Eine deutsche Förderschule hatte bereits zugesagt. In letzter Minute jedoch verweigert das zuständige Amt die Einschulung von fünf Kindern aus Luxemburg. Als Grund wird Kapazitätsmangel angeführt. Doch der Fall deutet auf ein strukturelleres Problem hin.
Fünf Grundschüler und Grundschülerinnen aus Luxemburg sollten nach den Sommerferien die Förderschule Don Bosco im deutschen Wiltingen besuchen. Sie waren eingeschrieben und hatten vor wenigen Wochen die Unterlagen samt persönlichem Willkommensbrief von der Schule erhalten. Nach den Sommerferien in Rheinland-Pfalz sollte für die Kinder am 30. August gegen acht Uhr morgens der erste Schultag bei einem Treffen auf dem Schulhof beginnen.
Nun hat die zuständige Behörde in Trier die Einschulung der fünf Kinder an der Schule verweigert. In einer parlamentarischen Anfrage möchte Martine Hansen (CSV) wissen warum. „Was passiert mit den fünf Kindern, die ja schon benachteiligt sind und für die es leider in unserem Land kein geeignetes Schulangebot gibt?“, fragt die Abgeordnete.
Der Hintergrund: Für Kinder und Jugendliche mit spezifischem Förderbedarf gibt es in Luxemburg verschiedene Hilfen. Durch zusätzliche Betreuung soll ihnen der Besuch einer Regelschule ermöglicht werden, so lange es geht. Zur spezialisierten Beschulung können sie zudem in Klassen der Kompetenzzentren angemeldet werden, entweder ergänzend zum Besuch einer Regelschule oder auch ausschließlich. Die Entscheidung, ein Kind in einer Schule im Ausland anzumelden, wird erst getroffen, wenn die Nationale Inklusionskommission zu dem Schluss gekommen ist, dass eine angemessene Schulbildung und Betreuung für das Kind in Luxemburg nicht angeboten werden kann.
„Gute nachbarschaftliche Beziehungen“
Die Don-Bosco-Schule in Wiltingen ist eine Förderschule mit den Schwerpunkten Lernen und Sprache. Sie hat in den vergangenen Jahren immer wieder Schülerinnen und Schüler aus Luxemburg aufgenommen. Probleme hat es bisher nicht gegeben. Warum den fünf Kindern trotz Einschreibung nun doch noch kurzfristig abgesagt werden musste, kann die Schuldirektion aktuell nicht beantworten.
Die Entscheidung fiel jedoch auf höherer Ebene. Alexandra Forster ist Referatsleiterin in der Aufsichts- und Dienstleistungs-Direktion von Trier und zuständig für die Förderschulen in Rheinland-Pfalz. In ihrem Büro werden die Anträge für einen Besuch einer der Förderschulen geprüft, angenommen oder abgelehnt. Hier wurde die Entscheidung getroffen, die fünf Grundschüler und Grundschülerinnen aus Luxemburg trotz vorangegangener Zusage der Schule nach den Sommerferien nicht in die Don-Bosco-Schule aufzunehmen.
Wir können nichts einfordern, wir sind auf den guten Willen der zuständigen Behörden in Rheinland-Pfalz angewiesen.“Laurent Dura, Leiter der Abteilung für Inklusion im Bildungsministerium
„Vom Grunde her ist der Transfer von luxemburgischen Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in unsere Förderschulen nicht geregelt, es gibt auch kein formelles Kooperationsabkommen zwischen Luxemburg und Rheinland-Pfalz über die Aufnahme und die Duldung des Schulbesuchs“, schreibt Alexandra Forster auf Nachfrage von Reporter.lu.
