Eigentlich sollte das neue Gesetz zur „SuperDrecksKëscht“ einen Schlussstrich unter die ganze Affäre ziehen. Doch die kontroversen Fragen zur Finanzierung und zu möglichen Interessenkonflikten bleiben offen – und könnten auch noch juristische Folgen haben.

Als Umweltministerin Joëlle Welfring (Déi Gréng) nach fast sechs Stunden Sitzung an das Rednerpult des Parlaments tritt, hallen die Vorwürfe der Opposition noch nach. Als Paradebeispiel der Intransparenz und dafür, wie man die Bürger in die Politikverdrossenheit treibt, hatte etwa der CSV-Abgeordnete Gilles Roth die Affäre bezeichnet. Marc Goergen sprach von einer Abstimmung, die in die Geschichtsbücher des Landes eingehen werde. Man versuche hier, Missstände rückwirkend zu regularisieren, so der Piraten-Abgeordnete.

Mit besagten Missständen war die Finanzierung der Aktion „SuperDrecksKëscht“ (SDK) gemeint. Indem die Mehrheitsparteien am vergangenen 16. Juni ein Spezialgesetz verabschiedeten, regelten sie zwar diese Finanzierung nachträglich. Es bleiben aber nach wie vor zentrale Fragen zur Ausführung der Initiative durch die Firma „Oeko-Service Luxembourg“ (OSL) unbeantwortet.

Vor allem geht es um ein Firmengeflecht von Subunternehmen, das der verantwortliche Unternehmer Hans-Peter Walter zur Umsetzung der SDK-Aktion nutzt, und die Geldflüsse zwischen den Firmen, die von staatlicher Seite als Auftraggeber nicht zu kontrollieren sind. Zudem stehen mögliche Interessenkonflikte durch die persönliche Beziehung von Hans-Peter Walter zum ehemaligen Direktor der Umweltverwaltung, Robert Schmit, im Raum.

Offene Fragen und Auffälligkeiten

Dabei sollte in den Augen der Regierung die Abstimmung über das Finanzierungsgesetz eigentlich die letzte Etappe in der Neuausrichtung der „SuperDrecksKëscht“ sein. Zuvor, im Januar dieses Jahres, hatte der wissenschaftliche Dienst des Parlaments festgestellt, dass die Finanzierung der Aktion gegen die Verfassung verstößt. Artikel 99 des Grundgesetzes legt nämlich fest, dass budgetäre Verpflichtungen, die sich über mehrere Haushaltsjahre erstrecken oder die mit einer wesentlichen finanziellen Last einhergehen, durch ein gesondertes Gesetz („loi spéciale“) geregelt werden müssen.

Es ist kein einfaches Dossier, das ich von insgesamt neun Vorgängerregierungen geerbt habe. Aber ich nehme die Kritik an der Ausführung sehr ernst.“Umweltministerin Joëlle Welfring im Parlament

Der Vertrag über mehr als 100 Millionen Euro aus dem Jahr 2018 zwischen dem Umweltministerium und dem Unternehmen OSL, das die SDK seit mehr als 20 Jahren für den Staat ausführt, hatte demnach keine legale Basis. Das nun verabschiedete Finanzierungsgesetz schuf nun eine solche – zumindest rückwirkend. Doch in den Augen der Opposition gibt es weitere Auffälligkeiten.

Gemeint sind jene Aspekte rund um die „SuperDrecksKëscht“, über die Reporter.lu erstmals im Februar 2021 exklusiv berichtete. Und die seitdem sowohl das Parlament als auch die Regierung begleiten. Für Joëlle Welfring war es am 16. Juni der erste öffentliche Auftritt in Zusammenhang mit der Affäre und auch eine ihrer ersten Reden im Parlament. Die neue Umweltministerin und ehemalige Direktorin bzw. beigeordnete Direktorin der Umweltverwaltung betonte dabei gleich zu Beginn sowohl ihren Willen zur Aufklärung als auch die Komplexität des Sachverhalts: „Es ist kein einfaches Dossier, das ich von insgesamt neun Vorgängerregierungen geerbt habe. Aber ich nehme die Kritik an der Ausführung sehr ernst.“

Ein Audit mit Unzulänglichkeiten

Der Hintergrund: Infolge der Kritik an der SDK-Aktion nach den Enthüllungen von Reporter.lu beauftragte die damalige Umweltministerin Carole Dieschbourg (Déi Gréng) Ende Mai 2021 die Kanzlei „Muller et Associés“ mit einem Audit. In der Analyse monierten die Prüfer unter anderem die Ausschreibung der Aktion im Jahr 2017. Zwar entspreche diese den europäischen Ausschreibungsnormen, doch sei es problematisch, dass das Komitee, das schließlich über die Vergabe entscheidet, mit Personen besetzt war, die ebenfalls dem „Comité de pilotage“ angehörten. Dieses Gremium soll die Arbeit der „SuperDrecksKëscht“ begleiten und neue Projekte mit ausarbeiten.

