Für ihre Partei ist sie die Hoffnungsträgerin. Sie selbst hadert noch mit dieser Rolle und zögert auch bei anderen Entscheidungen. Doch der zurückhaltende politische Stil von Paulette Lenert hat mittlerweile Methode – und ein erfolgreiches Vorbild. Eine Analyse.
„Das weiß ich nicht. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich mich nie so sehr mit der Psychologie von Politikern beschäftigt habe. Als Journalist ist das wohl Teil Ihres Berufs, aber ich persönlich kann das schwer einschätzen.“ Der Satz stammt aus einem Interview mit Paulette Lenert. Die entsprechende Frage bezog sich auf den politischen Stil der Gesundheitsministerin.
Die Antwort verrät so manches darüber, wie Paulette Lenert politisch tickt. Schon die Einleitung ist untypisch für eine Politikerin. „Das weiß ich nicht“, ist kein Satz, der einem Politprofi allzu oft über die Lippen kommt. Bei der Vize-Premierministerin gehört er jedoch zum Stammrepertoire. Das fiel schon bei den unzähligen Pressebriefings während der Pandemie auf. „Et wees een’t net…“, „Dat kann een à ce stade net genau soen“, „Dat muss ee kucken…“, waren Aussagen, die man immer wieder von ihr hörte.
Das wiederkehrende Eingeständnis der latenten Unwissenheit kann in der Tat erfrischend wirken. Gepaart mit einer ruhigen, analytischen Art zu kommunizieren, machte Paulette Lenert stets den Eindruck, dass es ihr um die Sache ging – und nicht um die eigene Profilierung. Dieser Effekt gehört wohl auch zu den Gründen, warum die LSAP-Politikerin – laut Umfragen – zu den beliebtesten Politikerinnen des Landes gehört und von ihrer Partei als nächste Spitzenkandidatin in Stellung gebracht wird.
Mittlerweile hat sich ihr zögerndes Auftreten jedoch etwas abgenutzt. Je länger Paulette Lenert in der Politik ist, und je höher ihre Ämter, desto mehr erwartet man von ihr, dass sie Entscheidungen trifft. Sei es in der Debatte über die Impfpflicht oder im Cannabis-Dossier: Stets abwägen und sich zurückhalten, geht irgendwann nicht mehr. Entsprechend kritischer wurden denn auch die Darstellungen von ihrer Politik in den Medien.
Zurückhaltung als Methode
Wenn man mit Vertrauten von Paulette Lenert spricht, hört man oft, dass die zurückhaltende Art nicht nur ein rhetorisches Mittel ist. Sie passt vielmehr zum Wesen der früheren hohen Beamtin und Richterin. Als Ministerin könne sie nicht immer sofort zu einem Thema Stellung beziehen, weil sie sich erst einmal selbst in die Problematik „einlesen“ wolle, sagte Paulette Lenert selbst einmal im Gespräch mit Reporter.lu. Sie vertraue zwar auf die Vorarbeit ihrer Beamten, doch sie wolle sich dann doch „auf ihr eigenes Urteil verlassen“. Bis sie zu einer fundierten Meinung gelange, brauche es dann eben etwas mehr Zeit.
