Wer in Luxemburg in einem Altenheim wohnen will, muss es sich leisten können. Dabei sind die Kosten nicht immer transparent – und angesichts von Millionen-Gewinnen mancher Betreiber auch nicht immer nachvollziehbar. REPORTER erklärt, wie die Preise zustande kommen.
Zimmer, Bad, WC: Wer in einem Alten- und Pflegeheim des größten Betreibers des Landes wohnen möchte, muss dafür monatlich mindestens 2.460 Euro zahlen. « Servior » verwaltet insgesamt 15 Seniorenresidenzen in Luxemburg. Günstiger ist es unter anderem im „Home pour Personnes Agées“ in Mamer, wo der Mindestpreis 2.210 Euro beträgt. Nach oben ist die Preisspanne offen: Das günstigste Zimmer der „Fondation Pescatore“ in der Hauptstadt beläuft sich auf 3.108 Euro im Monat. Luxuriösere Zwei- bis Drei-Zimmer-Wohnungen gibt es für knapp 6.000 Euro im „Op der Rhum“.
Dies sind nur einige Beispiele, die zeigen, dass das Leben im Alter mit angemessener Betreuung und Pflege nicht für jeden finanzierbar ist. Eine in Luxemburg übliche Durchschnittsrente reicht angesichts der verrechneten Preise längst nicht immer aus. « Viele Menschen sind erschrocken, wenn sie die Preise hören », bestätigt Jacqueline Becker, die im Familienministerium für das Seniorentelefon zuständig ist. Jeder zehnte Anruf dreht sich um Finanzfragen im Alter.
Die oft unterschätzten Zusatzkosten
Vor allem ist es mit den besagten Grundpreisen meistens nicht getan. Zusätzlich zum Unterkunftspreis fallen in den meisten Alten- und Pflegeheimen Zusatzkosten an, die mehrere Hundert Euro pro Monat ausmachen können. In einigen Einrichtungen sind so zum Beispiel lediglich zwei Mahlzeiten am Tag inbegriffen. Getränke sind mit Ausnahme von Wasser während der Mahlzeit oft kostenpflichtig.
Individuelle Betreuung, Fürsorge sowie Freizeitaktivitäten, die bei der Aufnahme versprochen werden, sind für viele Kinder zudem ein entscheidender Faktor, um ihre Eltern in guter Obhut zu wissen. Doch auch diese Angebote sind längst nicht immer kostenfrei. Zwar sind im Grundtarif regelmäßige Gruppenaktivitäten eingerechnet. Die individuelle Pflege, darunter auch Hilfe beim Anziehen oder beim Duschen wird für nicht pflegebedürftige Menschen oft zusätzlich verrechnet.
Als Beispiel: Die „Fondation Pescatore“ bietet allen Bewohnern pro Woche 90-Gratis-Minuten Pflege an, danach wird die Hilfe mit 10,54 Euro pro Tag vergütet. Auch wer sein Essen anstatt in der Kantine gemütlich auf seinem Zimmer zu sich nehmen möchte, zahlt dafür 11,12 Euro am Tag. Das Unternehmen Sodexo, das Residenzen in Niederanven, Contern, Strassen und Bettemburg betreibt, verrechnet den Telefonanschluss mit 20 Euro, den Fernseher mit 17 Euro. Für die Reinigung der persönlichen Wäsche fallen pro Monat 80 Euro an.
Mangelnde finanzielle Transparenz
Generell schwanken die Zusatzkosten je nach Einrichtung und persönlichem Bedarf. Besonders beim Einzug muss aber bereits eine beachtliche Summe im Voraus gezahlt werden – die verlangte Kaution übertrifft schnell die 5.000 Euro. Einige Unterkünfte verlangen gar ein zusätzliches « Eintrittsgeld » zwischen 6.000 und 10.000 Euro, das bereits beim Aufnahmeantrag bezahlt werden muss und mit einer Einzugsgarantie einhergeht. Das ist laut Recherchen von REPORTER im « Elysis » in Kirchberg der Fall.
Angesichts des Platzmangels sind einige Menschen bereit, einen Platz in einer Unterkunft anzunehmen, den sie unter anderen Umständen aufgrund des Preises möglicherweise nicht angenommen hätten.“
Nicht alle Tarife der Pflegeeinrichtungen sind öffentlich zugänglich. Die Schwierigkeit, Preise und Zusatzleistungen zu vergleichen, liegt an der mangelnden Transparenz der Einrichtungen. Nicht einmal die Hälfte der 52 hiesigen Heime gibt auf ihrer Internetseite Aufschluss über die Preise.
