Ein Gesetz soll die Sicherheitsüberprüfung von Beamten mit Zugang zu geheimen Dokumenten neu regeln. Die Regierung will den bisher dafür zuständigen Geheimdienst stärker kontrollieren. SRE-Mitarbeiter befürchten jedoch Verwerfungen mit ausländischen Diensten.
Es kommt nicht alle Tage vor, dass der Geheimdienst im öffentlichen Diskurs überhaupt in Erscheinung tritt. Noch ungewöhnlicher ist, dass die Personalvertretung des „Service de renseignement de l’État“ (SRE) in einer Pressemitteilung dazu aufruft, ein von der Regierung auf den Weg gebrachtes Gesetz zurückzuziehen. Genau das ist jedoch am 8. Februar geschehen.
Per Twitter veröffentlichte der Account der „Représentation du Personnel du SRE“ ein „Communiqué concernant la réforme du régime de la protection des pièces classifiées“. Die Forderung an die Regierung „à retirer le projet de loi 6961“ wird darin anhand von insgesamt zehn Punkten begründet. Im Fazit ist von „schwerwiegenden Lücken“ die Rede, die sich von den „bewährten internationalen Verfahrensweisen“ entfernen und „nicht nur die nationale Sicherheit, sondern auch die Sicherheit unserer Verbündeten“ gefährden könnten.
Worum geht es? Das Gesetzesvorhaben 6961 soll die Durchführung von sogenannten Sicherheitsüberprüfungen („habilitations de sécurité“) neu regeln. Somit betrifft das Gesetz auch den Umgang der staatlichen Verwaltungen mit Geheimakten bzw. klassifizierten Dokumenten. Federführend bei den Sicherheitsüberprüfungen ist die „Autorité nationale de Sécurité“ (ANS), deren Aufgaben bisher vom Nachrichtendienst SRE ausgeführt werden.
Das Prinzip: Damit hochrangige Vertreter von Regierung, Polizei, Militär und Geheimdienst Zugang zu Verschlusssachen erhalten können, müssen sie zuvor einer Sicherheitsüberprüfung standhalten. Dabei wird etwa die Vertrauenswürdigkeit einer Person geprüft und letztlich beurteilt, ob diese von einer dritten Partei erpressbar oder korrumpierbar ist. Bisher wurde dieser „Security check“ von der ANS auf Basis von unterschiedlichsten dem SRE zugänglichen Informationen ausgeführt.
Sorge vor minderwertigen Sicherheitsfreigaben
Die Sorge der Personalvertretung des SRE: Unter dem neuen Gesetz könnte die Qualität dieser Sicherheitsüberprüfungen leiden. Dabei geht es vor allem um den für eine wirksame Überprüfung notwendigen Zugang zu sämtlichen Datenbanken des Staates, besonders jener von Polizei und Justiz. Laut der geplanten Reform kann die Staatsanwaltschaft der ANS den Zugang zu bestimmten Informationen nämlich verweigern – und das ohne Angabe von Gründen.
Luxemburg läuft damit Gefahr, bei gewissen geheimdienstlichen Informationsaustauschen auf EU- und NATO-Ebene künftig außen vor zu bleiben.“Eric Denécé, Geheimdienstexperte
In der Praxis komme die ANS bereits jetzt nicht an alle benötigten Daten zur Überprüfung einer Person, weil die Staatsanwaltschaft dem Geheimdienst den vollen Zugang verweigere, lautet eine weitere Kritik der Personalvertretung des SRE. Damit verwässere man nicht nur die Praxis der Sicherheitsüberprüfung, sondern verstoße zudem gegen internationale Auflagen, etwa der NATO. „Wir sind besorgt über gewisse Sicherheitsfreigaben, die seit 2016 erteilt wurden“, sagte ein Mitglied der Personalvertretung des SRE im Gespräch mit Reporter.lu und „Radio 100,7“. *
In einem Schreiben an das Staatsministerium hatte auch der ehemalige Direktor des SRE, Patrick Heck, seine Bedenken über das Regelwerk zum Ausdruck gebracht. Die Luxemburger Praxis, die durch die Reform der ANS noch verstärkt werde, entspreche nicht den internationalen Normen in Sachen Sicherheitsüberprüfungen, schrieb Heck bereits Ende 2015 an Staatsminister Xavier Bettel. Er könne nicht verantworten, dass der Regierungschef minderwertige Sicherheitsfreigaben („habilitations de pacotille“) erteile, so der Ex-Geheimdienstchef, der wenige Wochen später seinen Rücktritt bekannt gab. Seine Nachfolgerin wurde die ehemalige beigeordnete Staatsanwältin Doris Woltz.