Ihre wahrscheinlich größte Stärke ist, dass sie den Menschen auf natürliche Weise Vertrauen einflößt.“Ex-Vizepremier Dan Kersch über Paulette Lenert
Spätestens an dieser Stelle lässt sich eine Parallele zu einer anderen, durchaus erfolgreichen Politikerin ziehen, die ähnlich tickte. Die Rede ist von Angela Merkel, deren Hang zum Zaudern und Abwarten oft von Medien oder anderen Beobachtern der politischen Szene in Deutschland kritisiert wurde. Der frühere Kanzlerkandidat der SPD, Martin Schulz, ging sogar so weit und brandmarkte Merkels „Debattenverweigerung“ als „Anschlag auf die Demokratie“. Etwas weniger polemisch bezeichnete der Journalist Dirk Kurbjuweit den zurückhaltenden politischen Stil der Ex-Kanzlerin einst als bewusste Methode: „Merkels Inszenierung wirkt wie eine Nicht-Inszenierung. Sie ist eine karge Kanzlerin, sie regiert unauffällig, beherrscht, nüchtern.“
Bei Paulette Lenert ist es ganz ähnlich. Die 54-Jährige ist bisher nicht mit außerordentlich substanziellen politischen Äußerungen aufgefallen. Auf die für Politiker eigentlich nicht überraschende Frage, aus welchen Überzeugungen sie in die Politik gegangen sei, antwortete sie einmal im Interview mit Reporter.lu: „Ein wichtiges Thema ist für mich, wie man den Staat moderner und effizienter gestalten kann.“
Was wie eine unbedarfte Floskel daherkommt, dokumentiert doch ein schwerwiegenderes Problem. Denn die Öffentlichkeit weiß bisher nicht, wie die stellvertretende Regierungschefin zu zentralen Fragen unserer Zeit steht. Ist sie für mehr Gerechtigkeit in der Steuerpolitik? Wie wichtig ist ihr der Sozialstaat? Wie sieht sie die Herausforderung des Klimaschutzes? Für welche Außenpolitik steht sie? Um es mit Paulette Lenerts Worten zu sagen: „Man weiß es nicht…“
Die Regeln der Machtpolitik
Zur Bilanz des Vorbildes der „Methode Merkel“ gehört aber auch: Natürlich hat Angela Merkel als Kanzlerin nicht nur gezögert, sondern am Ende viele Entscheidungen getroffen, auch kontroverse. Im Fall der Flüchtlingspolitik oder auch beim Atomausstieg brach sie denn auch mit dem Klischee der Zauderin und drückte der Bundespolitik ohne langes Zaudern ihren Stempel auf. In den meisten Dossiers entschied die CDU-Politikerin aber erst dann, wenn die politische Debatte schon weit fortgeschritten war. Vor allem ließ sich die Ex-Kanzlerin dabei nicht in die Karten schauen – nicht von den Medien, aber mitunter auch nicht von der eigenen Partei. Wie sie zu einer bestimmten Meinung gelangte, wusste oft nur ein kleiner Kreis von Eingeweihten.

Gewiss hat Angela Merkel diese Methode nicht erfunden. Laut dem deutschen Politologen Franz Walter ist das Vorgehen vielmehr eine traditionelle Regel der Machtpolitik. „Um ganz oben im Zentrum der Macht zu überleben, ist es ratsam, sich politisch nicht vorschnell präzise festzulegen“, so der renommierte Parteienforscher in einem Essay über das „Geheimnis der Machtmenschen“. „Man lässt politische Debatten lieber laufen, den Prozess sich entfalten, die Kräfteverhältnisse herauskristallisieren, bevor man sich auf eine Seite schlägt.“
Allerdings stellt der Politologe auch fest, dass „streng systematisch denkende Menschen“ es schwer haben werden, „auf dem Gipfel zu bestehen“. „Der Mangel an Zweifel am eigenen Tun erleichtert das politische Führungsleben, während Skrupel und Reflexionswut es erheblich beschweren.“ Es ist eine Einschätzung, die auch auf Paulette Lenert zutreffen könnte. Die Quereinsteigerin macht keinen Hehl daraus, dass sie zweifelt, Skrupel hat und lieber etwas länger nachdenkt, als aus dem Affekt heraus zu handeln. In diesem Sinne haben Politikprofis und erprobte Machtmenschen wie Xavier Bettel oder François Bausch der Vize-Premierministerin einiges voraus.
Populär, aber ohne klares Profil
Dass die Ministerin nach der „Methode Zurückhaltung“ verfährt, bestätigt auch der Lenert-Vertraute Dan Kersch. Den Vergleich mit der langjährigen deutschen Kanzlerin bezeichnet der ehemalige Vizepremier zunächst als eine „gewisse Anerkennung“. An Paulette Lenert schätze er „ihren Arbeitseifer, ihre Loyalität und die besonnene Art, wie sie in Konfliktsituationen mit Menschen umgeht“, so Dan Kersch im Gespräch mit Reporter.lu. Zu ihrem politischen Stil gehöre zwar, dass sie immer den Konsens suche. Man solle sich aber auch nicht in ihr täuschen: „Wenn es sein muss und der Moment dafür gekommen ist, trifft sie auch allein die Entscheidungen.“
Dan Kersch kennt Paulette Lenert gut, hatte er doch einen wesentlichen Anteil daran, dass sie 2018 Ministerin wurde. Kersch erlebte die studierte Juristin als Topbeamtin im Ministerium für den Öffentlichen Dienst und schlug sie der Parteispitze als Ministerkandidatin vor. Seitdem fühlt er sich in seiner Einschätzung von damals bestätigt, und sieht doch noch Raum zur Optimierung. „Sie will sich stets selbst ein Bild von einer Sache machen. Das ist richtig und sinnvoll. Doch diese Zeit hat man in der Politik leider nicht immer“, sagt Dan Kersch über seine Parteifreundin. „Man muss auch delegieren können und im Zweifel Kompromisse mit sich selbst machen.“
Der Druck ist überall spürbar, in der ganzen Gesellschaft. Und dieser Druck entlädt sich auch in der Politik (…). Damit muss man umgehen können.
