Sie kümmern sich um Mutter und Kind – sowohl vor, während, als auch nach der Geburt. Die Rede ist nicht von Hebammen, sondern von Doulas. Sie betreuen Schwangere, sind in Luxemburg aber keine anerkannte Berufsgruppe. Dennoch sind sie immer mehr gefragt.
Ein Kind zu bekommen ist ein Abenteuer. Es beginnt nicht erst mit der Geburt, sondern bereits mit der Schwangerschaft. Dabei sind jede Schwangerschaft und jede Geburt anders. Unkompliziert und bereichernd können sie sein, aber auch kräfteraubend oder sogar gesundheitsgefährdend. In jedem Fall eine Grenzerfahrung.
Viele Frauen haben Respekt vor dieser Erfahrung. Es ist eine emotionale Situation, doch gerade persönliche Empfindungen kommen in der Hektik eines Krankenhauses oder Kreißsaals aber oft zu kurz. Sogenannte Doulas wollen den Frauen dabei Abhilfe schaffen.
Der Begriff „Doula“ kommt aus dem Altgriechischen und bedeutet sinngemäß „Dienerin der Frau“. „Wir wollen eine emotionale Stütze für die Frau sein, auf ihre Wünsche, Ängste und Bedürfnisse eingehen“, sagt Lynn Wagener, die selbst seit gut einem Jahr als Doula arbeitet und ihre erste Geburt im April begleiten wird. „Wir reden mit den Frauen, können sie massieren, wir machen mit ihnen Yoga zur Entspannung oder geben ihnen Tipps fürs Stillen. Wir bereiten sie auf die Geburt selbst, aber auch auf die Zeit danach vor.“
Zum Wohle der Frau, aber nicht anerkannt
In den USA sind Doulas bekannt und anerkannt, in Luxemburg bahnen sie sich erst ihren Weg. Was sich eigentlich positiv anhört, hat einen Haken: Doulas haben in der Regel keine fundierte medizinische Ausbildung und sind keine anerkannte Berufsgruppe. Ganz anders als Hebammen, die in Luxemburg eine dreijährige Ausbildung durchlaufen oder in manchen europäischen Ländern gar einen Bachelor-Abschluss absolvieren müssen.
Doula kann eigentlich jeder werden. Aus- oder Weiterbildungen werden unter anderem in Deutschland oder Holland angeboten und dauern im Schnitt ein paar Monate. Oder sie werden als Blockseminare an Wochenenden angeboten. Von Seiten des Gesundheitsministeriums heißt es auf Nachfrage von REPORTER, dass die Betreuung durch eine Doula zwar zum Wohle der Frau sei. Es handle sich dabei aber nicht um einen in Luxemburg anerkannten Gesundheitsberuf.
Jede Geburtsbegleitung hat ihre Grenzen
Zugang zum Kreißsaal haben Doulas deshalb in der Regel nicht. Obwohl sie sich auch als Geburtsbegleiterinnen verstehen. „Wir sind dafür da, dass die Geburt ein möglichst positives Ereignis für die Frau wird. Sie soll selbst über die Situation bestimmen und sagen können, was gut für sie ist“, so Lynn Wagener. Zu oft werde über die Frau hinweg entschieden, was die Geburt zu einer negativen Erfahrung machen kann.
In Luxemburgs Krankenhäusern nachgefragt, ist das Feedback zu Doulas alles andere als positiv. „Das sind keine Professionellen, sie haben keine medizinische Ausbildung und sind nicht gleichzustellen mit einer Hebamme“, sagt Virginie Otto, Abteilungsleiterin der Geburtsstation im Centre Hospitalier Emile Mayrisch in Esch. „Eine Hebamme unterliegt der ärztlichen Schweigeplicht und weiß, was zu tun ist, wenn es zu Komplikationen während der Geburt kommt“, so Otto weiter. Das sei wichtig, immerhin halte man nicht nur ein, sondern gleich zwei und manchmal sogar noch mehr Leben zwischen seinen Händen.
Frauen sind während der Geburt lange alleine, denn Ärzte und Hebammen kümmern sich meist um mehrere Geburten gleichzeitig.“Doula Eliane Streitz
Auch im CHL findet man klare Worte. „Es ist ganz einfach: Die Frau wählt eine Person aus, die sie bei der Geburt dabei haben will. Das kann der Partner, die Mutter aber auch die Doula sein. Ansonsten gibt es zur Rolle der Doula bei uns auf der Geburtsstation nichts zu sagen“, sagt Elsa Do Carmo, Pflegedienstleiterin des Centre Mère et Enfant im CHL.
Tatsächlich gilt in Luxemburgs Krankenhäusern die Vorschrift, dass bei einer Geburt ein Gynäkologe, eine Hebamme und eine Begleitperson dabei sind. In der Regel wird die Frau von ihrem Partner begleitet. Theoretisch dürfte es aber auch die Doula sein.
Nachhilfe zur Unterstützung der Schwangeren
Eine, die bereits langjährige Erfahrung als Doula hat, ist Eliane Streitz von der Initiative Liewensufank. Sie weiß, dass Doulas und Hebammen verschiedene Aufgabenbereiche abdecken. Sie wolle aber auch gar nicht in den medizinischen Bereich der Hebammen eindringen. Dennoch ist sich Streitz sicher, dass die Doula auch ihre Daseinsberechtigung hat. „Frauen und ihre Partner sind während der Geburt lange alleine. Ärzte und Hebammen kümmern sich meist um mehrere Geburten gleichzeitig. Und nach Schichtende muss die Schwangere sich während ihrer Geburt erneut auf fremdes Personal einstellen.“
„Die Doula könnte bei der Geburt eine unterstützende Funktion einnehmen, zumal die Frau ihre Hebamme meist erst während der Geburt kennen lernt und die Hebamme innerhalb des Prozesses auch noch wechseln kann“, so Streitz weiter.
