin, im Februar 2020, in der nordwestrussischen Stadt Tscherepowez. (Foto: KremlinxPool/Imago)

Die „FinCen-Files“ – ein weiteres Leak, das das ICIJ zusammen mit der amerikanischen Medienplattform „BuzzFeed“ analysierte – geben Aufschluss darüber, dass Alexei Mordaschow weitere ähnliche Deals über sein Offshore-Imperium tätigte. Auch der Kauf und spätere – skandalumwobene – Verkauf von amerikanischen Stahlwerken lief über das von „PwC international“ betreute Netzwerk. Die Anschuldigungen von „RG Steel“, dem amerikanischen Käufer der Werke, Mordaschows „Severstal“ habe den Verkaufspreis für die Werke künstlich aufgeblasen, hatten keinen negativen Einfluss auf die Treue der Beraterfirma zu ihrem milliardenschweren Kunden. Im Gegenteil: PwC bot sich als Schiedsrichter im Streit der beiden Firmen an.

Der steigende Druck der Sanktionspolitik

Mordaschows Imperium gedieh jedoch weiterhin. Nach der russischen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim 2014 wurde er erstmals von Sanktionen getroffen. Die USA, die EU und weitere Länder sanktionierten damals russische Banken, die dem Kreml nahe standen. Darunter war auch die Bank „Rossyia“ zu finden, an der Mordaschows „Severgroup“ mit über fünf Prozent beteiligt ist. Die Bank steht den US-Behörden nach im Ruf, der persönliche Finanzdienstleister von Putins innerstem Zirkel zu sein. In einem öffentlichen Statement bestritt die Bank damals, dass die Sanktionen einen wesentlichen Effekt auf ihre Geschäfte hätten.

Der nächste Schlag traf Mordaschow direkter: 2018 veröffentlichten die USA eine neue Sanktionsliste, nicht nur wegen der Krim-Annexion, sondern auch wegen des Eingreifens Russlands in den US-Wahlkampf 2016 und der russischen Unterstützung des syrischen Diktators Bashar al-Assad. Auch wenn der Oligarch nicht persönlich auf der Liste stand, so traf es eine seiner Firmen, die Gasturbinen an eine russische Firma auf der Krim lieferte. Dies hatte auch zur Folge, dass seine Offshore-Strategie größere Veränderungen durchlief, wie die Recherchen des ICIJ zeigen.

Drei Monate nach den Sanktionen wurde jedenfalls Mordaschows Lebenspartnerin die Besitzerin von mehreren seiner Briefkastenfirmen, die Anteile an Luxusjachten und Privatjets hielten. PwC auf Zypern half auch hier bei den nötigen Operationen. Es ist eine Vorgehensweise, die Alexei Mordaschow auch bei den aktuellen Sanktionen, die ihn persönlich betreffen, an den Tag legt. Seine Anteile an der Minengesellschaft „Nordgold“ und an dem deutschen Reiseanbieter TUI wurden größtenteils an seine Partnerin weitergegeben. Geschätzter Wert: 2,5 Milliarden Dollar.

Auch die zypriotische Top-Firma „Unifirm“ ging an eine Briefkastenfirma auf den Britischen Jungferninseln – die ebenfalls Marina Mordachowa gehört. Damit konnte Mordaschow zwar nicht verhindern, dass die italienischen Behörden seine Jacht „Lady M“ sowie einige seiner Villen beschlagnahmten. Einen Teil seines Reichtums wird er wohl trotzdem behalten können – auch dank der Dienste von PwC.

Vorläufige Folgen des andauernden Krieges

PwC ist eine der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaften, die eine wichtige Rolle spielen, wenn es um die diskrete Vermehrung der Vermögen von Reichen, Ultrareichen und politisch vernetzten Personen aus der Russischen Föderation geht. In den Jahren vor der Invasion der Ukraine gab PwC an, mit mehr als 2.000 russischen Firmen, davon 124 Großbetriebe, zusammengearbeitet zu haben. Deren Umsatz war so hoch wie etwa die Hälfte des russischen Bruttoinlandprodukts.

Die global agierende Beraterfirma hat aber zumindest die Zeichen der Zeit erkannt. Als Reaktion auf Russlands Krieg in der Ukraine hat PwC öffentlich verlautbaren lassen, dass ihre russische Tochterfirma aus ihrem globalen Netzwerk herausgelöst wird. Alle weiteren Tochterfirmen müssen zudem „jede Zusammenarbeit mit sanktionierten russischen Gesellschaften oder Personen unterlassen“.

Auch für Alexei Mordaschow blieb der anhaltende Krieg in der Ukraine nicht ohne Folgen. Zwar ist er nicht der einzige russische Oligarch, dessen verfügbares Vermögen durch die westlichen Sanktionen merklich geschrumpft ist. Doch in seinem Fall sind die Einbußen etwas spektakulärer. Laut dem letzten Milliardären-Ranking von „Forbes“, das erst kürzlich veröffentlicht wurde, wurde sein Vermögen mehr als halbiert. Das Magazin schätzte sein Reichtum Anfang April 2022 nur noch auf rund 13 Milliarden Dollar, also 16 Milliarden weniger als noch im Jahr zuvor.


* Dieser Artikel basiert auf einer Recherche von Scilla Alecci, Reporterin beim „International Consortium of Investigative Journalists“ (ICIJ), die von Luc Caregari (Reporter.lu) übersetzt und ergänzt wurde.

Alle Recherchen zu den „Pandora Papers“ lesen Sie auf der ICIJ-Webseite.


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