Luxemburg könnte international isoliert werden
Die Sorge des Ex-Direktors des SRE wird auch von ausländischen Experten geteilt. Der Direktor des Thinktanks „Centre Français de Recherche sur le Renseignement“ (Cf2R), Eric Denécé, spricht im Zusammenhang mit dem Gesetzentwurf 6961 von einer „gefährlichen Entwicklung“. „Die Reform zielt darauf ab, den Geheimdienst zu entmachten, weil die für die Sicherheitsüberprüfungen zuständige Behörde keinen uneingeschränkten oder nur noch einen sehr reglementierten Zugang zu allen Informationen haben wird.“
„Äußerst schädlich“ sei laut dem Geheimdienstexperten aber nicht nur der eingeschränkte Zugang zu sensiblen Datenbanken. Laut der Reform sollen nämlich zudem jene Personen, die im Rahmen des Überprüfungsverfahrens befragt oder untersucht werden, im Vorhinein davon in Kenntnis gesetzt werden. Das sei „eine an sich wohl demokratische Sorge, die letztlich aber sehr naiv ist“, meint Eric Denécé im Interview mit Reporter.lu und „Radio 100,7“.
Der Weg zur „Security clearance“
Laut Gesetz müssen sich Personen, die Zugang zu vertraulichen Dokumenten des Staates haben, einer sogenannten Sicherheitsüberprüfung („habilitation de sécurité“) unterziehen. Der jeweilige Antragsteller muss nachweisen können, dass er für die Ausübung seines Berufs Zugang zu vertraulichen Dokumenten erhalten muss. Die „Autorité nationale de Sécurité“ (ANS) führt anschließend die Sicherheitsüberprüfung durch. Für die Durchführung ihrer Mission kann die ANS Daten über den Personenstand, den Beruf und die finanzielle Lage sammeln. Zusätzlich können auch Interviews mit Personen aus dem nahen Umfeld durchgeführt werden. Eine gesonderte Kommission gibt ein Gutachten über die Diskretion, Loyalität, Zuverlässigkeit und Integrität der Person ab. Die Entscheidung über eine Sicherheitsfreigabe trifft letztlich der Premierminister.
Laut dem Experten verletzt die Praxis, die im neuen Gesetz skizziert wird, eindeutig internationale Normen. „Luxemburg läuft damit Gefahr, bei gewissen geheimdienstlichen Informationsaustauschen auf EU- und NATO-Ebene künftig außen vor zu bleiben“, sagt der Forscher und Direktor des Cf2R, der selbst früher als Agent des französischen Geheimdienstes gearbeitet hat.
Das Problem könnte aber auch weitreichendere politische Folgen haben: Die Partnerstaaten würden sehr genau darauf achten, dass man bei hochrangigen bilateralen Treffen nur mit Personen zu tun habe, denen man zweifelsfrei vertrauen könne, betont Eric Denécé.
„Rechtsvakuum“ infolge der Geheimdienstreform
Das Problem beim Zugang zu den Datenbanken ist: Die ANS kann zwar Anfragen an die Staatsanwaltschaft stellen, diese muss dem Ersuchen aber nicht zwingend nachkommen. Konkret geht es dabei etwa um das „Bulletin 2“ des Vorstrafenregisters. Laut dem neuen Gesetzesprojekt steht es der Justiz zu, selbst zu bewerten, inwiefern die Informationen für die Sicherheitsüberprüfung von Nutzen sein könnten. Sollte die Staatsanwaltschaft die Dokumente als nicht unbedingt notwendig einstufen, gibt es für die ANS keine Möglichkeit, in Berufung zu gehen.