Familienministerin Corinne Cahen (DP) will deshalb für « mehr Transparenz sorgen, was die Preisstruktur und das Leistungsangebot betrifft », wie sie im Interview mit dem « Journal » erklärte. So sollen sich mit einer Gesetzesreform jene Bedingungen ändern, die die Einrichtungen erfüllen müssen, um die nötige Genehmigung des Familienministeriums für ihre Aktivität zu erhalten. Darunter auch die Preistransparenz. Eine Preisliste aller Einrichtungen führt das Familienministerium nicht. Die Preise würden schlicht zu häufig wechseln, heißt es auf Anfrage.
Ein gewinnträchtiges Geschäft?
Spricht man mit Betroffenen, so äußern viele nicht nur Missmut über die hohen Tarife, sondern auch den Verdacht, dass sich die Betreiber der Seniorenresidenzen auf dem Rücken der älteren Bevölkerung bereichern. Ein Blick auf die Finanzsituation einzelner Einrichtungen zeigt aber, dass die hohen Zimmerpreise längst nicht alle Ausgaben abdecken.
Zwar machte etwa „Home pour personnes âgées“, das sechs Heime mit insgesamt 668 Zimmern im Land verwaltet, im Jahr 2017 einen Umsatz von 46 Millionen Euro und einen Gewinn von drei Millionen Euro. Das öffentlich-rechtliche Unternehmen « Servior », das 1.650 Menschen eine Unterkunft bot, verzeichnete im gleichen Jahr einen Gewinn von neun Millionen Euro.
Es wäre allerdings ein Trugschluss zu glauben, dass sich mit einer Seniorenresidenz leicht Geld verdienen lässt. So erwirtschaftete « ZithaSenior » 2017 zwar einen Gewinn von drei Millionen Euro. Gleichzeitig führt die Geschäftsbilanz aber Schulden in Höhe von 25 Millionen Euro auf. « Alysea Soins » schleppt seinerseits über die vergangenen Jahre Verluste von 4,6 Millionen und Schulden von rund sieben Millionen Euro mit sich.
Finanzspritzen vom Staat
Regelmäßige staatliche Subventionen erhalten die Betreiber nicht. Auf eine Hilfe der jeweiligen Gemeinden dürfen im Fall eines Verlustes nur jene hoffen, die diesbezügliche Übereinkommen unterschrieben haben oder als « Hospice civil » von der Gemeinde verwaltet werden. Dass auch diese Hilfe nicht bedingungslos ist und zeitlich begrenzt sein kann, zeigt gegenwärtig der Fall des « Jousefshaus » in Remich. Das defizitäre Seniorenheim belastet den Haushalt der Gemeinde derart, dass der Bürgermeister dafür plädiert, das Hospiz an einen großen Pflegedienstleister zu verkaufen.
Dennoch ist es nicht so, dass die Betreiber alle Kosten selbst stemmen müssten. Der Staat investiert insbesondere in den Bau und den Ausbau der Residenzen erhebliche Summen. Für den Bau der „Aile Cité“ der Fondation Pescatore steuerte der Staat 2007 etwa ganze 9,5 Millionen Euro bei.
Handelt es sich um den Neubau eines Seniorenheims fällt der Zuschuss noch großzügiger aus. So entschied sich die Regierung vergangenes Jahr, dass 62,4 Millionen Euro an Steuergeldern in den Bau des Altenheims und die Geriatrie fließen sollen, das « Servior » in Differdingen eröffnen wird. In das Pflegeheim in Bascharage werden 64 Millionen Euro investiert.
Mehrere Betreiber führen laut Recherchen von REPORTER staatliche Hilfen an, die bis zu 70 Prozent der Baupreise decken. Die individuelle Berechnungsmethode scheint dabei nicht allzu transparent. Familienministerin Corinne Cahen plant auch diesbezüglich eine Reform.
Wie sich Altenheime finanzieren
Wie kann es also sein, dass einige Betreiber angesichts der hohen Preise, Zusatzkosten und der staatlichen Hilfen beim Bau dennoch Verluste verzeichnen? Wie sich die Altenheime finanzieren, geht aus dem Jahresbericht von « Servior » hervor. 59,7 Prozent der Einnahmen stammen aus Pflegedienstleistungen für die pflegebedürftigen Bewohnern. Diese werden von der Pflegeversicherung übernommen. Mit dem Geld wird ein Teil des Personals finanziert, das die Pflege übernimmt. Die von den Senioren bezahlte Unterkunft macht hingegen nur weniger als 40 Prozent der Einnahmen aus.