In der Vergangenheit habe die Schulaufsicht Trier entsprechende Anträge jedoch stets „im Rahmen guter nachbarschaftlicher Beziehungen wohlwollend geprüft und – wo immer möglich – auch die Duldung des Schulbesuches ausgesprochen“, so die Referatsleiterin weiter. Entscheidend für die Aufnahme sei immer gewesen, ob entsprechende personelle und räumliche Kapazitäten an den betroffenen Schulen zur Verfügung stünden. „Dies ist in der Don-Bosco-Schule in Wiltingen derzeit nicht der Fall“, begründet Alexandra Forster gegenüber Reporter.lu das Zurückziehen der Einschreibung der fünf Kinder.
Hierarchien und Prozeduren
In Deutschland ist weder die Schulleitung noch der Schulträger befugt, über die Aufnahme von Schülern und Schülerinnen zu entscheiden. Das letzte Wort hat die Schulaufsicht des zuständigen Bundeslandes. Das heißt: Mit dem Versand der Einschreibungsbestätigungen an die fünf Kinder und ihre Familien aus Luxemburg hat die Schuldirektion der Don-Bosco-Schule Hierarchien nicht respektiert und formelle Prozeduren nicht eingehalten.
Mit dem Vorgänger von Alexandra Forster mag die Schulleitung der Don-Bosco-Schule sich auf diese Verfahrensweise geeinigt haben, unter der heutigen Referatsleiterin hingegen wird eigenständiges Handeln außerhalb des eigenen Kompetenzbereiches nicht geduldet. Sie revidierte den Beschluss der Schulleitung und machte die Einschreibungen rückgängig.

Mangelnde Kapazitäten sind besonders in Förderschulen keine Seltenheit, die spezifische Betreuung von Kindern und Jugendlichen verlangt nach zusätzlichem Personal, Expertise und Raum. Doch zu Lasten der Kinder aus Luxemburg hat sich auch internes Kompetenzgerangel ausgewirkt. Luxemburg ist in diesem Konflikt vorsichtig. Es existieren keine Kooperationsabkommen, man ist auf das Entgegenkommen der deutschen Behörden angewiesen.
„Das Ministerium hat umgehend Kontakt mit den rheinland-pfälzischen Behörden aufgenommen und es wird aktuell nach einer konstruktiven Lösung im Interesse der Kinder gesucht“, heißt es offiziell aus dem Bildungsministerium.
„Wir können nichts einfordern, wir sind auf den guten Willen der zuständigen Behörden in Rheinland-Pfalz angewiesen“, sagt Laurent Dura im Gespräch mit Reporter.lu. Es sei das erste Mal, dass Probleme bei der Vermittlung von Schülern und Schülerinnen aus Luxemburg ins grenznahe Ausland aufgetreten seien. „Natürlich ist es für die Kinder und ihre Familien denkbar unglücklich, wie das gelaufen ist“, betont der Leiter der Generaldirektion für Inklusion im Bildungsministerium.
Rückläufige Zahlen
Die Zahl der Schüler und Schülerinnen mit besonderem Förderbedarf, die aufgrund einer Empfehlung der nationalen Inklusionskommission im Ausland beschult werden, ist in den letzten Jahren rückläufig. Ende des Schuljahrs 2020/2021 waren 59 Schüler und Schülerinnen aus Luxemburg an Schulen im Ausland eingeschrieben, 2017/2018 waren es noch 73. Laurent Dura wertet diese Entwicklung als Erfolg der Schulreform von 2018, mit der durch die Einrichtung der Kompetenzzentren auch das Angebot für Kinder und Jugendliche mit besonderem Förderbedarf ausgebaut worden sei.
Von den aktuell im Ausland eingeschriebenen Schülern und Schülerinnen sind 16 Kinder im Grundschulalter, 26 besuchen die Sekundarstufe und 17 haben bereits die Volljährigkeit erlangt. Je nach sprachlichem Hintergrund besuchen die Kinder und Jugendlichen vor allem Schulen in Belgien (35 Einschreibungen) und in Deutschland (21 Einschreibungen). Außer mit der deutschsprachigen Gemeinschaft in Belgien gibt es keine Konventionen oder formelle Kooperationsabkommen. „Das war bisher auch nicht nötig“, erklärt Laurent Dura. Um den Bedürfnissen jedes einzelnen Schülers bestmöglich Rechnung tragen zu können, müsse die Annahme an einer ausländischen Schule von Fall zu Fall entschieden werden.