Doch auch zu einem weiteren Punkt äußert die Personaldelegation des SRE in ihrer Pressemitteilung Sicherheitsbedenken. Laut Reform benötigt die ANS künftig eine Einwilligung der Antragsteller und von ihrem Umfeld, um überhaupt Befragungen dieser Personen durchzuführen. Allerdings können Familienmitglieder oder Freunde diese ablehnen. Laut Gesetz dürfe das jedoch kein Grund sein, den Antrag zu verweigern. „Ab einem gewissen Sicherheitsgrad, ist die Befragung des Umfelds jedoch unausweichlich, um ein gut begründetes Urteil zu fällen“, schreibt die Personaldelegation.
Il est rappelé que le projet de loi ne transpose pas tel quel toutes les exigences posées par le cadre de référence international.“Parlamentarischer Sitzungsbericht von 2019
Hinzu kommt eine paradoxe Situation, die durch die jüngste Reform des Geheimdienstes im Jahre 2016 entstanden ist. Denn beim Zugang zu Informationen der Justiz bewegt man sich seitdem in einem rechtsfreien Raum. Laut der SRE-Reform gehören die Sicherheitsüberprüfungen nämlich nicht mehr ausdrücklich zu den Missionen des luxemburgischen Nachrichtendienstes. Dennoch findet ein Informationsaustausch zwischen dem SRE und der Staatsanwaltschaft statt. Eine Situation, die die Beamtenkammer in einem Gutachten als „Rechtsvakuum“ („vide juridique“) bezeichnete.
Der Fall Jean-Claude Knebeler
Was die juristisch anmutende Kontroverse praktisch bedeutet, lässt sich zumindest in einem Fall konkretisieren: Ein rares Beispiel einer Sicherheitsüberprüfung, deren Ergebnis an die Öffentlichkeit gelangte, ist jene des ehemaligen Botschafters des Großherzogtums in Moskau, Jean-Claude Knebeler. Wie das „Luxemburger Wort“ 2017 berichtete, hatte die zuständige ANS im Fall Knebeler eine Reihe von Bedenken gegen die Ausstellung einer „Security clearance“ angeführt.
Hintergrund waren familiäre Verbindungen des Diplomaten zu russischen Oligarchen. Doch in letzter Instanz entscheidet der Premierminister auf Rat einer speziellen Kommission aus drei hohen Beamten, ob eine Person die Berechtigung zum Umgang mit Geheimdokumenten erhält. Premier Xavier Bettel (DP) folgte damals nicht den Bedenken der ANS, sondern berief sich auf ein positives Gutachten des letztlich zuständigen Beamtengremiums.

Am Fall Jean-Claude Knebeler lässt sich demnach auch gut veranschaulichen, warum Teile des Geheimdienstes Probleme mit der seit 2016 im Parlament diskutierten Reform des Gesetzes haben. Im Vergleich zu den meisten EU- und NATO-Partnerstaaten wird die Sicherheitsüberprüfung in Luxemburg seit Jahren weniger streng gehandhabt, heißt es aus Geheimdienst-Kreisen. Da die ANS schon heute keinen automatisierten Zugang zu allen Daten der Justiz hat, muss die Behörde über die Vertrauenswürdigkeit einer Person entscheiden, obwohl sie dafür mitunter über weniger Daten verfügt als die Staatsanwaltschaft.
NATO-Normen und Erwartungen von Verbündeten
In diesem konkreten Punkt läuft die Regierung durchaus Gefahr, gegen internationale Verpflichtungen zu verstoßen. Laut der NATO-Verordnung zur Sicherheitsüberprüfung soll die zuständige Behörde vollständigen Zugang zu den Polizei- und Justiz-Datenbanken erhalten. Wie das Verteidigungsbündnis betont, soll somit sichergestellt werden, dass „jeder offiziell verzeichnete Hinweis von Illoyalität oder Unverlässlichkeit“ eines Antragstellers ausfindig gemacht werden kann. Über die konkrete gesetzliche Ausgestaltung dieses Zugangs schweigt die NATO-Verordnung jedoch.
