Klimawandel, Ukrainekrieg, Energiekrise: Die Gründe, auf Solarpanels und Wärmepumpen zu setzen, leuchten vielen Bürgern ein. Entscheiden sie sich dafür, beginnt jedoch ein Spießrutenlauf. Gemeinden und Regierung wollen bürokratische Hindernisse abbauen.
„Ich wollte selber etwas tun“, erzählt Jos Thill. Seit Langem schon ist ihm die Atomkraft ein Dorn im Auge. Die Entscheidung für eine Fotovoltaikanlage fiel, als er sich das Solarkataster anschaute. Die Dächer seines Elternhauses im Escher Viertel „Cinquantenaire“ waren mit einer Ost-West-Ausrichtung zwar nicht optimal, ermöglichten aber eine rentable Anlage.
Jos Thill zögerte nicht lange und beauftragte einen Handwerker mit den Arbeiten. Dass die Stadt Esch/Alzette die Fotovoltaikanlage genehmigen würde, daran zweifelte er nicht. Statt den Antrag durchzuwinken, machte die Gemeinde jedoch Auflagen. Die Fotovoltaikanlage müsse ins Dach integriert und nicht auf das Dach montiert werden. Der Grund: Der neue allgemeine Bebauungsplan (PAG) stellt das Viertel aus den 1950er Jahren unter Schutz. Erst nachdem Jos Thill Himmel und Hölle in Bewegung setzte, machte der Schöffenrat einen Rückzieher. Jetzt gilt: Jede Solaranlage wird genehmigt, die parallel zum Dach installiert wird, heißt es auf Nachfrage von der Escher Gemeindeverwaltung.
Weder die Erfahrungen von Jos Thill noch die restriktiven Auflagen der Stadt Esch sind eine Ausnahme. Mehrere Leser berichteten Reporter.lu von langwierigen und komplizierten Prozeduren, von Auflagen, die unvorhergesehene Kosten verursachen oder das Projekt gänzlich scheitern lassen. Die Gemeinden, die Netzbetreiber und auch der Staat machen den Bürgern die Energiewende nicht einfach – trotz hoher Subventionen.
Gemeinden bremsen Energiewende
Für Bestandsviertel gibt es in jeder fünften Gemeinde Verbote für Solaranlagen, je nach Gestaltung und Sichtbarkeit. In knapp der Hälfte bestehen einschränkende Vorgaben. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie im Auftrag der „Klima-Agence“ auf der Grundlage einer Stichprobe von 21 Gemeinden.
Rund zwei Drittel der untersuchten Gemeinden haben einschränkende Vorgaben betreffend Wärmepumpen. Knapp ein Fünftel verbietet diese Form der Heizung komplett, je nach Sichtbarkeit und Aufstellung der Außeneinheit. Für Neubaugebiete sind die Vorgaben insgesamt weniger streng, aber sehr uneinheitlich, was zu Unsicherheiten bei den Baugenehmigungen führen könne, heißt es in der Studie.
Ich wollte verhindern, dass die Zeitungen voll von Leserbriefen gegen den Lärm der Wärmepumpen sind.“Energieminister Claude Turmes (Déi Gréng)
Die Analyse der „Klima-Agence“ liefere eine wichtige Bestandsaufnahme, sagt der Energieminister Claude Turmes (Déi Gréng) im Gespräch mit Reporter.lu. „Man kann nicht verallgemeinern. Es gibt auch Gemeinden mit guten Bauverordnungen“, drückt er es diplomatisch aus. Nachdem er zusammen mit Umweltministerin Joëlle Welfring (ebenfalls Déi Gréng) in den vergangenen sechs Monaten durch das Land tingelte und mit den Gemeindevertretern sprach, bestehe ein Konsens, die Probleme zu beheben.
Bauverordnungen werden überarbeitet
„Wir werden mit dem Innenministerium und dem Gemeindeverband Syvicol gemeinsam ein ‚Règlement-type‘ ausarbeiten, um die Energiewende zu beschleunigen“, betont Claude Turmes. Die Gemeinden würden diese technische Hilfestellung bei der Gestaltung der Bauverordnungen begrüßen, sagt er.
Besonders die Stadt Luxemburg stand in der Kritik aufgrund sehr restriktiver Regeln. Doch auch hier werde die Bauverordnung durch die Verwaltung überarbeitet, antwortete Bürgermeisterin Lydie Polfer (DP) am 5. Dezember auf eine Frage des Gemeinderatsmitglieds François Benoy (Déi Gréng). Ziel sei es etwa, die energetische Sanierung bestmöglich zu fördern. Auch Fotovoltaikanlagen auf Dächern und an Fassaden sollen „so weit wie nur möglich erlaubt werden“, betonte Lydie Polfer. Allerdings sei das in den Unesco-geschützten Vierteln nicht möglich.
