Jedes Mal, wenn Sie jemanden anrufen oder Facebook checken, werden Daten gespeichert. Diese helfen der Justiz dabei, Verbrechen aufzuklären. Doch Richter haben diese Überwachung als grundrechtswidrig eingestuft. Trotzdem wollen die EU-Justizminister daran festhalten. Fünf Fragen und Antworten.
Was sind Vorratsdaten?
Vorratsdaten sind Informationen über Kommunikation mit Handys, Festnetztelefonen und die Internetnutzung. Die Provider wie etwa Post oder Tango müssen sogenannte Verkehrsdaten (wann, mit wem und wie lange kommuniziert wird) und Standortdaten (von wo aus) speichern. Der Inhalt etwa von Telefonaten oder Textnachrichten fällt nicht darunter. In Luxemburg müssen diese Daten während sechs Monaten vorrätig sein. Mit richterlichem Beschluss können Ermittler dann darauf zugreifen.
Warum braucht es diese Überwachung?
Europaweit sind sich Justizbehörden einig, dass sie diese Daten brauchen, um schwere Straftaten wie etwa Mord aufzuklären. Meist verweisen sie auf Verbrechen wie Terrorismus, Kindesmissbrauch oder Organisierte Kriminalität. Tatsächlich führte die EU die Vorratsdatenspeicherung 2006 ein – kurz nach den Attentaten in London (2005) und Madrid (2004). Wer mit wem wann kommuniziert, hilft den Behörden die Netzwerke der Täter aufzudecken und nachzuweisen. Sie betonen, dass dies rückwirkend möglich sein muss und nicht nur ab dem Zeitpunkt, an dem sie eine Straftat entdecken. Deshalb sei eine Speicherung auf Vorrat notwendig.
Warum ist das ein Problem?
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) urteilte 2014 und 2016, dass die Vorratsdatenspeicherung das Recht auf Privatsphäre und das Recht auf Meinungsfreiheit verletzt. Sie setzten die entsprechende Richtlinie von 2006 außer Kraft. Die Richter betonen: « Diese Daten ermöglichen insbesondere […] die Erstellung des Profils der betroffenen Personen, das im Hinblick auf das Recht auf Achtung der Privatsphäre eine genauso sensible Information darstellt wie der Inhalt der Kommunikationen selbst. » Ein Beispiel: Wenn die Handys von zwei erwachsenen Personen regelmäßig in der Nacht am gleichen Ort sind, kann man daraus schließen, dass beide eine Beziehung haben. Zudem stört die Richter, dass die Daten aller Bürger gesammelt werden, ohne besonderen Anlass und ohne Einschränkung. Ein Gegenbeispiel ist das klassische Abhören von Telefonen: Das passiert erst, wenn ein begründeter Verdacht gegen eine Person vorliegt.
Wie sieht es in Luxemburg aus?
Trotz beider Urteile des EuGH ist die Vorratsdatenspeicherung in Luxemburg weiterhin und ohne Änderung in Kraft. Die Justiz nutzt diese Möglichkeit ausgiebig, wie die Zahlen zeigen. Justizminister Felix Braz wartet auf eine europäische Reform der Maßnahme, die die Kritik der Richter berücksichtigen würde. Andere Länder wie etwa Deutschland haben die Speicherung dagegen ausgesetzt.
Wie geht es weiter?
Die EU-Justizminister haben die Kommission aufgefordert, bis Ende des Jahres eine Reform der Vorratsdatenspeicherung zu prüfen. Sie wollen an diesem Instrument festhalten, um schwere Straftaten aufklären zu können. Experten sagen, dass die Urteile des EuGH wenig bis keinen Spielraum lassen. Vorstellbar wäre laut Justizminister Braz, dass etwa im Fall eines Großereignisses wie einer Fußball-WM während eines begrenzten Zeitraums Daten gespeichert werden, um die Sicherheit zu gewährleisten. Die Wünsche der Polizeibehörden gehen allerdings deutlich weiter. Über die Zukunft der Maßnahme wird ebenfalls der EuGH entscheiden: Die höchsten Gerichte aus Belgien, Frankreich und Estland haben Fälle nach Luxemburg verwiesen. Es wird erwartet, dass die Richter endgültig klären, ob und unter welchen Umständen eine Vorratsdatenspeicherung möglich ist.
Lesen Sie mehr zum Thema