Paulette Lenert im Interview mit Reporter.lu
Andere Weggefährten sehen den politischen Stil der Gesundheitsministerin auch als zweischneidiges Schwert. Einerseits erwecke sie stets einen kompetenten und kompromissfähigen Eindruck. Andererseits fehle ihren Äußerungen oft die nötige politische Substanz, so ein Beamter, der Paulette Lenert regelmäßig in internen Versammlungen erlebte. Auch in Kabinettssitzungen trete die LSAP-Politikerin mitunter eher als gut vorbereitete Fachfrau auf, die rhetorisch versiert und wohldokumentiert politische Optionen vorstellt – und nicht als Spitzenpolitikerin, von der erwartet wird, dass sie die Richtlinien der Regierungspolitik mitgestaltet.
Auch ohne klares politisches Profil ist Paulette Lenert heute aber in einer Position, in der sie entscheiden kann, ob sie Spitzenkandidatin ihrer Partei werden will. Getragen durch ihre Popularität als Krisenmanagerin in der Pandemie führt sie gleichauf mit Außenminister und Parteifreund Jean Asselborn die Beliebtheitsliste der Luxemburger Politiker an. Damit hat sie – Stand heute – nicht ganz unrealistische Chancen, nach den Wahlen Luxemburgs erste Premierministerin zu werden.
„Paulette-Effekt“ in der Pandemie
Allerdings wird sie innerhalb der Koalition auch weitaus kritischer beäugt, seitdem sie auch unter Kabinettskollegen als ernstzunehmende Konkurrenz gilt. Geht es nach ihren Kritikern, die es dem Vernehmen nach besonders in der DP gibt, hat Paulette Lenert ihre Beliebtheit ausschließlich der Pandemie zu verdanken. Nur weil sie in der Krise monatelang an der Seite des Premiers die Nation über die Gefahren des Coronavirus informierte und beruhigte, sei sie an all ihren Konkurrenten vorbeigezogen, so die Lesart.
Diesen Faktor erkennen selbst Freunde und Unterstützer an. Der heutige LSAP-Fraktionschef Yves Cruchten nannte Lenert einmal einen „Glücksgriff“, der mit viel „Empathie“ die „Menschen durch die Pandemie“ begleite. Während der Pandemie habe man Paulette Lenert nicht nur als Politikerin, sondern auch als Menschen erlebt, sagt Dan Kersch. „Ihre wahrscheinlich größte Stärke ist, dass sie den Menschen auf natürliche Weise Vertrauen einflößt.“ Die Ministerin selbst formulierte es einst im Interview mit Reporter.lu so: „Mir wurde schon mal gesagt, dass meine Art vielleicht einen beruhigenden Effekt hat. Das Temperament passt vielleicht grade gut zur Situation.“
Es gab schon ein, zwei Momente, in denen man sich fragt: Musst du dir das unbedingt antun? Es ist schon eine enorme Belastung.“Paulette Lenert im Sommer 2020
Doch auch dieser „Paulette-Effekt“, wie er parteiintern gerne genannt wird, hielt nicht ewig an. Wurde sie anfangs noch als Krisenkommunikatorin gefeiert, häufte sich bald die Kritik an Paulette Lenerts Führungsstil. In den Medien wurde die Gesundheitsministerin etwa für ihre abwartende Haltung in der Impfpflicht-Debatte oder beim Thema IRM-Privatisierung kritisiert. Die Vize-Premierministerin gebe in wichtigen Dossiers nicht die Richtung vor, habe „schlechte Entscheidungen“ getroffen und sei in Wahrheit „nicht so proaktiv, wie sie wirkt“, hieß es etwa Anfang des Jahres in einem kritischen Kommentar bei „Radio 100,7“.
