Mit der Legalisierung soll Cannabis nicht mehr das Geschäft von Kriminellen sein, sondern von Unternehmen. Rund um die Reform entwickelt sich ein neuer Geschäftszweig. Inwiefern der Staat dadurch finanziell profitieren kann, ist allerdings noch unklar.

Christophe Tamai ist nicht abgeneigt. „Die Cannabis-Legalisierung ist eine Chance für uns“, sagt der Gründer des CBD-Shops „La Cannatèque“. „Uns wird interessieren, unter welchen Bedingungen man eine Lizenz zum Verkauf erhalten kann“, erklärt er vorsichtig. Mit der Legalisierung von Cannabis könnte er sein Business schnell ausbauen, eine breite Palette an Produkten anbieten, mehr Zubehör. Konkretes habe er noch nicht geplant, er warte die Entscheidungen der Regierung ab.

So wie Christophe Tamai stehen auch schon andere in den Startlöchern. Laut Informationen von REPORTER gehören dazu mehrere Unternehmer aus dem Gastronomiegewerbe der Hauptstadt, aber auch größere Firmen. Viele warten nur noch auf grünes Licht. Geht es nach Gesundheitsminister Etienne Schneider (LSAP) und Justizminister Felix Braz (Déi Gréng) soll bereits im Herbst ein erster Gesetzentwurf stehen. Noch in dieser Legislaturperiode soll die Legalisierung kommen. Dann kann Gras industriell angebaut, verkauft und ganz legal konsumiert werden.

Es gehe aber nicht darum, „Kiffen zu promoten“, so Etienne Schneider während einer Pressekonferenz vor einigen Wochen. Offiziell wird die Regulierung als Gesundheitsmaßnahme verkauft. Alles, was der Staat dadurch an Geld einnehmen wird, soll in Prävention, Aufklärung und die Betreuung von Drogenabhängigen fließen. Wie viel Geld das sein wird? Weiß man nicht. Man befinde sich noch in der Phase des sogenannten „Fact Finding“, heißt es von offizieller Seite.

Wann genau Cannabis zum legalen Geschäft wird, in welcher Form und unter welchen Bedingungen, ist noch nicht geklärt. Doch dass sich hinter der staatlichen Regulierung große wirtschaftliche Potenziale verbergen, lässt sich schon jetzt erahnen. Mit Gras lässt sich gutes Geld machen.

Das Problem mit den Steuern

Für den Staat wäre das am einfachsten über den Weg von Steuern. Beim Thema Mehrwertsteuer (TVA) herrscht jedoch noch etwas Unklarheit. Aus dem Finanzministerium heißt es, dass auf jegliche THC-haltige Produkte die in Luxemburg üblichen 17 Prozent anfallen werden, falls Cannabis legal wird („en cas de légalisation“). Aus dem Gesundheitsministerium heißt es dagegen, dass wohl keine Mehrwertsteuer oder Akzisen erhoben werden können. Begründung: Cannabis sei innerhalb der EU ein illegales Produkt. Und auf illegalen Produkten oder Dienstleistungen wird keine TVA berechnet.

So ist auch die Lage in den Niederlanden, wo Cannabis zwar toleriert, aber nicht legal ist. Auf Marihuana und Haschisch kann demnach auch keine Mehrwertsteuer erhoben werden. Doch anders als das Land der Coffeeshops will Luxemburg ja den Weg der vollen Legalisierung gehen, wie es auch im blau-rot-grünen Koalitionsvertrag steht. Auf nochmalige Nachfrage heißt es aus dem Gesundheitsministerium, dass eine interministerielle Arbeitsgruppe dabei sei, Details des Projekts zu analysieren. Weitere Aussagen wären reine Spekulation.

Trotz aller Unklarheiten sind gewisse Geldquellen für den Staat aber sicher. Ob über die Mehrwertsteuer, Akzisen oder andere Methoden: Der Staat wird durch die Legalisierung zusätzliche Einnahmen generieren, heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung des Gesundheits- und Justizministeriums.

Vorerst gibt es in Shops wie „La Cannatèque“ nur Cannabis-Produkte mit CBD-Gehalt. (Foto: Matic Zorman)

Unabhängig von der Form und des Aufkommens direkter Steuern, werden neue Business-Modelle entstehen. Will heißen: Es fallen Körperschaftssteuer, Gewerbesteuer, Lohnsteuer und Sozialabgaben an. Die privaten Verkaufsstellen werden voraussichtlich Gewinne erzielen und neue Arbeitsplätze schaffen. Zudem sollen strafrechtliche Verfolgungen von Konsumenten komplett wegfallen, auch so könnte der Staat Geld einsparen. Wie viel? Kann niemand so genau sagen. Will auch niemand, immerhin soll laut Regierung mit der Legalisierung keine Industrie gefördert werden. Dass eine neue Industrie entsteht, kann aber niemand verhindern – und auch niemand verneinen.