Förderung mit Nachschlag
In Rahmen der Tripartite wurden die staatlichen Beihilfen für die Energiewende überarbeitet und teils substanziell erhöht. Eine Wärmepumpe fördert der Staat mit zwischen 3.000 und 8.000 Euro, je nach Typ und ob es sich bei der Immobilie um einen Neubau handelt. Wird eine Ölheizung durch eine Wärmepumpe ersetzt, legt der Staat nun nochmals 50 Prozent drauf. Bei Fotovoltaikanlagen, die im Eigenverbrauch genutzt werden, übernimmt der Staat bis zu 62,5 Prozent der Kosten – mit einer Grenze von 1.560 Euro pro Kilowatt Leistung. Neu ist, dass ein Batteriespeicher ebenfalls gefördert wird. Im Falle einer Einspeisevergütung bleibt es bei einer Förderung von 20 Prozent der Kosten. Neu ist auch, dass seit dem 1. Januar die Mehrwertsteuer auf Fotovoltaik von 17 auf drei Prozent gesenkt wurde.
Der Schöffenrat entscheide erst in den nächsten Monaten über die neuen Regeln, heißt es auf Nachfrage von der Pressestelle der Stadt Luxemburg. Ob die überarbeitete Bauverordnung tatsächlich Hürden abbaut, ist also bisher unklar. Zumal Lydie Polfer Bedenken äußerte. „In bestehenden Vierteln sind die Häuser nicht dafür ausgerichtet. Wenn hinter dem Gebäude wenig Platz ist, dann kann der Lärm der Wärmepumpen zu Unannehmlichkeiten bei den Nachbarn führen“, sagte die Bürgermeisterin im Gemeinderat.
Strenge Vorgaben für Wärmepumpen
Lärmschutz ist nicht nur in Luxemburg-Stadt eine Hürde für die vermehrte Nutzung von Wärmepumpen. Wer eine staatliche Förderung erhalten will, muss strenge Vorgaben zum Schallschutz erfüllen. Die Außeneinheit einer Luftwärmepumpe darf dann je nach Größe nicht mehr als 48 bis 55 Dezibel verursachen. Diese Vorgaben seien zu streng, bemängeln die Handwerkskammer und die „Fédération des artisans“. Teils gebe es schlicht keine Wärmepumpen, die diese Grenze einhalten, teils sind Messungen unmöglich, weil der Verkehr alles übertönt.
Für mich war es ein Aha-Moment, als ich plötzlich zwei Stromrechnungen erhielt.“Tobin Finley, Besitzer einer Fotovoltaikanlage
„Es gibt kein Land, das strengere Normen für die Förderung von Wärmepumpen hat“, gesteht Claude Turmes ein. „Das habe ich aber bewusst entschieden, um zu verhindern, dass die Zeitungen voll von Leserbriefen gegen den Lärm der Wärmepumpen sind“, betont der Energieminister. Doch nach Gesprächen mit den Handwerksverbänden steht eine Lösung in Aussicht.
Der Staat finanziert eine Software, die eine bessere Planung erlaubt. Mit diesem „Schallrechner“ kann der Architekt oder Handwerker berechnen, ob an der Grenze zum Nachbargrundstück die Grenze von 40 Dezibel eingehalten wird. Dann ist eine Förderung möglich. Diese Norm steht in zahlreichen kommunalen Bauverordnungen. Zudem übernimmt der Staat einen Teil der Kosten, falls Schallschutzmaßnahmen nötig sind – meist eine Abdeckung der Außeneinheit der Wärmepumpe. Die entsprechende Verordnung ist aktuell noch in der Prozedur.
Ungeliebte Erdwärme
Die Vorgaben für Wärmepumpen werden jetzt zum Thema, weil seit dem 1. Januar weder Gas- noch Ölheizungen in neue Wohnhäuser eingebaut werden dürfen. „Die Wärmepumpen sind die einzige Möglichkeit, um schnell von fossilen Energien wegzukommen. Sowohl im Neubau als auch bei bestehenden Häusern“, betont Claude Turmes.

Für die Regierung ist die Luftwärmepumpe die bevorzugte Option bei Einfamilienhäusern. Die Alternative sind die Erdwärmepumpen, die aber meist Bohrungen in bis zu 100 Metern Tiefe erfordern. Diese müssen vom Wasserwirtschaftsamt genehmigt werden. Der Grund: „Eine einzige falsche Bohrung kann das Grundwasser verschmutzen“, sagt Claude Turmes. Auch in diesem Punkt sind die von Handwerkern beklagten Hürden eine bewusste Wahl.
Unerwartete Kosten bei Fotovoltaik
Für Fotovoltaik gilt das Gleiche wie für die Wärmepumpen: Die Förderungen sind attraktiv, doch die Hürden sind oft sehr hoch. Viele Bürger wollen Panels auf ihrem Dach installieren lassen, weil der Staat mit den hohen Beihilfen die richtigen Anreize setzt. Doch die Probleme beginnen in vielen Fällen, nachdem Hausbesitzer einem Handwerker einen Auftrag erteilt haben.