Und doch hält sich in der Öffentlichkeit die Überzeugung, dass Paulette Lenert sich durch ihr Wirken in der Pandemie für (noch) höhere politische Ämter empfohlen habe. Wer auf der Suche nach ihrem Erfolgsgeheimnis ist, könnte schnell wieder bei der Parallele zu Angela Merkel landen. Sie wirke „wie eine Politikerin, die über den Dingen steht, sich aber kümmert und dabei achtsam und seriös vorgeht“, formulierte der Journalist Dirk Kurbjuweit seine Stilkritik der früheren Bundeskanzlerin. „Sie drängt sich nicht vor, sie fällt nicht auf, und wahrscheinlich wollen viele Leute genau das. Merkel nervt nicht, sie provoziert keine Ablehnung“, so der „Spiegel“-Autor einst im Interview mit dem „Deutschlandfunk“.
Quereinsteigerin bis Anti-Politikerin
Die Charakterisierung könnte auch für Paulette Lenert geschrieben worden sein. Sie bietet weniger Angriffsflächen als etwa der weitaus entschiedener wirkende Premier. Einer ihrer unbestrittenen Erfolgsfaktoren ist dabei der Fakt, dass sie keine Berufspolitikerin ist. Sie ist eine klassische Quereinsteigerin, man könnte sie auch Technokratin nennen. Das heißt, sie hat nicht die parteipolitische „Ochsentour“ hinter sich, hat sich nicht als Kommunalpolitikerin oder Parteifunktionärin nach oben gearbeitet. Politisch sozialisiert wurde sie in den Sphären des politisierten hohen Beamtentums. Von dort wurde sie vom Parteiestablishment auserwählt und prompt an die Spitze der Karriereleiter befördert.
Das erklärt bis zu einem gewissen Grad ihren – zumindest nach außen so wahrnehmbaren – Mangel an politischer Substanz. In ihrer bisherigen Karriere spielten ihre inhaltlichen oder gar ideologischen Überzeugungen eben kaum eine Rolle, bisher ging es auch ohne Festlegungen. Auf der anderen Seite schöpft Paulette Lenert aus ihrer Biografie auch ihre politische Attraktivität für das breite Publikum. So hat sie es irgendwie geschafft, dass sie auch nach vier Jahren in der Regierung immer noch als Außenseiterin des Machtbetriebs wahrgenommen wird.
So kokettiert sie regelmäßig damit, dass sie ja eigentlich keine Politikerin sei, und sie deshalb verschiedene Dinge halt anders angehe. Was mitunter als naiv herüberkommen kann, eignet sich aber auch als ebenso charmante wie wirkungsvolle Taktik, um öffentliche Kritik an ihrem Stil und möglichen Fauxpas im Keim zu ersticken. Auch der eingangs zitierte Satz, wonach die „Psychologie von Politikern“ sie eigentlich nicht interessiere, ist ein Beispiel dafür. Gemeint ist vielmehr: Sie will nicht öffentlich darüber reden – und macht es dann doch ganz freiwillig.

Der Clou der Methode Paulette Lenert ist aber: Sie lässt die Frage aller Fragen bisher erfolgreich abblitzen. Dass sie auf das naheliegende Nachbohren nach einer möglichen Spitzenkandidatur nicht eingehen will, bis es so weit ist, ist dabei für Politiker nicht ungewöhnlich. Doch Paulette Lenert setzt noch einen drauf. Gemäß ihrer Zurückhaltungstaktik will sie bis auf Weiteres überhaupt nichts ausschließen. Also weder, dass sie die Geschicke des Landes als Premierministerin lenken will, noch, dass sie sich nach den kommenden Wahlen komplett aus der Politik zurückziehen wird. Sie habe diese Entscheidung noch nicht getroffen, sagt sie.
