Luxemburg hat deutlich kürzere Verjährungsfristen für Sexualstraftaten als andere Länder. Das solle sich ändern, erklärte Justizministerin Sam Tanson am Mittwoch. Im Parlament herrschte allerdings Einigkeit, dass es zusätzliche Maßnahmen, wie etwa Prävention, braucht.

Der nationale gesetzliche Rahmen zu Verjährungsfristen für Straftaten im Bereich der sexualisierten Gewalt gehört für Täter im internationalen Vergleich zu den vorteilhaftesten. Die Verjährungsfrist für eine Anklage wegen Vergewaltigung beläuft sich in Luxemburg auf gerade einmal zehn Jahre. Dies ist kurz im Vergleich zu Frankreich (30 Jahre) und Deutschland (20 Jahre) oder auch zu Großbritannien und der Schweiz, wo die Fristen völlig aufgehoben sind.

Bei minderjährigen Opfern beginnt die Verjährungsfrist mit ihrer Volljährigkeit. Ein Kind, dem sexuelle Gewalt angetan wurde, hat demnach bis zu seinem 28. Lebensjahr Zeit, Anzeige zu erstatten. Danach ist die Tat verjährt.

Doppelte Bestrafung des Opfers

Diesen Zeitraum schätzen Hilfs- und Frauenrechtsorganisationen schon lange als viel zu kurz ein. Der Conseil national des femmes fordert eine Verlängerung auf mindestens 30 Jahre. Das „Planning Familial“ spricht sich für eine vollständige Aufhebung aus. „Durch die aktuelle Gesetzeslage wird das Opfer gleich doppelt bestraft“, heißt es etwa vom „Planning Familial“. „Eine Frau wird vergewaltigt und bereits zehn Jahre später bekommt sie mitgeteilt, es sei zu spät, den Täter zur Verantwortung zu ziehen.“

Wir müssen die Opfer ernst nehmen. Sie müssen die Möglichkeit bekommen, gegen die Täter vorzugehen.“Justizministerin Sam Tanson

Menschen, denen sexuelle Gewalt angetan wird, sind ihr Leben lang geprägt. Oft beginnen sie aber erst Jahre oder gar Jahrzehnte nach den Erlebnissen mit einer Aufarbeitung. Traumatische Amnesie führt in vielen Fällen zu einer vorläufigen Verdrängung des Schmerzes. Oft ist die Tat bereits verjährt, wenn eine betroffene Person bereit ist, Anzeige zu erstatten. Es kommt erschwerend hinzu, dass es sich bei den Tätern in den meisten Fällen um Personen aus dem nahen Umfeld und um Familienangehörige handelt.

Eins von fünf Kindern

Untersuchungen zeigen, dass in Europa durchschnittlich eines von fünf Kindern Opfer einer Form von sexueller Gewalt ist. 50 Prozent der im Planning Familial behandelten Opfer wurden vor ihrem zehnten Lebensjahr missbraucht. Weniger als 15 Prozent von ihnen haben allerdings vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres mit einer Therapie begonnen. Für die Hälfte von ihnen war zum Zeitpunkt ihrer Behandlung keine Anklage mehr möglich. Nur 14 Prozent klagen die Täter tatsächlich an. Diese Zahlen gehen aus dem Jahresbericht des Planning Familial hervor.

Die Argumente für eine Verlängerung der Verjährungsfristen wurden am Mittwoch auch von Abgeordneten fast aller Parteien geteilt. Nancy Kemp-Arendt hatte die Diskussion im Parlament mit einer Interpellation zu verschiedenen Themen im Bereich der sexuellen Gewalt angestoßen. „Bei keiner anderen Straftat ist die Vertuschung so einfach, der Täterschutz so hoch und das Leid der Betroffenen so folgenschwer“, sagte die CSV-Abgeordnete und forderte eine substantielle Erhöhung der Fristen. Sie reichte vier Motionen ein. Davon wurde eine abgelehnt, drei Anträge sollen in der zuständigen Kommission besprochen werden.

Breite Unterstützung

Unterstützung für ihre Forderungen bekam die CSV-Abgeordnete nicht nur aus den eigenen Reihen. „Wir brauchen eine Erhöhung der Fristen“, sagte etwa auch der LSAP-Abgeordnete Dan Biancalana. Chantal Gary (Déi Gréng) legte den Schwerpunkt ihrer Rede auf Präventions- und Sensibilisierungsarbeit und sprach sich für den Ausbau der Medien- und Sexualerziehung aus.

Marc Goergen (Piraten) befürwortete unter anderem ein interdisziplinäres Gesundheitszentrum, um Opfern von sexueller Gewalt die bestmögliche Betreuung bieten zu können. Der Hilflosigkeit der Opfer, besonders der Kinder, müsse entschieden entgegengewirkt werden. Nathalie Oberweis (Déi Lénk) forderte eine stärkere Kontextualisierung der Gewaltbereitschaft. Für die Abgeordnete ist sexuelle Gewalt ein Gesellschaftsphänomen, dessen Ursprünge bekämpft werden müssten. Sie reichte ebenfalls eine Motion ein.

Schwierige Beweisführung

Carole Hartmann (DP) gab zu bedenken, dass die Verschärfung des Strafrechtes samt Verlängerung der Verjährungsfristen alleine nicht unbedingt dazu führten, sexuelle Gewalt zu bekämpfen. Sie unterstrich die Wichtigkeit der Prävention und der Täterarbeit, um Wiederholungstaten zu vermeiden. Sie führte ebenfalls an, dass eine Verurteilung vor Gericht mit den Jahren aus Mangel an Beweisen immer schwieriger würde.

Diese Bedenken griff Fernand Kartheiser in seiner Rede auf. Der ADR-Politiker sprach sich als einziger klar gegen die Verlängerung der Fristen aus. In einem Rechtsstaat könne man schließlich nicht ohne Beweise verurteilt werden, eine Verlängerung der Verjährungsfristen würde nur zu einer zusätzlichen Belastung des Justizapparates führen.

Argumente, die die Justizministerin Sam Tanson nicht gelten ließ. Sich der Schwierigkeit der Beweisführung durchaus bewusst, sprach sie bei der Verlängerung der Verjährungsfristen auch von einem „symbolischen Akt“: „Wir müssen die Opfer ernst nehmen. Sie müssen die Möglichkeit bekommen, gegen die Täter vorzugehen“, sagte sie. Wann mit dem neuen Gesetzesvorschlag zu rechnen ist, war allerdings noch nicht in Erfahrung zu bringen.


Lesen Sie mehr zum Thema