135 Millionen Euro kostete die günstige Besteuerung von Aktienpaketen von Managern den Staat 2017. Finanzminister Pierre Gramegna legt erstmals konkrete Zahlen zu den „stock options“ vor. Doch die wichtigste politische Frage beantwortet er nicht.

Der Steuervorteil auf „stock options“ ist ein hochpolitisches Thema, das fast alle Parteien in ihren Wahlprogrammen aufgreifen. Déi Gréng, LSAP und CSV wollen die Begünstigung in ihrer aktuellen Form mittelfristig abschaffen, die DP schweigt.

Bisher fehlten allerdings konkrete Zahlen, um das Phänomen einschätzen zu können. Nun legte Finanzminister Pierre Gramegna (DP) Details offen. 2017 lag der Steuerausfall aufgrund der Begünstigung bei 135 Millionen Euro, 2016 waren es 112 Millionen Euro. Das geht aus einer Antwort des Ministers auf eine Anfrage seines Parteikollegen Eugène Berger hervor.

In zwei Jahren kostete die Steuerbegünstigung demnach knapp eine Viertelmilliarde Euro. Das ist für den Staat eine substantielle Summe. Zum Vergleich: 345 Millionen Euro kostet die Tramstrecke zwischen Luxexpo und dem Bahnhof. Oder: Die Haushaltsausgleichsteuer von 0,5 Prozent brachte 2015 und 2016 nur 158 Millionen Euro ein.

Eine Steuervergünstigung für die 0,9 Prozent

Doch um was geht es? „Stock options“ sind Aktienpakete, mit denen ein Unternehmen seine Manager bezahlen kann. Dabei ist es egal, ob die Aktien irgendetwas mit dem Unternehmen selbst zu tun haben. Banken bieten sogenannte „warrants“ an, die an einen wichtigen Aktienindex angelehnt sind, aber gegen Verluste abgesichert sind. 2016 entsprachen 85 Prozent der „stock options“ diesem Modell. Das Risiko ist in diesem Fall null, anders als wenn es um die Aktien eines konkreten Unternehmens geht.

Auf dem Wert dieser Pakete sind seit Anfang des Jahres 21 Prozent Steuern fällig, zwischen 2012 und 2017 lag der Steuersatz bei lediglich 12,5 Prozent. Dieser Satz ist allerdings nicht so im Rundschreiben definiert, sondern ergibt sich aus der Berechnungsmethode, die die Steuerverwaltung vorgibt. Eine Einschränkung ist, dass dieser Steuervorteil nur für Manager (also leitende Angestellte) gilt. Bis zur Hälfte ihrer gesamten Vergünstigung inklusive Boni darf aus „stock options“ bestehen. Die Maßnahme beruht nicht auf einem Gesetz, sondern auf einem Rundschreiben des Direktors der Steuerverwaltung, das mehrmals erneuert wurde.

Das System hat allerdings konkrete Folgen für die Gerechtigkeit des Luxemburger Steuersystems. Im Prinzip gilt die progressive Besteuerung: Je höher das Einkommen, desto höher der Steuersatz. Seit der Steuerreform 2017 gelten 41 Prozent ab 150.000 und 42 Prozent für den Teil des Einkommens, das 200.000 Euro übersteigt. Doch die „stock options“ erlauben, diesen Spitzensteuersatz zum Teil zu umgehen. Die Zentralbank kritisierte den Steuervorteil 2017 deutlich und sprach von der „Illusion der Progression“.

Es ist zudem ein Steuervorteil für die „happy few“. Der Steuerverwaltung wurden 2017 insgesamt 3.704 Angestellte gemeldet, die ein steuerbegünstigtes Aktienpaket erhielten. Das entspricht knapp 0,9 Prozent aller Beschäftigen im Land. 2016 waren es 3.065 Angestellte, sprich 0,7 Prozent. Erst ab 2016 zwang die Steuerverwaltung die betroffenen Unternehmen zu melden, wie viele Aktienpakete sie verteilten. Laut Finanzministerium profitieren vor allem Angestellte aus dem „Ökosystem des Finanzplatzes“ von diesem Steuervorteil.

Ein Steuergeschenk von durchschnittlich 36.500 Euro

Da nun zum ersten Mal Zahlen vorliegen, ist es auch möglich zu schätzen, wie hoch der Gewinn für den einzelnen Manager ist. Trotz der Schwankungen in der Zahl der Begünstigten liegt der Steuerausfall pro Aktienpaket sowohl 2016 als auch 2017 im Schnitt bei knapp 36.500 Euro. Das ist mehr als viele Menschen überhaupt pro Jahr verdienen.

