US-Präsident Joe Biden will der Steuervermeidung von Konzernen ein Ende setzen und den schädlichen Wettbewerb zwischen Staaten eingrenzen. Um was es geht, wie die Erfolgsaussichten stehen und was die Pläne für Luxemburg bedeuten könnten – zehn Fragen und Antworten.
In seinem Wahlprogramm hatte Joe Biden bereits klare Ansagen gemacht, dass er der Steuervermeidung von Konzernen einen Riegel vorschieben wolle. Vergangenen Mittwoch stellte die US-Finanzministerin Janet Yellen den ehrgeizigen „Made in America Tax Plan“ vor. Die Idee: Konzerne sollen in den USA mehr Steuern zahlen und diese Einnahmen sollen wiederum massive Investitionen in Infrastruktur und die Energiewende finanzieren.
Die Ankündigungen schlugen ein wie eine Bombe. Denn zum Plan gehört auch, den Steuerwettbewerb weltweit einzugrenzen. Die USA schalteten sich in bereits laufende Verhandlungen der „Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (OECD) ein. Sowohl unter Barack Obama als auch unter Donald Trump blockierte die US-Regierung diese Diskussionen. Nun werfen die USA ihr ganzes Gewicht in die Waagschale. Es ist eine offene Kampfansage gegen Gewinnverlagerungen und Offshore-Investitionen von US-Unternehmen.
Regierungen weltweit reagierten geradezu euphorisch auf die US-Pläne. Weniger Steuerwettbewerb bedeutet für die meisten großen Industriestaaten mehr Geld in der Staatskasse, so die Hoffnung. Mitten in der Pandemie ist das eine willkommene Initiative aus Washington – außer natürlich für die sogenannten Steueroasen dieser Welt.
Um was geht es genau?
National will die US-Regierung den Satz der Körperschaftsteuer von 21 auf 28 Prozent erhöhen. Damit macht sie die Steuerreform Donald Trumps teilweise rückgängig, denn unter Barack Obama lag der Steuersatz noch bei 35 Prozent. Dazu kommt aber ein deutlich härteres Vorgehen gegen Konzerne, die ihren „fairen Anteil“ an Steuern nicht zahlen, wie es Joe Biden formulierte.
Aus europäischer Sicht sind allerdings zwei der Vorschläge von besonderem Interesse. Damit US-Konzerne ihre Gewinne nicht in Steueroasen verlagern, fordert Joe Biden eine weltweite Minimalsteuer von 21 Prozent. Zahlt ein amerikanisches Unternehmen in einem anderen Staat weniger auf seine dort verbuchten Gewinne, muss es die Differenz in den USA zahlen.
Die USA schlagen den anderen Staaten ebenfalls Regeln für eine Besteuerung von Digitalunternehmen vor. Die Idee: Unternehmen wie Amazon oder Apple sollen Steuern auf ihren Gewinn dort zahlen, wo sie die Umsätze machen – also die meisten Kunden haben. Bisher ist das nicht der Fall. Diese Unternehmen zahlen beispielsweise in Ländern wie Frankreich oder Deutschland kaum Steuern.
Wie reagiert Luxemburgs Regierung?
Finanzminister Pierre Gramegna (DP) zeigte sich geradezu enthusiastisch. Er begrüße den Vorschlag einer globalen Minimalsteuer, sagte er „RTL“. Er ging noch einen Schritt weiter: Die Verschärfung internationaler Steuerregeln hätte Luxemburg noch attraktiver gemacht. Die US-Vorschläge würden der Anziehungskraft des hiesigen Standorts nicht schaden, erklärte der Finanzminister, allerdings ohne an dieser Stelle allzu konkret zu werden.
Ähnlich positiv äußerte sich Gramegna auch im Interview mit „Bloomberg TV“: Die Vorschläge der US-Regierung gingen in die richtige Richtung und seien im besten Interesse sowohl Amerikas als auch Europas. „Wir brauchen mehr Solidarität, wir müssen mit dem Modell brechen, dass internationale Konzerne versuchen, ihre Steuern gen Null zu drücken. Das wird von allen Beobachtern anerkannt: Wir müssen ein ‚race to the bottom‘ verhindern“, sagte Luxemburgs Finanzminister. Das „Handelsblatt“ kommentierte diese Aussage als „bemerkenswerte Kehrtwende“ Luxemburgs.
Wie glaubwürdig ist Luxemburgs Haltung?
Es scheint tatsächlich so, als ob Luxemburgs Regierung sich dem Unvermeidbaren fügt. Es wäre politischer Selbstmord, sich gegen etwas zu stellen, was die USA wollen und die größten Nachbarn Deutschland und Frankreich unterstützen.
