Am Wochenende sollen in Junglinster 15 sogenannte Stolpersteine verlegt werden: vier für Juden und elf für Zwangsrekrutierte. Die Kritik an der Initiative offenbart die Konflikte, die das Gedenken an die Opfer des Zweiten Weltkriegs und dessen historische Deutung bis heute prägen.

Sie gehe am Sonntag mit einem „gewissen Gefühl der Befremdung“ nach Junglinster, sagt Claude Wolf im Gespräch mit Reporter.lu. Als Vertreterin der jüdischen Gemeinschaft bereite ihr „die Vermischung von unterschiedlichem Leid“ Sorgen und stimme sie traurig. Doch als Präsidentin des „Comité pour la mémoire de la Deuxiéme Guerre Mondiale“ müsse sie nun mal „alle drei Opferkategorien vertreten“. Und grundsätzlich befürworte sie die Erinnerungsarbeit mit Jugendlichen natürlich.

Der Hintergrund: Der Berliner Künstler Gunter Demnig wird am Wochenende 15 Stolpersteine in Junglinster anbringen. Mit den kleinen, in das Straßenpflaster verlegten Gedenktafeln soll an das Schicksal von Opfern des Nationalsozialismus erinnert werden. Es ist das erste Mal, dass auf diese Weise auch Zwangsrekrutierten ein Denkmal gesetzt wird. Schüler und Schülerinnen des „Lënster Lycée“ hatten zuvor die Biografien der vier Juden und elf Zwangsrekrutierten erforscht.

Es dauerte nicht lange, bis kritische Stimmen laut wurden, die vor der „Vermischung der Opferkategorien“ in der Erinnerungskultur warnten. „Dass all diese Menschen Opfer des nationalsozialistischen Regimes in Deutschland waren, ist nicht in Frage zu stellen, aber sollten wir die Unterschiede auslöschen und das Andenken an die Opfer auf die gleiche Weise ehren?“ schrieb Bernard Gottlieb, Mitglied des „Consistoire Israélite du Luxembourg“, bereits Anfang Juli in einem Brief an den Bürgermeister von Junglinster, Romain Reitz (CSV). Eine Antwort auf sein Schreiben hat er bis heute nicht erhalten.

Diametral entgegengesetzte Erzählungen

Auch andere Vertreter der jüdischen Gemeinschaft stehen der Erweiterung dieses Mahnmals auf Zwangsrekrutierte kritisch gegenüber. Für die Vereinigung „MemoShoa“ bleibt unantastbar, dass die Leiden der verschiedenen Gemeinschaften niemals gleichgesetzt werden könnten. „Die einen waren Opfer von rassistischen Gewaltverbrechen, die eigentlich nichts mit dem Krieg zu tun hatten, da das Naziregime die Kriegssituation lediglich dazu benutzt hat, um seine rassistische Vernichtungspolitik zu verwirklichen. Die anderen wurden durch die Zwangsrekrutierung zu Kriegsopfern“, schreibt der Präsident des Gedenkvereins, Jean-Paul Goerres, auf Nachfrage von Reporter.lu.

Ich sehe nicht, warum einer mehr Opfer sein soll, als der andere. Die Juden besitzen keine Exklusivität.“Josy Lorent, „Fédération des Enrôlés de Force“

Auch Laurent Moyse betont die Einzigartigkeit der Shoah als geplante und industrielle Vernichtung des jüdischen Volkes: „Die Juden wurden nicht wegen ihrer Taten massakriert, sondern wegen dem, was sie in den Augen der Nazi-Henker waren“, so der Vertreter des „Consistoire israélite“. In diesem Sinne sei die Differenzierung der Opfergruppen wichtig. Die Stolperstein-Initiative dürfe auf keinen Fall als Vorwand dienen, um die besonderen Aspekte der Shoah zu verwischen …