Nun weiß man zwar, wie hoch das Steuergeschenk des Staates ausfällt, kennt aber nicht die Höhe des Gehaltes, das in Aktienpaketen gezahlt wird. Das Problem ist, dass der Steuerausfall von der individuellen Situation abhängt (die Steuerklasse, das „normale“ Gehalt usw.). Dazu kommt, dass der Wert des Aktienpakets besteuert wird, nicht aber der Kursgewinn. Gegenüber einem « normalen » Gehalt bieten die « stock options » also noch eine weitere Gewinnmöglichkeit.

Einen Hinweis auf die Höhe der Gehälter gibt lediglich ein Bericht des „Lëtzebuerger Land“ über ein geheimes Treffen der Big Four Anfang 2016. Da die „stock options“ zunehmend zum Politikum wurden, wollten die Beratungsfirmen sich absprechen. Es sind sie, die anderen Unternehmen Aktienpakete für deren Angestellte gestalten. Resultat: Nur Manager mit einem jährlichen Gesamteinkommen von über 350.000 Euro sollten in den Genuss von „stock options“ kommen. Damit sollte der Steuerausfall begrenzt werden.

Die falsche Schätzung des Finanzministeriums

Diese „Selbstkontrolle“ der Big Four ist möglicherweise auch der Grund für seltsame Zahlenspiele in der Debatte. Denn bevor Gramegna nun Daten vorlegte, schwankten die Schätzungen zwischen 100 und 300 Millionen Euro. Gramegna selbst präsentierte im Januar 2017 eine Schätzung, die bei 150 bis 180 Millionen Euro lag. Nun freut er sich in seiner Antwort an Berger, Roth und Adehm, dass der Steuerausfall ja jetzt mit 135 Millionen Euro deutlich geringer sei.

Doch warum lag das Ministerium so offensichtlich falsch? Es ist davon auszugehen, dass die Beamten entweder von mehr Begünstigten ausgingen oder von höheren Werten der Aktienpakete. Den Zuwachs zwischen 2016 und 2017 an Begünstigten erklärt der Finanzminister mit dem Brexit. Das habe dazu geführt, dass weitere Unternehmen sich in Luxemburg niedergelassen hätten.

Da seit Januar der Steuersatz von 21 Prozent gilt, geht das Finanzministerium für 2018 allerdings von einem wesentlich niedrigeren Steuerausfall als in den Jahren zuvor aus – die Rede ist von 60 bis 80 Millionen Euro.

Kommt ein Gesetz oder doch nicht?

Anlässlich der Steuerreform 2017 gerieten die „stock options“ vermehrt ins Blickfeld der Politik. Gerade die CSV sprach von Missbräuchen der Maßnahme. In ihrem Wahlprogramm fordert sie nun eine gesetzliche Regelung. Auch Finanzminister Pierre Gramegna stellte dies in Aussicht. Alles andere als ein Gesetz führe zu juristischer Unsicherheit. Andere Politiker wie der LSAP-Abgeordnete Franz Fayot sprachen von einer problematischen Maßnahme, weil laut Verfassung jede Steuerregelung per Gesetz festgelegt werden muss.

Doch dann intervenierte der Präsident des Wirtschaftsverbandes UEL Michel Wurth per Brief beim „Cher Pierre“, wie das „Land“ berichtete. Wurth riet von einem Gesetz ab, das dauere zu lange und provoziere eine unnötige öffentliche Debatte. Im Dezember 2017 kam dann ein neues Rundschreiben, das auf Umwegen den Steuersatz auf 21 Prozent festsetzt.

Eine weitere Reform steht dennoch noch auf der Agenda. So sieht es auch die Antwort Gramegnas auf die zitierte parlamentarische Anfrage vor. Die „stock options“ sollen auf Aktien des Unternehmens begrenzt werden, in dem der Manager arbeitet, so der Finanzminister. Alternativ könne sich das Aktienpaket an einem Index orientieren, der repräsentativ für die Branche sei. Was das heißt, wenn die Mehrheit der Begünstigten im Finanzsektor arbeitet, bleibt unklar. Letztlich würde dies dem Status quo entsprechen.

Genauso fraglich ist, ob Gramegna überhaupt noch einen Gesetzesentwurf vorlegen wird. Auf Nachfrage heißt es aus dem Finanzministerium: Wie man eine solche Reform praktisch umsetzen solle, prüfe man gerade.