Ein zentraler Punkt, den das Audit zwar anspricht, aber nicht vertiefen kann, ist jener der Firmenbeteiligungen von Hans-Peter Walter. Denn neben OSL hält der Mettlacher Unternehmer zahlreiche Beteiligungen an Firmen im Ausland. Als Beispiel nennt der Prüfbericht „SEG“, eine Verwertungsgesellschaft für Kühlgeräte. Die Gesellschaft ist ein direktes Subunternehmen der SDK und nahm im Jahr 2019 rund 300.000 Euro durch die Aktion ein. Wofür genau, geht aus dem Prüfbericht nicht hervor.

In diesem Punkt unterstreicht das Audit seine eigene Unzulänglichkeit. Denn eine Prüfung der Finanzströme zwischen den Firmen von Hans-Peter Walter ist überhaupt nicht erfolgt. Der Grund: Rechtlich übersteige eine solche Prüfung die Möglichkeiten eines Audits, so der Bericht von „Muller et Associés“. Ein Punkt, den auch Joëlle Welfring im Parlament noch einmal betonte: „Das Gesetz von 2019 zum Firmengeheimnis erlaubt es uns nicht, interne Daten von Gesellschaften einzusehen. Hier müssen wir unsere Grenzen anerkennen. Es ist nicht so, dass wir das nicht kontrollieren wollten, wir konnten es nicht.“

Fragezeichen über Finanzgebaren

Es ist besonders dieser Punkt, den die Opposition bei der Abstimmung zum neuen Finanzierungsgesetz zur „SuperDrecksKëscht“ vehement kritisierte. Denn dabei handelt es sich um die Krux in der Ausführung der SDK. Die zentrale Frage lautet: Wie kann es sein, dass der Staat einer Firma Steuergelder in Millionenhöhe überlässt, ohne zu wissen, ob und wie diese Gelder in Firmen fließen, an denen der Firmeneigentümer Hans-Peter Walter Anteile hält?

Eine Antwort auf diese Frage hat das Umweltministerium bis dato nicht geliefert. Vor dem Parlament betonte Joëlle Welfring jenen Punkt, den bereits ihre Vorgängerin wiederholt unterstrichen hatte: Die Umweltverwaltung sei zunächst Kunde bei der Firma OSL und als solcher überprüfe man minutiös die Rechnungen, die für die einzelnen Leistungen erstellt würden, so die Ministerin. Und dabei komme es ja auch zu Korrekturen durch ihre Verwaltung. Dies sei auch durch das Audit bestätigt worden, erklärte die Umweltministerin. Bei allem, was darüber hinausgehe, müsse man schlicht die eigenen rechtlichen Grenzen anerkennen.

Damit bleiben elementare Fragen im Dossier „SuperDrecksKëscht“, die bereits im Zuge der Recherchen von Reporter.lu aufgeworfen wurden, aber bis auf Weiteres ungeklärt. Etwa jene, wie es sein kann, dass die Eigentümer einer Firma, die den Staat als einzigen Kunden hat, sich Dividenden in Höhe von 1,5 Millionen Euro ausschütten können. Ungeklärt bleibt auch, wieso die OSL-Bilanzen 2018 und 2019 nur ein eingeschränktes Prüfurteil erhalten hatten, weil zwei Bilanzforderungen in Höhe von vier beziehungsweise 3,7 Millionen Euro nicht verifiziert werden konnten?

Ministerium will weiter nachbessern

Auch rechtlich bleiben nach der Verabschiedung des Finanzierungsgesetzes einige Fragen offen. So sah etwa das SDK-Gesetz von 2005 vor, dass nur ein Unternehmen den Auftrag erhalten könne, das keine Abfalltransporte durchführt. Der Vertrag mit dem Staat ist in diesem Punkt klar. Wie Recherchen von Reporter.lu belegen und das Audit von „Muller et Associés“ bestätigte, hielt Hans-Peter Walter zu diesem Zeitpunkt die Mehrheitsanteile an der „CCN SA“, einer Firma die eben just diese Abfalltransporte anbietet. Durch das nachträgliche Finanzierungsgesetz bleibt dieser rechtliche Makel bei der Vertragsvergabe bestehen.