Luxemburg hat ebenfalls Interesse daran, der US-Regierung nicht weiter negativ aufzufallen. Im Bericht des US-Finanzministeriums wird Luxemburg neben Bermuda, Cayman Islands, Irland, Niederlande, Singapur und der Schweiz als eines der sieben Steuerparadiese zitiert, die den USA am meisten schaden. Mindestens 100 Milliarden US-Dollar kosten Steueroasen die Supermacht pro Jahr, heißt es im Bericht.
Allerdings entsprechen die Pläne der Biden-Regierung voll und ganz dem Mantra von Pierre Gramegnas „level playing field“. Gleiche Bedingungen für alle Industrienationen sind nun in Reichweite – ein bemerkenswerter Fortschritt gegenüber der Blockadehaltung der Vorgängerregierungen der USA. Dass die Vereinigten Staaten nun wieder am internationalen Verhandlungstisch sitzen, ist bereits ein Fortschritt an sich. Luxemburg sprach sich bei der Besteuerung von Amazon, Apple, Google und Co. immer wieder gegen Alleingänge Europas aus.
Gibt es auch Kritik aus Luxemburg?
Tatsächlich ist der US-Vorschlag zur Digitalsteuer für kleine Länder problematisch, denn er sieht vor, die Besteuerung nach Kundenumsätzen zu verteilen. In Luxemburg gibt es wenig Kunden, dafür aber andere Aktivitäten. Kleine, ökonomisch offene Staaten wie die Benelux-Länder oder skandinavische Staaten hätten Besonderheiten, die berücksichtigt werden müssten, forderte Pierre Gramegna.
Ähnliche Probleme gibt es für Luxemburg bei den Plänen zur Steuerharmonisierung in der EU, die sich ebenfalls an den Umsätzen oder Mitarbeitern in einem Land orientieren. Das ist etwa der Fall bei den Vorschlägen zu einer gemeinsamen Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (CCTB), bei denen Luxemburg als größter Verlierer gilt.
Wäre es das Ende von Luxemburg als Steuerparadies?
Es ist klar, dass eine globale Mindeststeuer für Steueroasen eine große Herausforderung für bestimmte Staaten wäre. Die „Financial Times“ kommentierte, dass die US-Pläne das Ende der Steuerparadiese einleiten könnten. Es wird aber zuerst Länder wie die Kaiman-Inseln oder die Britischen Jungferninseln treffen, die Firmen überhaupt nicht besteuern. Auch Irland, das mit 12,5 Prozent nach Ungarn den niedrigsten Steuersatz in der EU hat, sieht sein Geschäftsmodell bedroht.

Luxemburg ist ein Sonderfall, weil der offizielle Steuersatz mit knapp 25 Prozent vergleichsweise hoch ist. Doch über die berühmten Steuerrulings ließen sich Konzerne die Nutzung von Steuernischen und -vorteilen von der Verwaltung absegnen. Sie rechneten ihre Gewinne klein und so zahlten sie tatsächlich nur einen Bruchteil der eigentlich fälligen Steuern. US-Konzerne zahlten 2017 in Luxemburg nur einen effektiven Steuersatz von fünf Prozent, ergab eine Studie der Ökonomin Kimberley Clausing. Sie ist heute eine hohe Beamtin, die im US-Finanzministerium die neuen Vorschläge ausarbeitete.
Doch die OECD ging mit ihrem BEPS-Projekt (BEPS steht für „base erosion and profit shifting“) gegen diese Möglichkeiten zur Verlagerung und zum Kleinrechnen von Gewinnen vor. In der EU wurden diese Regeln mit den sogenannten ATAD-Richtlinien umgesetzt. Diese strengen Regeln erschweren klassische Methoden der Steuervermeidung via Luxemburg.
Noch ist die Tragweite für Luxemburg also unklar, aber viele Konzerne könnten das Land tatsächlich in den nächsten Jahren deswegen verlassen. Und viele haben es bereits getan: 40 Prozent der 340 Konzerne, die in den Luxleaks auftauchten, hätten Luxemburg inzwischen verlassen, berichtete „Le Monde“ auf Grundlage der „Openlux“-Datenbank. Das ist ein massiver Einbruch, aber eben auch noch nicht das Ende.
Wie passen die US-Vorschläge zu den Verhandlungen auf OECD-Ebene?