Auch wir würden gerne eine intensive Eins-zu-Eins-Betreuung anbieten, dafür fehlt uns aber die Zeit.“Anne Dahm, Hebamme
Weil aber meist kein Platz für die Doula im Kreißsaal ist, würde die Initiative Liewensufank in Vorbereitungskursen auch die Männer mit einbeziehen und ihnen zeigen, wie sie die Frauen unterstützen können. „Das gibt ihnen Sicherheit“, findet Eliane Streitz.
Ehrgeiziger sind die Pläne der Doulas im „LuxMamaClub“. Sie setzen sich mit der Initiative „Choice2haveadoula“ dafür ein, dass die Frau auch eine Doula mit ins Krankenhaus nehmen darf. Das Thema sei in Luxemburg immer noch sehr „sensibel“, so die Gründerin der Vereinigung, Marise Hyman. Sie kämpfe seit Jahren dafür, dass Doulas in den Kreißsälen zugelassen werden – bisher erfolglos.
Eine Unterstützung, die ihren Preis hat
Dafür kommen die Helferinnen vor allem vor und nach der Geburt zum Einsatz. „Was passiert, wenn das Baby erst einmal da ist? Wie wird er Alltag sich verändern? Was braucht ein Neugeborenes? Darüber sind sich werdende Eltern oft nicht im Klaren. Und wenn es dann soweit ist, sind sie oft überfordert“, so Eliane Streitz. Über Unsicherheiten beim Umgang mit dem Baby, beim Stillen oder gar bei der Rückbildung könnte eine Doula hinweghelfen.
Der Staat sieht nicht ein, dass die Frau mehr Unterstützung während und nach der Schwangerschaft braucht.“Anne Dahm, Hebamme
Diese Unterstützung hat aber auch ihren Preis. Lynn Wagener bietet ihre Dienste ab 1.200 Euro aufwärts an. „Ich habe unterschiedliche Packages, die ich aber individuell an die Bedürfnisse der Frau anpassen kann“, so die 28-Jährige. Die Hilfe nach der Geburt wird mit 50 Euro pro Stunde berechnet. Wie viele Stunden eine Mutter ausmachen will, ist flexibel.
Die Initiative Liewensufank berechnet eine Visite von anderthalb bis zwei Stunden mit 15 Euro, egal wie lange dieser dauert. „Wir haben zwar eine Konvention mit dem Familienministerium, müssen aber, in Vereinbarung mit dem Ministerium, trotzdem einen kleinen Betrag berechnen, um unsere Kosten decken zu können“, sagt Eliane Streitz.
„Das Emotionale bleibt auf der Strecke“
Wie sehen die Hebammen die mögliche neue Konkurrenz. Sie drücken sich eher vorsichtig aus. „Wir haben eine andere Ausbildung und ein anderes Wissen. Als Doula macht man eine nicht-medizinische Weiterbildung von ein paar Monaten. Das ist nicht das Gleiche“, so Anne Dahm von der Association Luxembourgeoise des Sages-Femmes.
Trotzdem kann sie nachvollziehen, warum Frauen und Paare auf die Unterstützung der Doulas zurückgreifen. „Auch wir würden gerne eine intensive Eins-zu-Eins-Betreuung anbieten – immerhin ist das Teil unseres Jobs. Dafür fehlt uns aber oft die Zeit“, so Anne Dahm. Es fehlt nämlich an Personal und ein entsprechendes Budget. „Wir sind unterbesetzt und rennen förmlich von Frau zu Frau. Das Emotionale bleibt dabei manchmal auf der Strecke“, sagt sie. „Wir werden oft nur auf das Medizinische reduziert.“
Das Problem liegt demnach auch am Gesundheitssystem, sagt Anne Dahm. „Der Staat sieht nicht ein, dass die Frau mehr Unterstützung während und nach der Schwangerschaft braucht.“ Ein paar Stunden Hebammen-Betreuung werden rückerstattet, das reiche aber nicht aus.
„Wenn eine Frau sich mehr Unterstützung wünscht und sich eine Doula privat leisten kann, brauchen Staat und Gesundheitskasse sich natürlich nicht weiter zu kümmern“, so Anne Dahm. „Das machen ja die Privatpersonen selbst.“
Hebammen fordern selbst Verstärkung
Die Zahl der Geburten bleibt in Luxemburg seit einigen Jahren konstant. Im Jahr 2015 wurden 6.115 Kinder geboren, 2016 waren es 6.050 und 2017 6.174. Die Hebammen selbst sagen, sie bräuchten Verstärkung, um den Frauen eine bessere Stütze zu sein. Die Hebammen-Ausbildung am LTPS gehen im Schnitt 18 Auszubildende pro Jahrgang an, aber nur etwa ein Drittel schließt sie auch tatsächlich ab. Verstärkung durch Doulas ist aber nicht unbedingt die Hilfe, die sie sich wirklich wünschen. „Unser Beruf muss aufgewertet und besser bezahlt werden“, sagt Anne Dahm.
Mit den Doulas würde die Schwangerschaftsbetreuung nur in die Privathände geraten. Das erschwere aber den Stand der Hebammen. „Wir wären gerne mehr bei den Frauen, würden sie gerne intensiver betreuen und unseren Beruf wie früher ausüben. Deshalb kämpfen wir dafür, dass unsere Arbeit aufgewertet wird“, sagt die erfahrene Hebamme. Jede schwangere Frau habe das Recht auf eine angemessene medizinische und emotionale Betreuung.
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