Jeder zehnte Bewohner eines Altenheims kann sich seine Unterkunft nicht leisten. Über den Solidaritätsfonds kommt der Staat diesen Menschen zwar zu Hilfe. Doch erschwingliche Preise für jeden sind dennoch noch immer nicht Realität.
Preise zwischen 2.100 und 6.000 Euro für ein Einzelzimmer: „Das können sich doch nur Menschen leisten, die auch schon während ihrer Arbeitszeit sehr hohe Löhne hatten, etwa Minister, Manager oder Anwälte.“ Das ist nur eine Aussage eines REPORTER-Lesers. Angesichts der hohen Preise in Luxemburgs Alten- und Pflegeheimen sorgte unser Artikel für viele Reaktionen.
Recherchen von REPORTER ergeben, dass jeder zehnte Bewohner eines Altenheims sich dieses nicht ohne staatlichen Zuschuss leisten kann. Vergangenes Jahr kamen 634 Menschen in den Genuss der staatlichen Hilfe. „Das ist eine beachtliche Zahl“, kommentiert Patrick Bissener des „Fonds national de solidarité“ (FNS). Insgesamt gibt es hierzulande 6.344 Betten in Alten- und Pflegeheimen.
Wenn der staatliche Zuschuss nicht ausreicht
In Luxemburg beläuft sich die Durchschnittsrente auf 1.477 Euro pro Monat für Frauen und 2.207 Euro für Männer. Männer, die ihr ganzes Leben in Luxemburg gearbeitet haben, beziehen im Schnitt 3.674 Euro, für Frauen bleiben die Altenheime aber mit 1.938 Euro weiterhin oft unbezahlbar. Ihnen kann der Solidaritätsfonds unter die Arme greifen.
Die Preise sind am absoluten Limit von dem, was sich einige Leute leisten können. » ULC-Präsident Nico Hoffmann
Der vorgesehene staatliche Zuschuss stößt allerdings an seine Grenzen. In der Theorie ist vorgesehen, dass der Staat den Unterschied zwischen dem Einkommen und den höheren Unterbringungskosten übernimmt. Recht großzügig war sogar noch das Taschengeld für den privaten Gebrauch eingerechnet, das sich heute auf 464,21 Euro beläuft.
Die Realität ist allerdings eine andere: Angesichts des maximalen Gesamtbetrags von 2.723 Euro, inklusive Taschengeld, kann in vielen Altenheimen kaum noch ein Bewohner dieses Geld für Nebenkosten nutzen. Das Problem ist offensichtlich: In vielen Einrichtungen fallen Zusatzkosten für Getränke, Wäsche oder gar einen Teil der Pflege an. Können diese finanziell nicht abgedeckt werden, ist das Leben im Altenheim faktisch unmöglich. Denn nicht alle können dann auf die finanzielle Unterstützung der Familie zurückgreifen.
Hinzu kommt, dass sich die Mindestpreise einiger Altenheime über dem Gesamtbetrag des Zuschusses bewegen. „Der vom FNS gezahlte Zuschuss reicht nicht für alle Unterkünfte aus. Die Preise einiger Altenheime übersteigen die angebotene Hilfe“, bestätigt auch der Verwalter des Solidaritätsfonds Patrick Bissener. Der Maximalbetrag wurde seit Jahren nicht mehr angepasst, wohingegen die Preise im Altenheim regelmäßig steigen.
Dies kritisiert auch der Konsumentenschutz ULC. „Die Preise sind am absoluten Limit von dem, was sich einige Leute leisten können“, beklagt ULC-Präsident Nico Hoffmann.
Die Ausgaben steigen, die Einnahmen nicht
Generell muss die Unbezahlbarkeit der Altenheime aber relativiert werden. Einige Betreiber wollen bewusst für alle Senioren finanziell zugänglich bleiben. „Wenn wir den Grundtarif festlegen, versuchen wir, ein Gleichgewicht zwischen den Ausgaben und den Einnahmen zu erzielen und achten darauf, dass dieser den Zuschuss des Solidaritätsfonds nicht übersteigt », erklärt Marc Theisen. Er ist der Leiter der Maredoc-Altenheime in Heisdorf. Die Zimmerpreise belaufen sich dort auf 2.539 Euro im Monat.
Es ist faktisch falsch zu sagen, dass es Menschen gibt, die nicht in ein Altenheim können, weil sie es sich nicht leisten können. Jeder kann sich dank des Zuschusses ein Zimmer leisten. »Familienministerin Corinne Cahen
Auch der beigeordnete Generaldirektor von „Homes pour personnes âgées“, Claude Erpelding, versichert: „Unsere Preise sind mit dem Zuschuss des Solidaritätsfonds vereinbar. Das bedeutet, dass im Prinzip jeder sich ein Zimmer bei uns leisten kann.“ Der Betreiber verwaltet Einrichtungen in Mamer, Redingen, Mersch, Grevenmacher, Clervaux und der Hauptstadt.
Claude Erpelding verrät aber auch, dass es nicht ganz einfach sei, Preise im Einklang mit dem Zuschuss des FNS anzubieten. Letzterer wird gegenwärtig lediglich bei Index-Anpassungen erhöht. Die Personalkosten entwickeln sich dagegen gemäß der vorgesehenen Kollektivverträge. Soll heißen: Die Ausgaben steigen, die Einnahmen nicht – zumindest nicht, wenn man weiterhin für alle Bevölkerungsschichten zugänglich bleiben will. „Langfristig kann das ein Problem darstellen“, warnt Erpelding.