Der Chefbeamte in Steuerfragen der OECD, Pascal Saint-Amans, reagierte sehr erfreut auf die Vorschläge aus Washington. Tatsächlich stellen sie einen Kompromiss zwischen den Verhandlungspositionen in der OECD und der bisher strikten Haltung der USA dar. Die Arbeit der OECD kam seit 2020 fast zum Stillstand, weil alle abwarteten, wie die nächste US-Regierung sich positionieren würde. Laut „Financial Times“ sandte das US-Finanzministerium ein detailliertes Positionspapier an Regierungen weltweit. Gerade die Minimalbesteuerung von Unternehmen könnte durch Bidens Plan verschärft werden. Bisher diskutierte die OECD über 12,5 Prozent statt 21 Prozent.
Was sind die politischen Folgen für Luxemburgs Steuerpolitik?
Die Abkehr vom Wettbewerb um den niedrigsten Steuersatz ist vor allem für Finanzminister Pierre Gramegna eine Bestätigung. Nach der Umsetzung der ATAD-Regeln forderten die Wirtschaftsverbände eine Senkung der Unternehmenssteuern auf 21 Prozent. Eine Forderung, die auch die CSV in ihrem Wahlprogramm 2018 unterstützte. Trotz des Drucks führte Blau-Rot-Grün nur eine moderate Senkung durch. Mit knapp 25 Prozent hat Luxemburg nun einen Steuersatz, der weder zu hoch ist, noch unter einer Minimalsteuer leiden würde.
Pierre Gramegna sagte im RTL-Interview, dass der Steuersatz an Bedeutung verlieren werde. Klar ist, dass Unternehmen in diesem Punkt in den nächsten Jahren kaum mit einer Änderung rechnen können. Noch kürzlich forderte die Handelskammer eine Senkung auf den mittleren Wert in der EU, der bei etwa 21 Prozent liegt.
Wie kann Luxemburg in Zukunft dennoch Konzerne anziehen?
Es komme nun auf andere Faktoren an, betonte Pierre Gramegna im „Bloomberg“-Interview. Er nannte die politische Stabilität in Luxemburg sowie das Triple-A für die Kreditwürdigkeit des Landes. Auch die Handelskammer hat ihren Diskurs angepasst. Sollten die US-Pläne Realität werden, dann müsse „Luxemburg auf hochwertige Verkehrs-, Bildungs- und digitale Infrastruktur und den internationalen Charakter des Landes mit seiner zentralen Lage“ setzen, sagte Generaldirektor Carlo Thelen dem „Luxemburger Wort“.
Ähnlich verläuft die Debatte jedoch bereits auch in Irland und der Schweiz. „Ist die Schweiz gerüstet für die neue Standortkonkurrenz, die nun hoffentlich eine Realität werden wird? Eine Konkurrenz nicht der Dumpingsteuersätze, sondern der Arbeitsproduktivität, der Bildungssysteme, der Forschungsstandorte, der Infrastruktur, der Verkehrsanbindung, des Kulturangebots, der Lebensqualität?“, formulierte es der Kolumnist Daniel Binswanger im Schweizer Online-Magazin Republik.
Welche Erfolgsaussichten hat der „Made in America Tax Plan“?
Die größte politische Hürde könnte für Joe Biden in der Innenpolitik liegen. Gerade die Steuersätze, die den Demokraten vorschweben, könnten im Zuge des politischen Prozesses der USA noch angepasst werden. International sieht es dagegen gut aus. Beobachter gehen davon aus, dass ein Kompromiss auf OECD-Ebene bereits im Sommer stehen könnte. Allerdings ist Steuerpolitik ein sehr komplexes Feld. Es kommt auf genaue Definitionen an. „Im Detail ist die Umsetzung technisch sehr schwierig zu machen“, warnte der Professor für internationales Steuerrecht der Uni Luxemburg, Werner Haslehner, im „Luxemburger Wort“.
Wie wird die EU reagieren?
Der zuständige EU-Kommissar Paolo Gentiloni reagierte ausgesprochen positiv auf den Vorstoß der Biden-Regierung. Tatsächlich könnten die USA den Streit um die Besteuerung von Digitalkonzernen schlichten. Die globale Minimalbesteuerung würde auch die Steuerharmonisierung innerhalb der EU vereinfachen.
Allerdings bleiben die Interessen der EU-Mitgliedstaaten teils gegensätzlich mit Irland, den Niederlanden und Luxemburg auf der einen Seite und den großen, wirtschaftsstarken Ländern wie Deutschland, Frankreich und Italien auf der anderen Seite. Nicht umsonst beharrt Luxemburg weiterhin auf seinem Vetorecht in Steuerfragen.
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