„Buzzfeed News“ berichtet über Mobbing und Willkür, die einer Direktorin des Instituts mit Sitz in Kirchberg zur Last gelegt werden. Dazu kommen gravierende Mängel in der Organisation. Es geht auch um Steuergelder, denn der Luxemburger Staat finanziert die Einrichtung.
Das Onlinemagazin „Buzzfeed News Deutschland“ deckte Anfang Februar gravierende Missstände am Max-Planck-Institut Luxemburg auf. Der Artikel zitiert eine interne Umfrage der Personaldelegation, die ernste Probleme mit Mobbing und psychischer Belästigung in der Forschungseinrichtung mit Sitz in Kirchberg ans Licht brachte. Knapp ein Viertel der Mitarbeiter gaben im Frühjahr 2019 an, selbst von Mobbing betroffen zu sein, über ein Drittel war Zeuge solcher Vorfälle.
Im Zentrum der Kritik steht die Co-Direktorin des Max-Planck-Instituts für internationales, europäisches und Verfahrensrecht (MPI), die Professorin Hélène Ruiz Fabri. „Buzzfeed“ berichtet über drei Mitarbeiter, die unter der Willkür der Direktorin gelitten haben sollen. Eine Forscherin sei zur Vertragsauflösung gezwungen worden, ein weiterer Forscher habe das Institut aus Frust verlassen, ein dritter weiterhin am Institut.
Informationen von REPORTER decken sich mit dem „Buzzfeed“-Bericht. Aus Angst vor der Direktion will aber niemand mit Namen genannt werden. Demnach habe das schlechte Klima konkrete Folgen für die Arbeit des Instituts. Es bleibe weniger Zeit für eigene Forschung. Leistung werde nicht anerkannt und die Arbeit an wissenschaftlichen Konferenzen und Publikationen nicht gemäß wissenschaflichen Kriterien gewürdigt. Andere Mitarbeiter betonen allerdings, dass das Institut wertvolle Forschung leiste und die Presseberichte nicht ihre Erfahrungen widerspiegeln.
Forschungsministerium schaltet sich ein
Mit einer internen Rundmail reagierte die Direktion des MPI auf den „Buzzfeed“-Artikel. In der E-Mail, die REPORTER einsehen konnte, versprechen die Direktoren Burkhard Hess und Hélène Ruiz Fabri mit der Personalvertretung zusammenzuarbeiten, um weitere Maßnahmen zur Verbesserung des Arbeitsklimas zu diskutieren. Außerdem komme es am 9. März zu einem Treffen zwischen dem Präsident der Max-Planck-Gesellschaft und dem Personal.
Dem „Luxemburger Wort“ sagte der Co-Direktor Burkhard Hess: „Zu konkreten Vorwürfen können wir vor dem Hintergrund der zu wahrenden Persönlichkeitsrechte keine Auskunft erteilen.“ Auf Nachfrage von REPORTER betonten die beiden Direktoren, dass seit der internen Umfrage mehrere Maßnahmen gegen Belästigung, Diskriminierung und Einschüchterung im Institut getroffen worden seien. Dazu zählen Seminare zur Sensibilisierung, die Möglichkeit externe Anwälte zu Rate zu ziehen und regelmäßige Berichte der Personalabteilung an die Direktion. Seit September 2019 sei kein neuer Fall von Mobbing gemeldet worden.
Das darf kein Dauerzustand sein in einer Einrichtung, die knapp hundert Mitarbeiter hat.“
Das MPI wird getragen von einer Stiftung: der „Max Planck Institute Foundation Luxemburg“. Im September 2019 gab Hélène Ruiz Fabri den Posten als Vorstandsvorsitzende der Stiftung an Burkhard Hess ab. Sie ist aber weiterhin Mitglied des Vorstands.
Das MPI untersteht der deutschen Max-Planck-Gesellschaft, wird aber vom Luxemburger Forschungsministerium finanziert. Und dort ist man wenig erfreut über die Zustände. „Es müssen eine Reihe von Punkten geklärt werden“, stellt Léon Diederich, Erster Regierungsrat im Forschungsministerium, im Gespräch mit REPORTER klar.