Bei den Ausgaben schlagen vor allem Personalkosten zu Buche. So auch in der « Fondation Pescatore », wo diese zwei Drittel aller Kosten des Betreibers ausmachen. Das erforderliche Profil des Personals wird dabei von der Pflegeversicherung festgelegt. So ist es nicht möglich, lediglich Pfleger einzustellen und auf die teureren Krankenschwestern zu verzichten.
« Die Pflegeversicherung bewertet die Pflegebedürftigkeit unserer Bewohner und spricht uns dementsprechend eine gewisse Summe an Geldern zu. Sie verlangt aber im Gegenzug auch, dass wir unsere Mitarbeiter gemäß eines bestimmten Personalschlüssels einstellen », erklärt Fränk Degraux, Finanzdirektor der « Fondation Pescatore ». Gespart wird am Pflegepersonal demnach nicht. Je pflegebedürftiger die Bewohner, umso größer der Arbeitsaufwand und höher die Finanzspritze der Pflegeversicherung.
In mehreren Einrichtungen gibt es nahezu genauso viel Personal wie Bewohner. In der « Fondation Pescatore » kümmern sich so rund 300 Mitarbeiter um 350 Bewohner. « An de Wisen » in Bettemburg sind es rund 200 für 146 Bewohner. Hinzu kommen nicht unwesentliche laufende Ausgaben, unter anderem für Essen, Pflegematerial, Wasser-, Strom- und Heizkosten, Wartungs- und Instandhaltungskosten der Anlagen und Gebäude.
So erklären sich die Preisunterschiede
Die Kostenstruktur des Personals ist einer der entscheidenden Faktoren für Preisunterschiede zwischen den Anbietern. Es ist demnach die erste Erklärung, die auch der beigeordnete Generaldirektor von „Homes pour personnes âgées“, Claude Erpelding, nennt. Der Betreiber verwaltet Einrichtungen in Mamer, Redingen, Mersch, Grevenmacher, Clerf und der Hauptstadt. „Je nachdem, welchem Kollektivvertrag das Personal angehört, fallen für den Betreiber andere Kosten an“, unterstreicht er dabei. Ebenso würden das Dienstalter und der Grad der Ausbildung des Personals eine Rolle spielen.
Dass rund 95 Prozent seines Personals dem für den Arbeitgeber günstigeren SAS-Tarifvertrag („Secteur d’aide et de soins“) angehört, sei vorteilhaft, so Erpelding. Dieser Kollektivvertrag macht aus der Pflegebranche einen parastaatlichen Sektor, dessen Gehälterentwicklung an die des öffentlichen Dienstes angepasst werden. Dennoch fallen die Löhne niedriger als die jener Mitarbeiter aus, die vom Kollektivvertrag der „Fédération des hôpitaux“ (FHL) profitieren. Erstere arbeiten 40 Stunden pro Woche, letztere nur 38 Stunden. Einrichtungen, die eine höhere Anzahl ihrer Mitarbeiter im FHL-Kollektivvertrag haben, haben höhere Kosten.
Um hohe Löhne zu umgehen, die für den ganzen Pflegesektor mit den Gewerkschaften ausgehandelt werden und ihre Ausgaben zu drücken, entscheiden sich einige Betreiber für das Outsourcing von Küchen- oder Reinigungskräften. Wer so die vorgeschriebene Vergütung für einen Teil des Personals umgeht, könne insgesamt auch bessere Preise anbieten, meint hinter vorgehaltener Hand der Leiter einer Seniorenresidenz.
Immer wieder Preiserhöhungen
Alles in Allem kommen die meisten Altenheime nicht um eine regelmäßige Anpassung der Unterkunftspreise herum. Das gilt sowohl bei öffentlichen als auch bei privaten Betreibern. Die Tarife sind einerseits indexgebunden, außergewöhnliche Preiserhöhungen sind aber keine Seltenheit.
So hatten die „Hospices Civils de la Ville de Luxembourg“ in Hamm und Pfaffenthal 2016 eine Polemik ausgelöst, als sie die Preise eines 30-Quadratmeter-Zimmers um knappe 100 Euro anhoben – für größere Zimmer wurden auf einen Schlag 150 Euro mehr im Monat fällig. Der Verwaltungsratspräsident Henri Grethen hatte damals erklärt, dass diese Preiserhöhungen unumgänglich seien, um das voraussichtliche Defizit von einer Million Euro zu stemmen.

