Die Welt ist längst digital – und die Gesundheit soll es noch werden. Das angekündigte neue Zahlsystem in Luxemburgs Arztpraxen ist eine überaus ehrgeizige Reform. Vor allem, wenn man bedenkt, wie sehr das Gesundheitssystem bei der Digitalisierung hinterherhinkt. Ein Kommentar.
„Es wird niemand mehr warten müssen“, versprach Premier Xavier Bettel bei der Verkündung des Koalitionsabkommens. Der Arzt nicht auf sein Geld, die Gesundheitskasse nicht auf die Rechnung, der Patient nicht auf seine Rückerstattung. Die Mission, die sich die Regierung mit dem neuen Koalitionsabkommen gegeben hat, ist klar: Das Luxemburger Gesundheits- und Versicherungssystem von Grund auf ändern, vereinfachen, und vor allem digitalisieren. Ein elektronisches Zahlsystem, durch das die Arztkosten sofort nach der Bezahlung in der Praxis zurückerstattet werden, soll es möglich machen. Vorteile für alle – Digitalisierung sei Dank.
Geht der Plan auf, hat Bettel recht. Vor allem in einer Gesellschaft, die immer älter wird und immer häufiger zum Arzt muss, liegen die Vorteile eines schnellen, direkten Rückzahlsystems auf der Hand. Und auch soziale Ungleichheiten könnten dadurch aus dem Weg geräumt oder zumindest verringert werden.
Die Regierung will erst einmal « untersuchen »
Eine schnelle Rückerstattung hört sich (vor allem für die Patienten) demnach gut an, ist aber alles andere als einfach. Und alles andere als gesetzt. Denn in seiner Regierungserklärung drückt der Premier sich beim Thema Umstieg auf ein elektronisches System mehr als vage aus. Nur so viel: Die „Möglichkeit“ eines solchen Systems werde „untersucht“, sagt Bettel. Vom überzeugten « Es wird niemand mehr warten müssen » ist plötzlich nicht mehr viel übrig.
Schon alleine das zeigt, dass die Umsetzung eigentlich ein Mammutprojekt ist. Die Idee ist gut, alles Weitere schwierig. Die Versicherungskarten der Patienten müssen angepasst, das Zahlsystem in den Arztpraxen und die Rückerstattung der CNS komplett überarbeitet und erneuert werden. Kurz: Alle müssen technisch aufrüsten. Das kostet nicht nur Geld (wie viel wird an keiner Stelle des Abkommens erwähnt), sondern auch jede Menge Zeit.
Das Problem mit der digitalen Patientenakte
Zeit, die der Staat eigentlich nicht hat. Hinkt er doch schon lange bei der Digitalisierung des Gesundheitssystems hinterher. Bestes Beispiel dafür ist die elektronische Patientenakte. Das sogenannte Dossier de soins partagé (DSP) müsste eigentlich seit Anfang 2018 in Kraft sein. Dabei werden medizinische Daten des Patienten gesammelt und digital aufbewahrt – von der Wurzelbehandlung beim Zahnarzt bis hin zu den Röntgenbildern nach der Knie-OP. Der Arzt hat auf alles Zugriff, kann sich die nötigen Informationen schnell heraussuchen.
Das Projekt hört sich praktisch an, befindet sich allerdings immer noch in der Pilotphase – und das bereits seit 2015. Immer wieder schalten sich COPAS, AMMD und die Kommission für Datenschutz ein. Die Stellungnahme des Staatsrates kam erst im Oktober, und dann waren da auch noch Wahlen… Mit dem DSP ging es die vergangenen Monate schleppend bis gar nicht voran.
Dabei hatte Gesundheitsministerin Lydia Mutsch (LSAP) im Gespräch mit REPORTER im Frühling angekündigt, man wolle „noch dieses Jahr in die Umsetzungsphase“ gehen. Bis jetzt ist es nicht dazu gekommen. Es wird also Aufgabe des neuen Gesundheitsministers Etienne Schneider (LSAP) sein, die Baustelle der digitalen Patientenakte in Angriff zu nehmen und endlich abzuschließen.
Die Umsetzung dürfte auf sich warten lassen
Sein LSAP-Kollege und Sozialversicherungsminister Romain Schneider muss das elektronische Rückzahlsystems in Angriff nehmen. Und wie bei der digitalen Patientenakte werden auch bei diesem Vorhaben die unterschiedlichen Akteure mitmischen wollen. Verständlicherweise.
Ankündigen ist demnach eine Sache. Offensichtlich ist aber, dass die Umsetzung des digitalen « Tiers payant » für die Regierung alles andere als einfach wird. Und fest steht schon jetzt: Wenn die elektronische Erstattung mehr als nur eine „Möglichkeit“ sein soll, muss der Patient wohl noch ein bisschen warten.