Die Regierung hat absolut kein Interesse daran, die Position Luxemburgs in dieser Frage zu schwächen.“Statement des Staatsministeriums
Laut dem Geheimdienstexperten Eric Denécé ist die Vorgabe des Verteidigungsbündnisses letztlich nicht das entscheidende Problem. Es gehe vielmehr um die Standards, denen sich die Geheimdienste der NATO-Staaten jeweils unterwerfen. Auch mit Staaten wie Österreich oder Schweden, die nicht in der NATO sind, würden die anderen Staaten auf geheimdienstlicher Ebene ähnlich eng kooperieren wie mit Alliierten, so der Experte des Forschungsinstituts Cf2R – allerdings unter der Voraussetzung, dass man sich auf die Qualität der Spionageabwehr, worunter der Zugang zu Geheimdokumenten definitiv falle, verlassen könne.
Das sei keine Luxemburger Besonderheit, betont Eric Denécé. Das gleiche würde für andere Staaten gelten, bei denen Verdacht auf minderwertige Sicherheitsüberprüfungen ihrer Beamten aufkommen würden. Doch für Luxemburg, das als kleines Land viel mehr auf internationale Zusammenarbeit angewiesen sei, bestehe die reale Gefahr einer mangelnden Kooperation mit verbündeten Diensten. Die Erfahrung der vergangenen Jahre zeige, dass es auch im Großherzogtum „Spionageversuche“ unterschiedlichster Kräfte gebe. Ausländische Geheimdienste könnten dabei versuchen, jegliche Anzeichen von Schwäche auszunutzen.
Staatsministerium versucht zu beschwichtigen
Die Regierung ist sich indes bewusst, dass die Einschränkungen womöglich nicht mit Luxemburgs internationalen Verpflichtungen vereinbar sind. „Il est rappelé que le projet de loi ne transpose pas tel quel toutes les exigences posées par le cadre de référence international. Les inspections menées régulièrement par l’UE et l’OTAN visent à vérifier que la législation est conforme au cadre de référence international“, erklärten Beamte des Staatsministeriums laut einem Sitzungsbericht der zuständigen parlamentarischen Kommission am 22. Oktober 2019.
Nur zwei abgelehnte Anträge in vier Jahren
Laut dem Staatsministerium seien in den vergangenen vier Jahren 2.857 Sicherheitsfreigaben erteilt worden (2017: 376; 2018: 410; 2019: 1.086; 2020: 985). Die Mehrheit der Dossiers sind dabei neue Anfragen einer „Security Clearance“, die restlichen betreffen Verlängerungen von bestehenden Freigaben oder Änderungen der Geheimhaltungskategorien von Beamten. Laut einem Ausschussbericht entfallen etwa 60 Prozent der Anfragen auf die Geheimhaltungsstufe „Vertraulich“, weitere 30 Prozent auf „Geheim“ und zehn Prozent auf „Streng Geheim“. Nur zwei Mal sei laut dem Staatsministerium in den vergangenen vier Jahren eine Sicherheitsfreigabe nach einer Überprüfung durch die ANS abgelehnt worden.
Auf Nachfrage von Reporter.lu und „Radio 100,7“ räumt das Staatsministerium ein, dass Luxemburg als Verfasser wie auch als Adressat von klassifizierten Dokumenten darauf angewiesen sei, „den hohen Standards gerecht zu werden, welche von seinen Partnerländern wie auch von NATO und EU in bi- und multilateralen Texten verbindlich festgehalten sind“. Diese Praxis werde auch regelmäßig kontrolliert und eingefordert, so eine Sprecherin von Premierminister Xavier Bettel (DP).