Interessant ist dabei ein Blick nach Deutschland. Dort ist eine Legalisierung zwar nicht in Sicht. Der deutsche Hanfverband hat aber bereits eine Studie in Auftrag gegeben, die zeigt, wie profitabel eine Legalisierung für den deutschen Staat sein könnte. Der Fiskus könnte 2,4 Milliarden Euro einnehmen – und zwar pro Jahr. Alleine für die Umsatzsteuer berechnet die Studie über 400 Millionen Euro, bei der Körperschaftssteuer sollen es fast 90 Millionen Euro jährlich sein.

Wie Kanada mit Gras Geld macht

In Kanada, dem ausdrücklichen Modell für Luxemburgs Legalisierungspläne, fällt pro Gramm Cannabis ein Dollar an Verbrauchersteuer an – ähnlich wie bei Alkohol und Tabak. Etwa 75 Prozent dieser Einnahmen gibt der Staat an die einzelnen kanadischen Provinzen ab. Zusätzlich dazu können Verkaufsstellen in den Provinzen eine eigene Umsatzsteuer auf ihren Produkten berechnen. Inklusive aller Steuern zahlt der Verbraucher in Kanada im Durchschnitt etwa zehn Dollar (6,5 Euro) für ein Gramm Cannabis.

Der kanadische Staat nahm so von Oktober 2018 bis Jahresende 112,5 Millionen Dollar ein. Das ist weit weniger als erwartet, zeigt aber, dass für den Staat dennoch hohe Summen abfallen. Auch, wenn es sich um eine „Gesundheitsmaßnahme“ handelt, wie Minister Etienne Schneider immer wieder betont, wird Cannabis in Kanada wie ein Genussmittel vermarktet.

Das Beispiel Kanada zeigt auch, dass Luxemburg sich für die staatliche Regulierung gut aufstellen muss. Denn die Engpässe bringen mit sich, dass der Schwarzmarkt dort weiter besteht. Wer sein Gras nicht auf legalem Weg erhält, holt es sich anderswo. In Luxemburg liegt die Zahl der Bürger, die Cannabis schon einmal konsumiert haben, mit 23,3 Prozent über dem EU-Durchschnitt. Es müsste also dementsprechend im großen Stil angebaut werden. Und dafür braucht es wohl auch kapitalstarke Betriebe, die in das Business einsteigen.

„Green Rush“ auf Cannabis entfacht

Vor allem sie dürften von der drogenpolitischen Revolution profitieren, zeigt weiterhin das kanadische Beispiel . Seit der Legalisierung im Oktober 2018 gibt es in Kanada 179 Züchter, Verarbeiter und Verkäufer von Cannabis. Um die Wertpapiere von Cannabisfirmen entstand in der Finanzbranche schon ein erster Hype. Das kanadische Unternehmen „Canopy Growth“ konnte seine Mitarbeiterzahl innerhalb eines Jahres von 700 auf 2.700 steigen. Die Kleinstadt Smiths Falls, in der die Firma ihre Produktion hat, litt unter dem Untergang der Kohleindustrie. Heute erweckt sie zu neuem Leben.

Ähnlich ist die Situation in jenen US-Staaten, in denen Gras bereits legalisiert worden ist. Auch dort investieren Jungunternehmer in Plantagen, Geschäftsleute eröffnen Cannabis-Boutiquen, Busladungen von Touristen strömen in die neu eröffneten Cannabis-Shops. Experten sprechen von einem „Green Rush“.

Etienne Schneider hofft, dass mit der Cannabis-Regulierung neue High-Tech-Farmen aus dem Boden sprießen werden. Ähnlich wie die, die er in Kanada besuchen konnte. Dass der Bauer von nebenan oder der Hobbygärtner in seinem Gewächshaus Cannabis anbauen wird, hält er dagegen für unwahrscheinlich. Alles, was auf den Markt kommt, soll aus einem kontrollierten Anbau und aus sterilen Plantagen stammen. Alles „high tech“ eben.

Vom Schwarz- zum Massenmarkt

„Die Lizenzen für Produktion und Verkauf unterliegen in Kanada strengen Auflagen“, sagt Etienne Schneider. So soll es auch in Luxemburg sein. Wie viele Lizenzen es geben wird und nach welchen Kriterien sie verteilt werden, steht aber natürlich noch nicht fest. Klar ist nur: Wer eine Lizenz erhält, darf anbauen oder verkaufen. Je nachdem wie viele Anbieter es geben wird, könnte die Legalisierung aber einem kleinen Konjunkturprogramm gleichkommen.

Dass in Kanada Gras längst ein wachsender Geschäftszweig ist, zeigt zudem eine neue Gesetzgebung. Ab Oktober 2019 dürfen dort auch Esswaren und Getränke mit THC-Gehalt verkauft werden. Dann wird die Regel gelten: Je „higher“ der Konsument durch das Produkt wird, desto höher werden die Verkaufssteuern ausfallen. Cannabis wird damit immer mehr zum Genussmittel wie Alkohol und Tabak.

Das zeigen auch die Pläne von Konzernen wie Coca-Cola und Marlboro. Sowohl der Getränkeproduzent als auch der Tabakkonzern denken über einen Einstieg in das neue „grüne“ Business nach.  Spätestens wenn globale Multis auf den Zug mit aufspringen, hat der Nischenmarkt das Potenzial zum boomenden Massenmarkt. Auch im kleinen Luxemburg.


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