Luxemburg pflegt enge wirtschaftliche Beziehungen zu Kasachstan. Bedenken über Korruption und Menschenrechte werden dabei konsequent ausgeblendet. Im Mittelpunkt der Partnerschaft steht ein mächtiger Rohstoffkonzern mit Sitz im Großherzogtum.

An einem sonnigen Junitag 2017 schneiden Premierminister Xavier Bettel (DP) und der damalige Wirtschaftsminister Etienne Schneider (LSAP) das rote Band zur Neueröffnung des Ehrenkonsulates in der kasachischen Hauptstadt Astana durch. Die beiden Luxemburger Spitzenpolitiker verbrachten drei Tage in dem zentralasiatischen Land, wo sie unter anderem dem Auftakt der Weltausstellung „Expo 2017“ beiwohnten und das 25-jährige Jubiläum der diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern begingen.

Mehr als fünf Millionen Besucher erhoffte sich die kasachische Regierung für die „Expo 2017“, die unter dem Thema „Future Energy“ stand. Luxemburgs Pavillon – ganz im „Let’s Make It Happen“-Design gehalten – wurde dabei von einheimischen Wirtschaftsgrößen wie „Arendt&Medernach“, „SES“, „Jan de Nul-Group“ und der „Chambre de Commerce“ unterstützt.

Unter den internationalen Sponsoren sind auch die „RCB-Bank“ – die ihren Betrieb aufgrund ihrer Verbindungen zur sanktionierten russischen Staatsbank „VTB“ inzwischen eingestellt hat – und die „Eurasian Resources Group“ (kurz: ERG). Ebendieser Konzern, der 2017 von luxemburgischer Seite als „das Verbindungsglied“ zwischen beiden Ländern gepriesen wurde, findet sich bei sämtlichen diplomatischen Verknüpfungen zwischen dem Großherzogtum und Kasachstan wieder.

Rohstoffmulti mit Connections

Der Honorarkonsul, der mit dem Premier- und dem Wirtschaftsminister das Bändchen in Astana durchschnitt, heißt Aldiyar Kaztayev und ist zudem der „First Deputy CEO“ und „Chairman of the Supervisory Board“ der ERG. Seit über 20 Jahren arbeitet Aldiyar Kaztayev für den Konzern, einen Rohstoff-Multi mit engen Beziehungen zur kasachischen Staatsführung. Gegründet wurde die Gesellschaft 1994 von drei lokalen Oligarchen, die auch im belgischen Teil des „Kazakhgate“-Skandals eine Rolle spielten. Deren Reichtum gründet vor allem auf den wilden Privatisierungen nach dem Kollaps der Sowjetunion.

Es hätte eine erstklassige Gesellschaft werden können, aber die Oligarchen haben sie zerstört, weil sie niemanden reinlassen wollten, den sie nicht kontrollieren können“.Sir David Cooksey, Ex-Direktor von ENRC

Der größte Anteilseigner der ERG ist mit 40 Prozent immer noch der kasachische Staat und somit der Clan um den Ex-Präsidenten Nursultan Nasarbajew. Das Unternehmen gilt deshalb auch als sogenannte „SOE“ (State Owned Enterprise). Dokumente aus den „Pandora Papers“, einem Recherche-Projekt des Internationalen Netzwerks investigativer Journalisten (ICIJ), an dem auch Reporter.lu beteiligt war, weisen zudem auf die Nähe der Oligarchen zum Präsidenten hin, der von 1990 bis 2019 in Kasachstan regierte.

Über die Jahre entwickelte sich ERG zu einem internationalen Betrieb, der bis 2013 in London an der Börse notiert war. Nicht nur Eisenerz aus Kasachstan und Brasilien, auch Aluminium und die Gewinnung seltener Rohstoffe aus Afrika gehören zum Geschäftsmodell der Firma. Die ERG ist heute einer der größten Produzenten von Kobalt weltweit und betreibt mehrere solcher Minen in der Demokratischen Republik Kongo. Kobalt wird etwa in der Herstellung von Batterien für Elektroautos und Handys gebraucht und ist einer der begehrtesten und teuersten Rohstoffe weltweit.