Anlässlich einer Überprüfungsmission seitens der NATO im Juni 2019 hätten sich die Inspekteure auch mit dem betreffenden Gesetzvorhaben 6961 befasst „und dabei keinerlei Kommentare oder Vorschläge in Sachen Zugang zu Datenbanken formuliert“, so das Staatsministerium weiter. Die Inspekteure hätten vielmehr den Reformvorstoß der Regierung „begrüßt“. Allerdings sei der Regierung natürlich alles daran gelegen, die Kooperation mit alliierten Staaten nicht zu gefährden. „Die Regierung hat absolut kein Interesse daran, die Position Luxemburgs in dieser Frage zu schwächen“, verlautet aus dem Staatsministerium.
Nationale Sicherheit und andere Bedenken
Ein Blick auf die Situation der Nachbarländer zeigt jedoch: Luxemburg geht mit der Gesetzgebung zu den Sicherheitsüberprüfungen durchaus einen Sonderweg. Beispiel Deutschland: Ab einer Anfrage für die Sicherheitsstufe „Geheim“ erhalten die deutschen Geheimdienste etwa Zugang zu allen polizeilichen Daten über eine Person, die über die letzten fünf Jahre gesammelt wurden. Die französische Gesetzgebung geht noch weiter: Für jegliche Sicherheitsüberprüfungen erhalten die Behörden hier uneingeschränkten Zugang zu allen möglichen Datenbanken.
Nur in Belgien wird der Eifer des Geheimdienstes leicht gebremst. Zwar erhalten Beamte für die Überprüfung eine Zugangskarte für mehrere Datenbanken, doch diese sind beschränkt auf jene Daten, die die Polizei während einer Identitätskontrolle abrufen kann. Sollte die Behörde daraufhin weitere Informationen anfragen, muss die Polizei diese allerdings liefern.
L’objectif est de mieux distinguer les deux missions fondamentalement différentes du SRE et de corriger l’impression que l’enquête de sécurité fait partie de la collecte de renseignement.“Begründung der Gesetzreform 6961
Wie es aus parlamentarischen Kreisen heißt, geht es bei der Kontroverse nicht nur um mögliche Bedenken hinsichtlich der nationalen Sicherheit. Ebenso betrifft die Reform den Respekt rechtsstaatlicher Prinzipien, die Bewahrung der Freiheitsrechte und nicht zuletzt den Datenschutz. Diese ständige Abwägung zwischen den persönlichen Freiheitsrechten der Bürger und der Staatssicherheit geht auch aus den bisherigen Debatten im zuständigen Ausschuss hervor.
Die Befürworter einer weniger reglementierten Prozedur beharren dabei auf der Position, wonach die Erteilung einer Sicherheitsfreigabe den Kern der staatlichen Souveränität betreffe. Nach dem Motto „Im Zweifel für die Sicherheit“ argumentiert auch die Personalvertretung des SRE. In ihren Augen ist die Sicherheitsüberprüfung von hohen Beamten auch kein reiner Verwaltungsvorgang, sondern präventive Spionageabwehr – also eine Aufgabe, die seit jeher in den Kompetenzbereich der Geheimdienste fällt.
Die Lehren aus den vergangenen Affären
Letztlich hat die Debatte um die Luxemburger Praxis aber auch eine sehr politische Dimension. Der Gesetzentwurf 6961 liest sich in seiner aktuellen Fassung wie eine lange Antwort auf die Affären der vergangenen zehn Jahre. Seit 2016 wird die Reform der ANS und der Sicherheitsüberprüfungen bereits im parlamentarischen Ausschuss diskutiert. In der Zwischenzeit wurde der Geheimdienst reformiert und die Abgeordneten entdeckten im Zuge der Affäre um die Polizei- und Justizdatenbanken neue gesetzliche Missstände.