Bilaterale Gespräche im Herbst
Das Verhältnis zu den Behörden in Deutschland sei wegen des Falles nicht gestört. Auch finanzielle Hintergründe vermutet Laurent Dura bei der Entscheidung der deutschen Behörden hinsichtlich der fünf Grundschüler nicht. Er betont in diesem Zusammenhang, dass der Luxemburger Staat für alle entstehenden Kosten der Beschulungen im Ausland aufkomme. „Für jede eingeschulte Person schicken wir an die jeweiligen Schulen eine Kostenzusage“, erklärt der Beamte.
Beratungen über die zukünftige Zusammenarbeit mit den grenznahen deutschen Bundesländern hält Laurent Dura dennoch für sinnvoll. Nach dem mündlichen Abkommen zwischen den deutschen Behörden und dem Luxemburger Bildungsministerium im Jahr 2018 habe es aufgrund in der Praxis gut funktionierender Zusammenarbeit kaum noch Gespräche gegeben.
Wegen der aktuellen Situation seien aber nun bilaterale Gespräche mit den deutschen Kollegen und Kolleginnen für den kommenden Herbst geplant. „Sollte ein formelles Abkommen oder eine Konvention mit den deutschen Behörden nun gewünscht sein, werden wir uns sicher nicht dagegenstellen“, sagt der hohe Beamte. Unsichere Situationen wie jene der fünf Kinder und ihrer Eltern müssten in Zukunft unbedingt vermieden werden.
Pragmatische Lösungen gefunden
Für die aktuell Betroffenen kommen klärende Gespräche im Herbst jedoch zu spät. „Es wird für jedes Kind ein Schulangebot gefunden werden, das seinen Bedürfnissen entspricht, sei es in Luxemburg oder im nahen Ausland“, versichert das Bildungsministerium.
Diese politisch korrekte Aussage verschweigt jedoch ein grundsätzliches Problem: den Mangel an geeigneten Einrichtungen im Großherzogtum. Empfiehlt die nationale Inklusionskommission nämlich den Transfer ins Ausland, tut sie dies aus der Überzeugung heraus, dass für betroffene Kinder und Jugendliche eben kein passendes Betreuungs- und Beschulungsangebot in Luxemburg existiert.
Dank konstruktiver Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden können den betroffenen Kindern nun Schulplätze in anderen, grenznahen rheinland-pfälzischen Förderschulen angeboten werden.“Bildungsministerium
„Wir werden niemanden im Regen stehen lassen“, versichert Laurent Dura. Und auch Alexandra Forster zeigt sich zuversichtlich, dass für die fünf Kinder Alternativen gefunden werden: Sie prüfe aktuell, inwiefern die Schulaufsicht in Trier Plätze an anderen, grenznahen Förderschulen zur Verfügung stellen kann.
Und tatsächlich: Schneller als vorgesehen wendet sich das Bildungsministerium am Freitagnachmittag erneut an Reporter.lu. „Dank konstruktiver Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden können den betroffenen Kindern nun Schulplätze in anderen, grenznahen rheinland-pfälzischen Förderschulen angeboten werden.“
Einziger Wermutstropfen: Die fünf Kinder werden auf zwei Schulen in Trier, eine in Schweich und die Don-Bosco-Schule in Wiltingen aufgeteilt. Das mag einige organisatorische Hürden mit sich bringen, wie etwa bezüglich des Schultransportes, doch das Ministerium zeigt sich zuversichtlich: Jedes Kind erhalte nun ein „qualitativ gleichwertiges Angebot, das seinen Bedürfnissen entspricht“.