Luc Frieden will als CSV-Spitzenkandidat nach vorne schauen und sich nicht mehr mit seiner Ministerbilanz beschäftigen. Ein Gespräch über politische Verantwortung, kreative Finanzpolitik und warum er sein liberales Programm nicht gerne als liberal bezeichnet.

Interview: Christoph Bumb

Herr Frieden, in Ihrer Rede vor dem CSV-Konvent haben Sie gesagt, es sei „Zeit für einen Politikwechsel“. Warum sind ausgerechnet Sie die richtige Person, um diesen Politikwechsel zu verkörpern?

Es ist Zeit für einen Politikwechsel, weil es in dieser Regierung bei zu vielen Fragen unterschiedliche Meinungen gibt. Deshalb kommt das Land in diesen Bereichen nicht voran. Warum denkt meine Partei, dass ich die geeignete Person bin, um sie in diese Wahlen zu führen? Ich verfüge über Erfahrung in der Politik, aber auch im Privatsektor. In diesen Funktionen habe ich stets Entscheidungen getroffen, auch in schweren Zeiten. Und auch jetzt müssen wichtige Entscheidungen getroffen werden.

Sie übten in den vergangenen zehn Jahren kein politisches Amt aus. Viele Menschen werden Sie dennoch als Regierungspolitiker in Erinnerung haben, der zudem ein klares Profil hatte. Dieses Profil könnte man als liberal-konservativ zusammenfassen. Ist das noch immer der Fall?

Ich kann mit diesen Begriffen nicht viel anfangen. Mein Gesellschaftsbild ist breiter, als es diese Begriffe beschreiben könnten. Ich bin überzeugt, dass wir eine dynamische und wettbewerbsfähige Wirtschaft brauchen. Das ist wiederum die Grundlage für eine starke Sozialpolitik und eine ökologische Transition. All diese Dinge hängen miteinander zusammen. Deshalb bin ich der Meinung, dass uns Begriffe, die im Grunde aus dem 19. Jahrhundert stammen, nicht weiterhelfen.

Nicht jede Partei in dieser Regierung will mehr Wachstum.“

Starke Wirtschaft, Sozialstaat, Ökologie – das sind ja aber allgemeine Stichworte, die man von allen Parteien hört. Müsste die CSV sich in der Opposition nicht stärker von den anderen Parteien abgrenzen?

Ich finde, dass wir uns damit ganz klar abgrenzen. Die aktuelle Wirtschafts- und Umweltpolitik macht vielen Betrieben Schwierigkeiten und hindert sie daran, sich weiterzuentwickeln. Wir werben auch nicht mehr genug um ausländische Unternehmen, damit sie sich hier im Land ansiedeln. Auch die Sozialpolitik ist nicht gezielt und wirksam genug. Das Motto „Jeder bekommt alles“ ist keine effiziente Sozialpolitik. Eine wirklich soziale Politik muss jenen Leuten helfen, die ein spezifisches Problem haben. Da geht es allen voran um den Wohnungsbau, den Kern der aktuellen sozialen Probleme im Land. Zudem stelle ich fest, dass Luxemburg bei den erneuerbaren Energien in Europa Schlusslicht ist. Ich könnte noch weitere Beispiele nennen. In ihren Prinzipien sind sich alle Parteien der Mitte vielleicht ähnlich. Doch in der politischen Ausführung gibt es enorme Unterschiede.

Ihr Image gehört ja aber auch zu Ihrem politischen Kapital. Sie haben das Image früher auch selbst gepflegt. Stichwort „Sparminister“ oder „Law-and-Order“-Politik. Das sind ja aber Attribute, die auf tatsächlicher Politik beruhen, die Sie verantwortet haben …

Ich bin sehr stolz auf die Bilanz, die ich gemeinsam mit meinen Regierungskollegen erreichen konnte. Dazu gehören stabile Staatsfinanzen und auch das Prinzip, dass ein zivilisiertes Zusammenleben auf gewissen Regeln basiert. Ich bin auch stolz darauf, dass ich meinen Beitrag dazu leisten konnte, dass Luxemburgs Finanzplatz sich so positiv entwickeln konnte. Ich gehe jedoch nicht in diese Wahlen, um eine Bilanz zu verteidigen …