Eine verhängnisvolle Reorganisation, ein desaströses Personalmanagement und eine übermächtige Großherzogin: Das sind die wichtigsten Erkenntnisse des Sonderbeauftragten Jeannot Waringo. Es ist die Chronik einer Krise mit Ansage. Nun soll die Regierung wieder die Kontrolle am Hof übernehmen.
Wer in einer modernen Demokratie Geld vom Staat – und damit vom Steuerzahler – bekommt, muss transparent sein. Das ist ein Schlüsselsatz im Bericht von Jeannot Waringo. Der Sonderbeauftragte des Premierministers lässt auf 44 Seiten keinen Zweifel daran, dass dies aktuell am großherzoglichen Hof nicht der Fall ist. Ein zersplittertes Budget, unklare Strukturen, ein desaströses Personalmanagement, eine mangelhafte Trennung zwischen öffentlichen Aufgaben und privaten Anlässen sind nur einige der Probleme, die der frühere Direktor der „Inspection Générale des Finances“ auflistet.
REPORTER enthüllte im August 2019 die Ernennung des Sonderbeauftragten. Der Premierminister reagierte somit auf Personalprobleme und die problematische Rolle der Großherzogin.
« Aus einem Wunsch nach Offenheit, Transparenz und Modernität habe ich die vom Premier gewünschte Mission akzeptiert », schrieb Großherzog Henri in seinem emotionalen Brief am Montag.
Ein Transparenzversprechen, das allerdings von Jeannot Waringo infrage gestellt wird: Eine Anwaltskanzlei habe sich im Auftrag der « Administration des biens du Grand-Duc » in die Diskussionen eingeschaltet. Ab diesem Moment habe er den Eindruck erhalten, dass « meine Präsenz als störend und nicht als Hilfe bei der Reform unserer Monarchie empfunden wurde ».
Die fatale « Modernisierung » von 2015
« Seit dem Thronwechsel wollen wir zusammen zur Modernisierung unserer konstitutionellen Monarchie beitragen und wir wollen auf diesem Weg weitergehen », schrieb der Großherzog Henri in seinem Brief. Doch genau dieser Reformversuch ist der Ursprung allen Übels – so der Tenor des Waringo-Berichts.
Mitte 2015 taucht eine französische Beraterin am Hof auf – Chantal Selva. Das großherzogliche Paar beauftragt sie, die Organisation des Hofes zu « modernisieren ». Das Resultat ihrer Arbeit: Der Hofmarschall wird entmachtet, indem ihm ein « General Manager » und ein « Chef de cabinet » zur Seite gestellt werden. Der damalige Hofmarschall Pierre Bley verlässt den Hof wenige Monate später.
Die Monarchie muss reformiert werden. Ich sehe keine andere Lösung. »Jeannot Waringo
Sein Nachfolger Lucien Weiler hat nicht nur weniger Aufgaben, sondern einen sehr unsicheren Job. Anders als seine Vorgänger wurde Weiler nicht zum « Secrétaire général du Grand-Duc » ernannt – einer der höchsten Beamtenjobs. Er arbeitet quasi als Freiberufler unter einem Dienstleistungsvertrag von Juni 2016. Ein Vertrag, der erst ein halbes Jahr nach seiner Ernennung zustande kam. Er bezieht kein Gehalt, sondern eine pauschale Vergütung, erklärt Jeannot Waringo in seinem Bericht. Dazu kommt, dass Lucien Weiler nicht Vollzeit arbeitet.
Der « Putsch » der Großherzogin
2016 wurde der « General Manager » David Grieu eingestellt – unter dem Impuls von Chantal Selva. Jeannot Waringo betont, dass dieser Mitarbeiter unmittelbar dem Großherzog und der Großherzogin unterstellt sei. Seine Rolle würden alle Bereiche des großherzoglichen Hofes umfassen, ohne dass seine Aufgaben jedoch eindeutig definiert seien. Der Sonderbeauftragte empfiehlt deshalb schlicht und ergreifend die Streichung dieses Postens.
Die Entstehung dieses Postens zeigt jedoch, wie Maria Teresa sich am Hof einen direkten Einfluss verschaffte – entgegen jeder Usance und im Widerspruch zur Verfassung. Aus der gleichen Zeit stammt ein Organigramm, an dessen Spitze die Großherzogin zusammen mit dem Großherzog steht. Und das war kein Zufall, auch wenn das Dokument nie offiziell wurde.
Die Großherzogin entscheide, wer eingestellt, wer entlassen und wer versetzt werde, schreibt Jeannot Waringo. Ein Zustand, den der hohe Beamte offen kritisiert. Maria Teresa habe eine rein repräsentative Aufgabe und alles Weitere sei nicht hinnehmbar.
« Die Monarchie muss in diesem wesentlichen Punkt reformiert werden. Ich sehe keine andere Lösung », schreibt der Sonderbeauftragte. Die Verfassung sehe keine offizielle Rolle für die Frau des Großherzogs vor und deshalb habe sie keinen Platz in einem Organigramm.