Mehrere Leser berichteten Reporter.lu, dass sie erst später erfuhren, dass ein zweiter Stromzähler im Haus installiert werden muss, wenn eine Fotovoltaikanlage auf das Dach kommt. Das ist eine gesetzliche Vorgabe, aber es ist der Netzbetreiber – meistens Creos –, der dies einfordern muss. Diese Vorgabe kann erhebliche Zusatzkosten verursachen, weil neue Schalttafeln oder Zählerschränke installiert werden müssen. In einem Fall machte das fast ein Drittel des Preises der Solarpanels aus.
2022 haben wir quasi eine Verdoppelung der Anträge für den Netzanschluss von PV-Anlagen verzeichnet.“Stellungnahme von Creos
Doch es bleibt nicht bei einmaligen Kosten. „Für mich war es ein Aha-Moment, als ich plötzlich zwei Stromrechnungen erhielt“, erzählt Tobin Finley. Eine für den Haushalt und eine für den Stromzähler der Fotovoltaikanlage. Die Kosten machen bei ihm knapp ein Fünftel der Einnahmen aus der Produktion des Solarstroms seiner Anlage aus. „Das bedeutet auch, dass die Anlage sich später amortisiert, als ich berechnet hatte“, kritisiert er.
Auch hier verspricht der Energieminister Abhilfe. „Wir werden jetzt Anfang des Jahres eine Gesetzesänderung in den Ministerrat bringen, um die Pflicht eines zweiten Zählers abzuschaffen“, betont er. Das gilt für den Fall, dass der Haushalt den produzierten Solarstrom selbst verbraucht. In den ersten sechs Monaten 2022 entschied sich ein Drittel der Besitzer einer neuen Anlage für den Modus des Eigenverbrauchs, der höher bezuschusst wird und aufgrund hoher Strompreise attraktiver ist. Auch für die Netzbetreiber bedeutet der Wegfall des zweiten Zählers deutlich weniger Aufwand, heißt es von Creos auf Nachfrage.
Warten, bis die Anlage ans Netz geht
Bisher dauerte es teilweise Monate, bis der Netzbetreiber den Anschluss einer Fotovoltaikanlage an das Stromnetz genehmigt. Das heißt auch, dass die Anlage in dieser Zeit keinen Solarstrom produziert und der Besitzer Einnahmen verliert. Die Gründe für die Verzögerung sind vielfältig.
Das enorme Interesse an Fotovoltaik ist ein Grund. „2022 haben wir quasi eine Verdoppelung der Anträge für den Netzanschluss von PV-Anlagen verzeichnet“, schreibt Creos in einer Stellungnahme. Läuft alles nach Plan, geht es vergleichsweise schnell: Im Schnitt erhält ein Kunde von Creos innerhalb von acht Tagen eine Antwort, ob die lokale Netzkapazität den Betrieb einer Fotovoltaikanlage erlaubt. Die Wartezeit für einen Termin mit einem Creos-Techniker betrage aktuell zweieinhalb Wochen.

Das Problem ist allerdings, dass ein Termin in vielen Fällen nicht reicht. Es sind meist eher zwei bis drei. Da sind schnell mehrere Monate vergangen. Das Energieministerium setzt nun zusammen mit Creos auf verstärkte Digitalisierung. In den nächsten Monaten soll eine App die Abläufe vereinfachen. Der Elektriker oder Installateur kann damit die technischen Vorgaben des Netzbetreibers Schritt für Schritt nachvollziehen und schließlich den Abschluss der Arbeiten direkt über die App melden. Für die Installation von Autoladesäulen gebe es bereits eine entsprechende App, erklärt Claude Turmes. Im besten Fall reicht dann ein Abnahmetermin. Auch das digitale Kundenportal für die Anträge beschleunige das Verfahren bereits jetzt, betont Creos.
Jeder wird zum Energieproduzenten
Das Tempo der Energiewende zieht deutlich an. Die Motivation der Bürger ist groß, doch das Frustpotenzial ist angesichts der Hürden ebenso hoch. Das zeigten die Antworten auf den Leseraufruf von Reporter.lu. „Wir müssen auch als Staat besser werden: Wenn jemand die tolle Initiative ergreift und eine Fotovoltaikanlage installiert, dann kann es nicht sein, dass sein Antrag auf die staatliche Beihilfe nach elf Monaten noch nicht aufgemacht wurde“, sagt Claude Turmes. Die Regierung will die Antragsformulare vereinfachen. Zusätzliches Personal für die Umweltverwaltung soll die Auszahlung der Förderungen ebenfalls beschleunigen.
Der Wille ist da, die Technik verfügbar, zig Millionen Euro an Fördermitteln stehen bereit. „Trotzdem müssen wir an sehr vielen kleinen Stellschrauben drehen und Hürden abbauen“, sagt der Energieminister. Das hat für Claude Turmes auch mit der grundsätzlichen Veränderung der Energiewende zu tun: Statt mit einer Handvoll großen Unternehmen Regeln abzustimmen, haben der Staat und die Gemeinden es künftig mit Tausenden oder gar Hunderttausenden Energieproduzenten zu tun. Die Anpassung an diese neue Realität beginnt erst.