Dubiose Geschäfte um Kobaltminen

Dabei steht immer wieder der Verdacht der Missachtung der Menschenrechte im Raum. Die niederländische NGO „SOMO“ geht in der Studie „Cobalt Blues“ von 2016 im Detail auf die Aktivitäten der ERG in Afrika ein. Darin wird auch ein Fall aus dem Jahre 2010 aufgegriffen, der den Konzern in einen jahrzehntelangen Rechtsstreit verwickelte. Der Hintergrund: Nachdem der kanadischen Firma „First Quantum“ 2009 plötzlich die Lizenzen entzogen wurden, um eine der größten Kupfer- und Kobalt-Minen im Kongo zu betreiben, wurden diese über Umwege an die ERG – damals noch als „Eurasian Natural Resources Group“ (ENRC) und in London angesiedelt – weiterverkauft.

Dokumente aus den „Pandora Papers“, die Reporter.lu einsehen konnte, geben Aufschluss über die Offshore-Strukturen, die die ERG und ihr CEO Benedikt Sobotka nutzten, um die Geschäfte zu verschleiern. Benedikt Sobotka ist auch der Ehrenkonsul Kasachstans in Luxemburg, der Sitz des Konsulats und der von ERG befinden sich an der gleichen Adresse im Bahnhofsviertel der Hauptstadt.

Die globalen Geschäftspraktiken der „Eurasian Natural Resources Group“, heute Teil der ERG, sorgten in der Vergangenheit immer wieder für Schlagzeilen. (Foto: Rezoff/Shutterstock.com)

Die Kobalt-Mine im Kongo lag nach einem Gerichtsstreit mit „First Quantum“ brach und wird nun von ERG unter dem Namen „Metalkol RTR“ genutzt. Um solche Minen erschließen zu dürfen, müssen einige Bedingungen in Sachen Umweltschutz erfüllt werden. Dazu gehört der Zugang zu Trinkwasser für die lokale Bevölkerung. Weil die Gesellschaft sich aber angeblich nicht an die Auflagen hielt, verklagten Menschenrechtsaktivisten und lokale Gemeinden die Firma 2018 in London.

Zusätzlich ermittelte das britische „Serious Fraud Office“ wegen Korruptionsvorwürfen gegen die ERG. Zeitweise suchte die britische Behörde den CEO Benedikt Sobotka sogar per Haftbefehl. Der Konzern verklagte daraufhin das „Serious Fraud Office“, verlor den Prozess aber im Mai dieses Jahres. Die britischen Behörden hatten die ursprünglichen Ermittlungen gegen den Konzern aber mittlerweile eingestellt.

Als Konsequenz dieser Ermittlungen verließ ENRC 2013 die Londoner Börse, wo die Firma seit 2007 notiert war und wurde wieder zur Privatfirma. Die „Financial Times“ zitierte daraufhin einen der britischen Ex-Direktoren, Sir David Cooksey, mit der Aussage: „Es war eine Organisation mit großen Ressourcen und riesigem Potenzial. Es hätte eine erstklassige Gesellschaft werden können, aber die Oligarchen haben sie zerstört, weil sie niemanden reinlassen wollten, den sie nicht kontrollieren können“.

Konsolidierung im Großherzogtum

Die Firma änderte bald ihren Namen und suchte sich eine neue Heimat in Luxemburg, wo die ERG seitdem ihr Hauptquartier hat. Organigramme aus den Pandora Papers zeigen, wie die Aktionäre ihre Anteile über in Luxemburg angesiedelte Fonds verwalten; nur der kasachische Staat hält diese direkt über sein „Privatisierungskomitee“. Über eine Gesellschaft in den Niederlanden kontrolliert die ERG seitdem die britische ENRC, von der aus wiederum die internationalen Gesellschaften abhängen.

Auch in einem anderen Kontext fällt die ERG immer wieder auf: Die Gesellschaft gilt als besonders klagefreudig, wenn es darum geht, Aktivisten und Journalisten in die Schranken zu verweisen. Erst im März dieses Jahres verlor sie eine Klage gegen den „Financial Times“-Journalisten Tom Burgis, der den Konzern in seinem Buch „Kleptopia: How Dirty Money is Conquering the World“ verdächtigt hatte, über Leichen zu gehen, um seine Interessen in Afrika zu wahren. Insgesamt über 16 Mal reichte die ERG in den letzten Jahren sogenannte „SLAPP“-Klagen bei amerikanischen und britischen Gerichten ein.

In Luxemburg fühlt sich der Rohstoffgigant offenbar wohler. Denn neben Aldiyar Kaztayev in Nur-Sultan (ehemals Astana), gibt es einen zweiten Ehrenkonsul, der Luxemburg in der größten kasachischen Stadt Almaty vertritt. Auch er hat Verbindungen zur ERG. Medienberichten zufolge ist Orifijan Shadiyev einer der 50 reichsten Unternehmer in Kasachstan. Zudem ist er in einen Bankenskandal verwickelt, bei dem gleich zwei Kreditinstitute – die „Capital Bank Kazakhstan“ und die „AsiaCredit Bank“ – bankrott gingen.