Halbherziges Durchgreifen
Diesen « Reformen » schaute Premierminister Xavier Bettel offenbar lange Monate zu. Erst als im Juni 2016 auffiel, dass die Beraterin Chantal Selva eine Verurteilung wegen Veruntreuung von Firmenvermögen verschwiegen hatte, griff er durch. Ihr Vertrag wurde aufgelöst. In der Folge dieser Episode und eines schnell drehenden Personalkarussells beanspruchte die Regierung eine Kontrollfunktion bei der Einstellung neuer Mitarbeiter der Kategorie A1.
Ein entsprechendes Abkommen unterzeichneten der Hofmarschall und der Generalsekretär der Regierung im Dezember 2016, wie dem Bericht zu entnehmen ist. Doch der großherzogliche Hof hielt sich offenbar nicht daran: Die Kooperation mit der Verwaltung des Großherzogs sei nicht zur Zufriedenheit des Premiers verlaufen, hieß es im August aus Regierungskreisen auf Nachfrage von REPORTER. Trotzdem schaute die Regierung weiter zu und wichtige Reformen ließ sie unvollendet.
Das Personalkarussell drehte sich weiter. Laut dem Bericht verließen zwischen 2014 und 2019 51 Mitarbeiter den Hof – die Renteneintritte nicht eingerechnet. Dabei arbeiten insgesamt nur knapp 110 Personen am Hof. Nach 2016 verlangsamten sich die Personalwechsel nur unwesentlich. Jeannot Waringo berichtet von einem Klima der Angst und einer völlig fehlenden internen Kommunikation.
Wie die Regierung die Kontrolle zurückbekommen soll
Die Großherzogin scheint aber nicht willens, ihren Einfluss zurückzuschrauben. Als Jeannot Waringo Informationen zur Einstellung einer neuen Mitarbeiterin der Großherzogin verlangte, schaltete sich eine Anwaltskanzlei ein. Die geforderte Auskunft bekam er nie.
Doch der Sonderbeauftragte nennt in seinem Bericht eine Vielzahl von Maßnahmen, damit die Regierung wieder mehr Kontrolle über das Geschehen am Hof erhält. Der Hofmarschall soll wieder mehr Macht bekommen, als Beamter eingestellt werden und Vollzeit arbeiten. Er soll auch zusammen mit dem Kabinettschef im ständigen Austausch mit zwei hohen Regierungsbeamten stehen, empfiehlt Jeannot Waringo.
Die Personalpolitik soll klar geregelt werden, die Mitarbeiter sollen ein klares Statut bekommen. Auch die Kommunikation des Hofes soll nur noch unter Abstimmung mit dem « Service Information et Presse » der Regierung stattfinden. Die Webseite « grande-duchesse.lu » soll nicht mehr über staatliche Gelder finanziert werden.
Die Reformvorschläge im Überblick
- Ein neues Organigramm, mit klaren Kompetenzen und Verantwortungsbereichen.
- Aufwertung des Hofmarschalls als leitender Beamter der Verwaltung.
- Dem Hofmarschall soll ein « Conseiller à la Cour » beigeordnet werden.
- Abschaffung der 2015 intern geschaffenen Position des « General Manager ».
- Professionalisierung der Personalabteilung des Hofes mit einem neuen Abteilungsleiter.
- Reform der Kommunikationsabteilung, die stärker mit dem Informationsamt der Regierung (SIP) zusammenarbeiten soll.
- Schaffung eines « Comité de coordination » als Bindeglied zwischen der Regierung und der Verwaltung des Großherzogs.
- Die « Administration des bien du S.A.R. Le Grand-Duc » soll sich exklusiv um die Verwaltung des privaten Vermögens der großherzoglichen Familie kümmern.
- Für alle offiziellen Angelegenheiten soll die neu zu schaffende Institution « Maison du Grand-Duc » zuständig sein.
- Interne und externe Finanzprüfung, deren jährlicher Bericht über den Umgang mit Steuergeldern veröffentlicht werden soll.
Außerdem empfiehlt der frühere Direktor der Finanzinspektion, das Budget des Hofes deutlich transparenter zu gestalten und strenger zu kontrollieren. Eine neue Verwaltung solle geschaffen werden, die sich ausschließlich um die offiziellen Aufgaben des Großherzogs kümmern soll. Dann wäre Schluss mit der aktuellen Vermischung von privaten und staatlichen Aktivitäten.
Nun gibt sich der Hof offen für Änderungen: « Im Sinne einer größeren Transparenz und einer Modernisierung wird der großherzogliche Hof sich konstruktiv an der Umsetzung der im Bericht vorgeschlagenen Verbesserungen beteiligen », hieß es in einer Reaktion des Hofmarschalls auf die Veröffentlichung des Berichts.
Ob sich der Premierminister die Empfehlungen seines Sonderbeauftragten zu eigen machen wird und dessen Auftrag verlängert, ist offen. Bettel nahm am Freitag keine Stellung zum Bericht und blieb im Staatsministerium – dem Refugium St. Maximin.