In der « Fondation Pescatore » gab es in den vergangenen sieben Jahren fünf Preiserhöhungen. Drei angesichts der Indexanpassungen, zwei weitere Preiserhöhungen bedingt durch außerordentliche Effekte wie die Neuausrichtung der Pflegeversicherung. Die jüngsten Reformen drückten einerseits die Einnahmen, die das Altenheim für die Pflege der bedürftigen Bewohner erhält, erklärt Fränk Degraux. Der neue SAS-Kollektivvertrag führte zudem 2017 zu höheren Personalkosten. Weil die Ausgaben für die rund 300 Mitarbeiter anstiegen, war ein Aufpreis für die Heimbewohner quasi unumgänglich.
Zwischen Luxus und Sozialfällen
Im Gespräch mit dem Finanzdirektor der « Fondation Pescatore » fallen etwa die Wörter « exquisite Lage » und « Luxus » kein einziges Mal, um die Preise zu rechtfertigen. Anders verläuft hingegen das Gespräch mit dem Pressesprecher von « Servior », der die Preise von « Op der Rhum » auf Anhieb mit « haut de gamme » beschreibt und auch die Lage im Herzen der Hauptstadt als Erklärung anführt. Auf Nachfrage bestätigt er allerdings, dass die teuren Grundstückpreise der Stadt Luxemburg nicht für die Preise verantwortlich sind – das Grundstück gehört der Gemeinde.
Ferner argumentiert der Sprecher von « Servior » aber, dass es im 2016 neu entstandenen Flügel einzelne Zimmer mit bis zu 80 Quadratmetern gebe, was den Maximalpreis von 5.989 Euro (in Einzelbelegung) rechtfertige. Und nicht zu vergessen: Die Rhum befindet sich auf einem Unesco World Heritage Site.
Indes ist die Regierung der Ansicht, dass sich jeder im Alter unabhängig von der Höhe seiner Rente eine Unterbringung im Altenheim leisten können sollte. Der nationale Solidaritätsfonds bietet Menschen mit unzureichenden Finanzmitteln die Möglichkeit, die Kosten der Seniorenresidenz bis zu einem Maximalbetrag von 2.723 Euro zu übernehmen. Dass dieser Beitrag meist längst nicht alle Kosten abdeckt, die auch in günstigeren Einrichtungen je nach Bedarf anfallen können, weiß man auch im zuständigen Familienministerium. Gegenwärtig laufen Überlegungen über eine Anpassung des Maximalbetrags.
Zwischen Angebot und Nachfrage
Ob es auch Altenheime gibt, die mit der Betreuung der älteren Generation den größtmöglichen Gewinn erzielen möchten, sei dahingestellt. Bei der „Fondation Pescatore“ sei das jedenfalls nicht der Fall, versichert Finanzdirektor Fränk Degraux: „Unser Ziel ist die schwarze Null, nicht der Gewinn.“ Anders als bei einer kommerziellen Gesellschaft muss der Gewinn für den Geschäftszweck der Stiftung verwertet werden – an einen Aktionär wird das Geld nicht ausgeschüttet.
Das bedeutet dennoch nicht, dass nicht-gewinnorientierte Vereinigungen ihre Preise drücken können, weil sie angesichts ihrer Gesellschaftsform andere Ziele verfolgen. Claude Erpelding von der ASBL „Homes pour personnes âgées“, die letztes Jahr drei Millionen Euro Gewinn erwirtschaftete, formuliert es folgendermaßen: „Anders als bei anonymen Gesellschaften ist unser Ziel nicht die Gewinnmaximierung. Doch wir müssen natürlich auch Reserven für schlechtere Zeiten anlegen und Geld für künftige Projekte zur Seite legen.“ Der Betreiber plant gegenwärtig die Eröffnung eines weiteren Altenheims.
Dass die generell hohen Unterkunftspreise mit der geringen Verfügbarkeit der Heimplätze zusammenhängen, denkt Erpelding nicht. Dennoch könne das mangelnde Angebot an Plätzen die Zahlungsbereitschaft der Menschen steigern. „Angesichts des Platzmangels sind einige Menschen bereit, einen Platz in einer Unterkunft anzunehmen, den sie unter anderen Umständen aufgrund des Preises möglicherweise nicht angenommen hätten.“
Die meisten älteren Menschen haben aber keine große Wahl. Reduziert man die Nachfrage nach Heimplätzen auf pflegebedürftige Personen über 70 Jahren, stehen heute für diese 9.682 Menschen lediglich 6.344 Betten im Land zur Verfügung.