Dieses Dossier ist ein Paradebeispiel für Intransparenz und dafür, wie man Bürgerinnen und Bürger in die Politikverdrossenheit treibt.“Gilles Roth, Co-Fraktionsvorsitzender der CSV

In anderen Punkten hat die Regierung derweil bereits nachgebessert. So erklärte Umweltministerin Joëlle Welfring vor dem Parlament, dass die Markenrechte für die „SuperDrecksKëscht“ seit dem 9. Juni beim Staat liegen. Davor war Hans-Peter Walter als Markeneigentümer eingetragen. Außerdem hat die Regierung das sogenannte „Comité d’accompagement“ wiederbelebt. Das Gremium soll für eine bessere Kontrolle der SDK sorgen. In ihm sind unter anderem Mitglieder der „Inspection générale des finances“ vertreten.

Zudem hat die neue Umweltministerin angekündigt, dass sie einen externen Experten beauftragen werde, um eine „kritische Begleitung“ der Aktion „SuperDrecksKëscht“ zu garantieren und Fragen, die das Audit aufgeworfen hatte, zusätzlich zu vertiefen. Denn auch sie wolle, so die Ministerin, „Gewissheit haben“, was die Klärung dieser Fragen betreffe. Ebenso kündigte die Nachfolgerin von Carole Dieschbourg an, dass sie regelmäßig das Parlament über die Fortschritte bei der Umsetzung der Empfehlungen aus dem Audit informieren wolle.

Mögliche juristische Schritte

Der Opposition reichten diese Zugeständnisse jedoch nicht. Geschlossen forderten CSV, ADR, Déi Lénk und die Piraten die Einberufung eines Untersuchungsausschusses zur „SuperDrecksKëscht“. Die Resolution wurde jedoch von den Mehrheitsparteien abgelehnt. Daran besonders pikant: Der reformierte Verfassungstext erlaubt künftig die Einberufung einer „Commission d’enquête“ ohne die Zustimmung der Mehrheit im Parlament – dann reichen nämlich 20 Stimmen. Die Abstimmung über das entsprechende Kapitel der Verfassungsrevision steht jedoch noch aus.

Auch die Motion für eine Neuausschreibung der „SuperDrecksKëscht“ scheiterte an den Stimmen von Blau-Rot-Grün. Ob nun die Kritik an der SDK allerdings endgültig abebbt, ist fraglich. So kündigten etwa die Piraten bereits an, rechtliche Schritte prüfen zu lassen. Bereits vor der Abstimmung hatte die Partei ein eigenes juristisches Gutachten in Auftrag gegeben. Dieses kam zu einem ähnlichen Schluss wie der Jurist Alain Steichen, der im Auftrag der „Cellule scientifique“ ebenfalls ein Gutachten zur Verfassungsmäßigkeit der „SuperDrecksKëscht“ erstellt hatte. Demnach sei es juristisch fraglich, ob der Vertrag mit dem Staat überhaupt nachträglich über ein Finanzierungsgesetz reguliert werden könnte.

Zudem wirft das Gutachten der Piraten die Frage auf, ob die enge persönliche Beziehung zwischen dem ehemaligen Direktor der Umweltverwaltung, Robert Schmit, und dem Multi-Unternehmer Hans-Peter Walter einen Interessenkonflikt darstelle. Die Opposition führte diesbezüglich wiederholt den Umstand an, dass der Sohn von Robert Schmit eine Anstellung in der sogenannten „SDK Akademie“ fand. Es ist eine weitere Erkenntnis, die auf die Recherchen von Reporter.lu aus dem Februar vergangenen Jahres zurückgeht.

Sollte sich der Verdacht eines Interessenkonflikts erhärten, könnte der Vertragsabschluss im Januar 2018 strafrechtliche Folgen haben. Auf Nachfrage von Reporter.lu betont der Piratenabgeordnete Marc Goergen, dass der Rechtsbeistand der Partei noch prüfe, ob man Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstatten werde oder nicht. Die ADR teilte ihrerseits in einem Presseschreiben mit, dass sie bereits im vergangenen Jahr die „Cellule de renseignement financier“ (CRF) auf die SDK-Affäre aufmerksam gemacht habe. Nach der jüngsten Abstimmung im Parlament habe die Partei die CRF in einem weiteren Schreiben nochmals an den Fall erinnert.


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