Eine Koalition von Kräften aus der Zivilgesellschaft übt harsche Kritik an der „Luxembourg Sustainable Finance Initiative“. Die NGOs seien nicht gehört worden und das ausgearbeitete Konzept sei zu schwammig. Die Gegenseite fühlt sich wiederum falsch verstanden.
Über die Notwendigkeit eines nachhaltigen Finanzplatzes herrscht in Luxemburg Einigkeit. Wie diese Nachhaltigkeit zu erreichen ist, darüber gehen die Meinungen oft auseinander. Zumal, wenn sie nicht gehört werden. Dies ist der Vorwurf von gleich sechs NGOs, die sich am Montagmorgen an die Öffentlichkeit gewandt haben.
Auf der Pressekonferenz von „Etika“, „Greenpeace“, „SOS Faim“, „Commission Justice et Paix“, „Action Solidarité Tiers Monde“ (ASTM) und dem „Cercle de Coopération des ONGD“ hagelte es Kritik an der „Luxembourg Sustainable Finance Strategy“ – dem wohl wichtigsten Dokument, das die „Luxembourg Sustainable Finance Initiative“ (LSFI) bis jetzt ausgearbeitet hat.
Gegründet wurde die LSFI erst im Januar 2020, auf Initiative der Regierung, von „Luxembourg for Finance“ und dem „Conseil Supérieur du Développement durable“. Ihr Auftrag ist es, zwischen Zivilgesellschaft und anderen Interessenvertretern zu vermitteln, um eine Langzeitstrategie für nachhaltige Finanzen zu erstellen, in der alle Interessen vertreten sind. Dass dies nicht der Fall sei, sagen nun die NGOs.
NGOs fühlen sich übergangen
„Man hat zwar mit uns gesprochen, aber unsere Argumente wurden nicht berücksichtigt“, erklärte Véronique Faber vom „Cercle de Coopération des ONGD“. Doch wie Martina Holbach von „Greenpeace“ meinte: „Luxemburg hat nicht die Wahl, ein nachhaltiger Finanzplatz zu werden.“ Eine Studie von „Greenpeace Luxemburg“ und „Greenpeace Schweiz“ von Juni 2021 belegt: 51 sogenannte Nachhaltigkeitsfonds investierten kaum mehr Geld in wirklich nachhaltige Projekte als herkömmliche Fonds. „Greenpeace“ spricht in diesem Kontext von Investorentäuschung, denn wer nachhaltig investieren möchte, muss auch Vertrauen in die Anbieter haben.
Auch in anderen Bereichen übernehmen die NGOs die Rhetorik des Finanzplatzes. Etwa wenn auf einen Bericht der Zentralbank verwiesen wird, in dem die Risiken für die Banken im Kontext des Klimawandels thematisiert werden. Oder wenn die Lobby der Fondsindustrie ALFI herangezogen wird, um darauf hinzuweisen, dass „nachhaltige Finanzen immer noch nicht die Regel, sondern die Ausnahme sind.“
Auch die Fondsindustrie ist kritisch
Konkrete Beispiele lieferten die Vertreterinnen von ASTM und „SOS Faim“. Antonya Argirova (ASTM) verwies auf einen Bericht ihrer NGO über eine Mine in Las Bambas in Peru. Diese wird von einem chinesischem Konglomerat betrieben und wiederum von einem Kredit der luxemburgischen „Industrial and Commercial Bank of China“ (ICBC) mitfinanziert. Die Mine ist hochumstritten, da der Abtransport der gefährlichen Chemikalien mit Lastwagen immer wieder zu Unfällen führt und Krankheiten verursacht. Zudem wurden Demonstranten und Aktivisten regelmäßig verhaftet, gefoltert und sogar getötet.
Marine Lefebvre von „SOS Faim“ verdeutlichte ihre Kritik am Beispiel des ABC-Fonds. Dieser Fonds, der 2019 von der luxemburgischen Regierung in Zusammenarbeit mit internationalen Fonds zur landwirtschaftlichen Entwicklung und der Allianz für eine grüne Revolution in Afrika (Agra – gesponsert von der Bill und Melinda Gates Stiftung) lanciert wurde, funktioniere alles andere als nachhaltig. „Die Profite gehen an die großen Firmen, bei den Bauern bleibt kaum etwas hängen“, so Lefebvre, die auch darauf verweist, dass die vom ABC-Fonds geförderte Landwirtschaft auf Pestizide und Monokulturen setzt. Was die Menschen, denen dieser Fonds nützen sollte, aber nicht wollen.
„Weit von der Wahrheit entfernt“
Schließlich monierte noch Jean-Louis Zeien von der „Commission Justice et Paix“, dass Nachhaltigkeit nicht mehr auf Freiwilligkeit basieren dürfe, und plädierte für eine Inklusion der Finanzindustrie in ein nationales Lieferkettengesetz, das Teil der Nachhaltigkeitsstrategie sein sollte: „In welchem anderen Sektor kennt man sich so gut mit Anti-Geldwäsche-Regelungen aus wie im Finanzsektor?“ – so sein Argument.
Die LSFI gab sich pikiert über die Aussagen der NGOs: „Dass sie ihrem Input nicht gerecht wurde, ist weit von der Wahrheit entfernt. Und dass solch ein Statement öffentlich gemacht wurde, ist überraschend, um nicht zu sagen, enttäuschend“, erklärt die General Managerin Claire de Boursetty auf Nachfrage von Reporter.lu. Sie wirft den NGOs vor, nicht auf die „vielen bilateralen Gespräche“ zwischen der LSFI und ihnen hingewiesen zu haben, und stellt klar, dass ihre Initiative „eine Brücke zwischen der Regierung, dem Finanzsektor und der Zivilgesellschaft sein sollte und erst vor acht Monaten angefangen hat richtig zu funktionieren. Das LSFI ist demnach leider eine sehr einfache Zielscheibe“.
Für de Boursetty ist klar, dass alle Beteiligten gehört werden müssen und dies nur über „proaktive und konstruktive Diskussionen“ gehen könne. Kürzer ist der Weg bis dahin nicht geworden.