Alle Wege führen nach Russland

Ist sich Luxemburgs Regierung bewusst, dass die diplomatischen Beziehungen des Landes zu Kasachstan letztlich an einer einzigen, mitunter kontroversen Gesellschaft hängen? Eine andere Firma mit Hauptsitz in Luxemburg, in welcher der luxemburgische Staat Anteile hält, könnte Teil der Antwort sein: ArcelorMittal. In der Industriestadt Temirtau im Norden Kasachstans besitzt der Metallproduzent seit 1993 ein Stahlwerk. Zudem ist er der größte Abnehmer von Eisenerz, das die ERG in Kasachstan produziert. Auf Nachfrage von Reporter.lu gibt sich ArcelorMittal bedeckt: Man kommentiere grundsätzlich keine Beziehungen mit anderen Firmen und Kunden.

Ein Bild aus glücklicheren Tagen: Premierminister Xavier Bettel eröffnet mit dem damaligen Honorarkonsul Aldiyar Kaztayev und Ex-Wirtschaftsminister Etienne Schneider das Konsulat in Astana.(Foto: MECO/SIP)

Das Stahlwerk in Kasachstan geriet vergangene Woche aber aus anderen Gründen in die Schlagzeilen: Der Abgeordnete Marc Goergen (Piraten) hatte Wirtschaftsminister Franz Fayot (LSAP) im Rahmen einer parlamentarischen Debatte gefragt, ob es stimme, dass ArcelorMittal über Kasachstan wieder Stahl nach Russland liefere und somit eventuell EU-Sanktionen umgehen würde. Der Minister wollte dies vor den Parlamentariern nicht weiter kommentieren.

Wenige Tage später musste der Minister gegenüber „RTL“ jedoch zugeben, dass der Stahlkonzern durchaus wieder nach Russland liefere. Franz Fayot betonte aber, dass man aufpassen wolle, dass die Produkte nicht für militärische Zwecke genutzt werden können. Zu den Gründen dieser Exporte gibt der Sprecher von ArcelorMittal Reporter.lu an: „Nachdem die Situation sehr genau analysiert wurde, erschien der Verkauf von Basisprodukten von ArcelorMittal nach Russland die einzige Alternative, die Rentabilität des Werks und die Jobs von unseren 35.000 Mitarbeitern zu sichern“.

Der Ehrenkonsul aus Kensington

Auffällig an den Beziehungen zwischen Luxemburg und Kasachstan ist jedoch nicht nur die Schlüsselrolle der ERG. Auch die Person des Luxemburger Honorarkonsuls wirft Fragen auf. Den „Pandora Papers“ zufolge wohnte Aldiyar Kaztayev die ganzen Jahre seiner Ehrenkonsul-Tätigkeit nämlich nicht in Kasachstan, sondern an einer edlen Adresse im Londoner Stadtteil Kensington. Laut dem Außenministerium muss ein Ehrenkonsul aber in dem Land leben, in dem er nominiert ist.

Dass dies für Aldiyar Kaztayev noch zum Problem werden könnte, ist jedoch unwahrscheinlich. Denn das Problem hat sich mittlerweile erledigt. „Herr Kaztayev hat seinen Posten als Ehrenkonsul am 29. Juni 2022 abgegeben. Als Grund gab er an, dass er Kasachstan nun definitiv verlassen würde“, heißt es auf Nachfrage von Reporter.lu vom Außenministerium. „Herr Kaztayev wurde 2015 zum Ehrenkonsul ernannt und war bis vor kurzem kasachischer Staatsbürger. Er besitzt jetzt die zypriotische Nationalität“, so ein Sprecher von Außenminister Jean Asselborn.

Zu den Beziehungen zu Kasachstan und der herausragenden Rolle der mächtigen „Eurasian Resources Group“ betont das Außenministerium: Laut Aussagen des Unternehmens halte es sich an die Achtung der Menschenrechte im Sinne von internationalen Konventionen. „Das Außenministerium hofft, dass die ERG sich schnell dem Pacte National Entreprises et droits de l’homme anschließt, der am 6. Juli von 50 Unternehmen, die in Luxemburg etabliert sind, unterschrieben wurde“.


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