Diese Ereignisse spiegeln sich in den Debatten des Ausschusses wider. Im Juni 2018 schlug die Regierung mehrere Anpassungen am Gesetzentwurf vor. Demnach sollte die ANS etwa als eigene Verwaltung definiert werden und nicht mehr allein Sache des Geheimdienstes sein. „L’ANS sera désormais conçue non pas comme un organe reposant sur les méthodes utilisées dans le contexte du «Renseignement», mais une autorité dont la mission et les moyens opérationnels seront essentiellement de nature administrative“, begründet das Staatsministerium die Trennung der beiden Behörden.
Ganz nebenbei ändern sich durch die angedachte Trennung der ANS vom SRE auch die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter. Angestellte des Geheimdienstes erhalten zusätzlich zu ihrem Beamtengehalt eine Prämie, die nach dem Willen des Gesetzgebers bei einer Einstellung durch die ANS gestrichen werden soll.
Die wahre Sorge der Geheimdienstmitarbeiter dürfte dennoch nicht allein im möglichen Verlust von finanziellen Vorzügen liegen. Wie es die Regierung nämlich kaum verheimlicht, soll dem SRE letztlich die Hoheit über die ANS entzogen werden. Indes bleibt die Sicherheitsüberprüfung in Luxemburgs Nachbarstaaten eine der Kernaufgaben der Nachrichtendienste. Sollte die Reform also wie geplant in Kraft treten, käme sie in der Tat einem Paradigmenwechsel in der Sicherheitsarchitektur des Luxemburger Staates gleich. Es wäre zudem ein weiteres Beispiel für die schleichende Entmachtung des Luxemburger Geheimdienstes seit der „SREL-Affäre“ von 2012/2013.
Schleichende Entmachtung des Geheimdienstes
Die Regierung formuliert die Intention zur Reform der Sicherheitsüberprüfungen freilich etwas diplomatischer. Ursprünglich sei es bei der Reform des ANS-Gesetzes von 2004 darum gegangen, die Missionen und Prozeduren der ANS zu „präzisieren“, heißt es aus dem Staatsministerium. Im Rahmen der parlamentarischen Debatten habe die Regierung zudem vorgeschlagen, „die ANS aus dem Geheimdienst herauszulösen“. Der Grund laut dem Staatsministerium: Die Arbeit der ANS sei nicht gleichzusetzen mit der „nachrichtendienstlichen Arbeit des SRE“.
Auf die ungewöhnlich deutliche Kritik der Personalvertretung des SRE in besagtem Kommuniqué angesprochen, lautet die Antwort des Staatsministeriums: Man habe die angesprochene Pressemitteilung „zur Kenntnis genommen“. Die darin enthaltenen Kritikpunkte seien über die vergangenen Jahre bereits Bestandteil des „transparenten parlamentarischen Prozesses“ zum Gesetzesvorhaben 6961 gewesen. Auf die Frage, ob Änderungen am Reformtext in den kontroversen Punkten noch geplant seien, antwortet das Staatsministerium: Der parlamentarische Prozess sei zwar schon in einem fortgeschrittenen Stadium, aber „noch nicht gänzlich abgeschlossen“.
Der Berichterstatter des Gesetzesprojekts, Guy Arendt (DP), wollte sich auf Nachfrage nicht zur Substanz des Reformvorhabens äußern. Der Vorsitzende des zuständigen Ausschusses für institutionelle Fragen, Mars Di Bartolomeo (LSAP), verwies seinerseits auf ausstehende Antworten der Regierung auf das jüngste, dritte Gutachten des Staatsrats zum Reformprojekt 6961. In welcher Form das Gesetz also verabschiedet und damit das Pendel zwischen Freiheit und Staatssicherheit ausschlagen wird, steht demnach noch in den Sternen. Zur Sicherheit sollte man den Twitter-Account der „Représentation du Personnel du SRE“ auch noch eine Weile im Auge behalten.
* Mehrere Interviews im Rahmen der Recherche für diesen Artikel führte Reporter.lu gemeinsam mit „Radio 100,7“. Den Beitrag unserer Kollegen finden Sie unter diesem Link: „Eng Gefor fir déi national Sécherheet“.
Lesen Sie mehr zum Thema