Erschwingliche Seniorenheime für alle?
Eine niedrige Rente soll also niemanden davon abhalten, im Alten- oder Pflegeheim zu leben. De facto passiert das aber trotzdem. Zum Thema befragt, meint Familienministerin Corinne Cahen (DP): „Es ist faktisch falsch zu sagen, dass es Menschen gibt, die nicht in ein Altenheim können, weil sie es sich nicht leisten können. Jeder kann sich dank des Zuschusses ein Zimmer leisten.“ Dazu erklärt sie, dass es im Land eben doch Seniorenheime gibt, die erschwinglichere Preise anbieten.
Was sie eigenen Angaben zufolge nicht wusste, ist, dass günstigere Einrichtungen einigen Anwärtern versperrt bleiben. „Wir haben Übereinkommen mit Gemeinden, um den Einwohnern dieser Gemeinden den Vortritt in unseren Einrichtungen zu überlassen. Deshalb ist es so, dass Bewohner außerhalb dieser Gemeinden Schwierigkeiten haben, einen Platz bei uns zu bekommen“, unterstreicht etwa Claude Erpelding. Dies leuchtet angesichts des hohen Andrangs und des Platzmangels in Senioreneinrichtungen durchaus ein.
Dies erklärt auch, wieso nicht mehr FNS-Bezieher in den verhältnismäßig günstigeren Unterkünften unterkommen. Bei „Homes pour personnes âgées“ sind so lediglich 40 der 685 Bewohner auf die finanzielle Unterstützung des „Fonds national de solidarité“ angewiesen. Das sind knapp sechs Prozent – proportional weniger als die 10 Prozent, die landesweit den Zuschuss erhalten.
Ministerin will für Transparenz sorgen
Dass jeder zehnte Bewohner der Altenheime auf die finanzielle Hilfe des Staats angewiesen ist, findet auch Cahen bedenklich. « Das erklärt sich dadurch, dass in dieser Generation viele Frauen nicht berufstätig waren », so ihre Überzeugung. Für sie ist dies demnach kein Hinweis darauf, dass die Preise der Seniorenheime zu hoch angesetzt sind. „Es hängt immer davon ab, welche Leistungen im Unterkunftspreis inbegriffen sind », sagt die zuständige Ministerin.
« Es ist viel, wenn man 5.000 Euro im Monat zahlen muss und dann noch Zusatzkosten hinzukommen. Sind alle Leistungen im Preis mit inbegriffen, ist der Preis wiederum nachvollziehbar“, so Cahen weiter. Die DP-Politikerin stört vor allem, dass die Preise nicht transparent sind – das will sie ändern. Alle Einrichtungen sollen künftig dazu aufgefordert werden, ihre Preise auf ihrer Homepage zu veröffentlichen, damit direkte Preisvergleiche möglich sind.
Wir merken, dass die Unterkunftspreise steigen und es mit dem Zusatz des Solidaritätsfonds eng wird. »Familienministerium
Dass der Zuschuss des Solidaritätsfonds nicht immer ausreicht, weiß man auch im Familienministerium. « Wir merken, dass die Unterkunftspreise steigen und es mit dem Zuschuss des Solidaritätsfonds eng wird », so die Aussage aus Cahens Verwaltung. Im Regierungsprogramm wurde bereits festgehalten, den Zusatzbetrag zu überarbeiten. Doch muss davor noch der genau Bedarf ermittelt werden. So fehlen beispielsweise Statistiken zu den Beziehern. So war nicht einmal in Erfahrung zu bringen, ob es sich bei den Beziehern hauptsächlich um Frauen ohne Rente handelt. Wann die Reform kommen soll, ist derzeit offen.
Bis dahin gilt wohl die Feststellung von Jacqueline Becker, die Anfragen des Seniorentelefons entgegennimmt. « Es kommt regelmäßig vor, dass die Menschen erschrocken sind, wenn sie die Preise erfahren und sich daraufhin überlegen, ob sie nicht trotzdem weiterhin zu Hause leben sollen. »
Was zahlt der Staat?
Die vom Solidaritätsfonds beigesteuerten Hilfen sind gemäß Einkommen und Unterkunftspreis sehr unterschiedlich. Im Dezember 2018 lagen die Beträge bei bis zu 2.723 Euro. Im Durchschnitt wurden pro Person 1.042 Euro im Monat ausbezahlt. Insgesamt steuerte der Staat vergangenes Jahr acht Millionen Euro bei. Dass die Nachfrage weiterhin hoch bleibt, zeigt die Tatsache, dass es vergangenes Jahr 188 neue Anträge für die Hilfe gab. Zwar gibt es heute 92 Bezieher weniger als 2012 – die vom FNS ausgezahlten Summen sind allerdings im selben Zeitraum um rund 275.000 Euro gestiegen.
Das bedeutet konkret, dass die Ausgaben pro Bezieher steigen und Letztere heute entweder ein niedrigeres Einkommen haben oder proportional teurere Preise in Altenheimen zahlen müssen. „Pro Person streckt der FNS häufig um die 40.000 bis 50.000 Euro vor“, erklärt Patrick Bissener des FNS. Summen, die der FNS spätestens nach dem Tod der Person wieder einzutreiben versucht. Doch ist dies längst nicht immer möglich. Die Einnahmen der vergangenen Jahre betrugen im Schnitt nur 20 Prozent der Ausgaben. Es sei davon auszugehen, dass die restlichen Summen nicht mehr eingetrieben würden, sagt Bissener.