Glaubt man ihren öffentlichen Aussagen, drängen sich allerdings ernste Zweifel auf, ob sie selbst den nächsten Schritt ihrer politischen Karriere unbedingt anstrebt. Während andere Minister und Abgeordnete wohl nur auf die Chance warten, dass ihre Partei sie zum Hoffnungsträger deklariert, hadert Paulette Lenert von Anfang an mit dieser Perspektive. Das liegt weniger an einem mangelnden Interesse an der Macht als an deren unweigerlichen Nebeneffekten. „Es gab schon ein, zwei Momente, in denen man sich fragt: Musst du dir das unbedingt antun? Es ist schon eine enorme Belastung“, sagte sie im Sommer 2020 im Interview mit Reporter.lu.
Hoffnungsträgerin wider Willen
Dass sie in ihrem Amt an ihre Belastungsgrenze stoße, behauptet sie in Interviews seitdem immer wieder. „Diese Krise hat etwas mit mir gemacht. Es ist extrem anstrengend, physisch und mental brutal, auch weil man als Politiker stets in der ersten Reihe steht“, sagte Paulette Lenert noch im vergangenen Februar. Sie wolle aber durchhalten und „nicht aufgeben“. „Ich bin mir, meiner Gesundheit und meiner Familie aber in jedem Fall schuldig, dass ich solche Fragen mit mir erst noch ausmachen muss“, so die LSAP-Politikerin im Interview mit Reporter.lu.
Dass es sich dabei nicht um beiläufige Aussagen handelt, zeigten die Geschehnisse vom März 2021. Nach einem Schwächeanfall musste die Gesundheitsministerin damals ins Krankenhaus eingeliefert werden und konnte ihr Amt mehrere Tage lang nicht ausüben. Hinzu kamen Gerüchte über den Hintergrund des Vorfalls, die das „Tageblatt“ in die Welt setzte, und die der Ministerin und ihrem Umfeld dem Vernehmen nach stark zusetzten. Der entsprechende Artikel, der sich mit den Spekulationen über Lenerts Gesundheitszustand befasste, wurde mittlerweile von der Webseite des „Tageblatt“ entfernt.
Paulette Lenert zeigt uns allen, dass die Zeit der alten weißen Männer in der LSAP bald definitiv abgelaufen ist.“Dan Kersch, Ex-Vizepremier und Lenert-Vertrauter
Innerhalb ihrer Partei und unter ihren Mitarbeitern gibt es manche Stimmen, die Paulette Lenerts wiederholte Warnsignale durchaus ernst nehmen. Und dennoch bleibt eine Erwartungshaltung, und damit auch ein gewisser Druck, dass Paulette Lenert die in sie gesetzten Hoffnungen erfüllt. Bei den Wahlen 2018 war die LSAP auf einem Tiefpunkt angekommen und konnte sich nur noch gerade so in Regierungsverantwortung retten. Anfang 2020 wollte der Macher der Dreierkoalition, Etienne Schneider, „sein Leben zurück“ und kehrte der Politik den Rücken. Später sollten auch Dan Kersch und Romain Schneider das Kabinett verlassen. Seitdem hat die LSAP keinen natürlichen Leader mehr.
Mit Paulette Lenert haben die Sozialisten dafür wieder die Hoffnung, dass bei den kommenden Wahlen nicht der nächste Tiefpunkt droht. Die Umfragen prophezeien vielmehr, dass die in die Spitzenpolitik katapultierte Ministerin die ganze Partei mitziehen oder zumindest stabilisieren könnte. Allerdings haben Ukrainekrieg, Energiekrise und Inflation mittlerweile die Pandemie als Krisenfokus abgelöst. Inwiefern der ohnehin verblassende „Paulette-Effekt“ bei den kommenden Wahlen im Oktober 2023 noch wirkt, ist also alles andere als klar.
Laut Dan Kersch, der sich selbst Anfang des Jahres von seinem Vizepremier-Posten ins Parlament zurückzog, führt dennoch kein Weg an einer Spitzenkandidatin namens Paulette Lenert vorbei. Erstens sehe er dazu aktuell keine bessere Alternative, so der LSAP-Abgeordnete. Zweitens: „Sie will und kann das schaffen.“ Und drittens: „Paulette Lenert zeigt uns allen, dass die Zeit der alten weißen Männer in der LSAP bald definitiv abgelaufen ist.“