Luxemburger Institut ist kein Einzelfall
Anfang März wird es ein Treffen zwischen dem MPG-Präsident und dem Ministerium geben. Die Regierung hat jedoch keinen direkten Einfluss auf die Geschehnisse am MPI. Im Verwaltungsrat der Stiftung sitzt kein Vertreter des Staates, sondern nur der Leiter der Max-Planck-Gesellschaft. Es sei an der Gesellschaft, die Probleme im MPI zu lösen, so das Ministerium.
Die Recherchen der „Buzzfeed“-Journalisten Hristio Boytchev und Pascale Müller lassen aber Zweifel am Reformwillen der Max-Planck-Gesellschaft aufkommen. Das Luxemburger Institut ist kein Einzelfall, in mehreren Einrichtungen der Gesellschaft gab es Probleme mit Mobbing. „Buzzfeed“ berichtet, dass die Namen der Mitarbeiter, die sich bei der Ombudsfrau der Gesellschaft über die Zustände in Kirchberg beschwerten, an Hélène Ruiz Fabri weitergereicht wurden.
Gravierende Mängel in der Organisation
Doch das Forschungsministerium stören nicht nur die Mobbing-Vorwürfe. Die Probleme sind tiefgreifender. Es gebe ein Vakuum auf der Verwaltungsebene, das auch zum Teil die Konflikte innerhalb des Personals erkläre, sagt Léon Diederich. „Das darf kein Dauerzustand sein in einer Einrichtung, die knapp hundert Mitarbeiter hat“, so der Beamte.
Laut Statuten besteht der Vorstand des MPI aus mindestens zwei wissenschaftlichen Direktoren und einem verwaltungstechnischen Geschäftsführer. Doch die letzte Geschäftsführerin verließ das Institut im Januar nach nur sechs Monaten. Obwohl sie laut ihrer Linkedin-Seite bereits einen neuen Job angetreten hat, ist die Änderung im Handelsregister weiterhin nicht eingetragen. Der Posten ist auf der Webseite des MPI nicht ausgeschrieben.
Bereits zwischen August 2018 und August 2019 war der Posten des Geschäftsführers laut Einträgen im Handelsregister nicht besetzt. Das Institut stelle den Geschäftsführer „von jeglicher Arbeit frei“, heißt es im August 2018. Auch an anderen Stellen der Verwaltung dreht sich das Personenkarussell offenbar schnell: Aktuell sucht das MPI nach zwei IT-Mitarbeitern – obwohl die IT-Abteilung laut Organigramm nur drei Personen umfasst. Die IT-Abteilung soll laut Direktion die Ausnahme sein: Der Personalwechsel („turnover“) habe in den letzten fünf Jahren bei 21 Prozent gelegen, doch seit 2019 habe es einen Rückgang gegeben.
Knapp elf Millionen Euro vom Staat
Der Luxemburger Staat finanziert das MPI zu 100 Prozent. 2020 erhält das Institut 10,9 Millionen Euro aus dem Staatshaushalt, heißt es vom Forschungsministerium. Zum Vergleich: Das sozio-ökonomische Forschungsinstitut LISER erhält 12 Millionen Euro, hat aber ein Drittel mehr Mitarbeiter.
Das Gesetz von 2014 zur Finanzierung des Max-Planck-Instituts Luxemburg sieht einen jährlichen Beitrag des Staates von maximal zwölf Millionen Euro vor (Index 2013). Es ist aber völlig unklar, welche Summe genau fließt, denn es gibt dafür keinen eigenen Artikel im Staatshaushalt. Auch die Jahresberichte des MPI oder des Hochschulministeriums weisen diese Summen nicht aus.
Die Stiftung hat allerdings ein provisorisches Budget von 11,5 Millionen Euro für 2019 aufgestellt. Davon fließen 6,5 Millionen Euro in die Gehälter der rund 90 Forscher und Mitarbeiter der Verwaltung.
Das MPI hat das maximale Budget damit quasi ausgereizt. Das Problem: Bei der Gründung waren drei Forschungsabteilungen geplant, bis heute gibt es aber nur zwei. Die Abteilung, die sich mit Verfahrensrecht und Regulierung befassen sollte, existiert nicht.
Das ist einer der Punkte, die das Forschungsministerium ebenfalls noch mit der Max-Planck-Gesellschaft klären will. Dabei geht es nicht zuletzt darum, den guten wissenschaftlichen Ruf des Instituts zu retten.
Update: Der Artikel wurde mit der Stellungnahme der Direktion des MPI aktualisiert.