Bei den Parlamentswahlen am Sonntag werden so viele Bürger per Post abstimmen, wie nie zuvor. Doch das birgt auch Risiken: Manche Bürger haben ihre Wahlunterlagen nicht zur Zeit erhalten. In einigen Gemeinden könnte sich zudem das Auszählen der Stimmen verzögern.
Gilles Feith ist formell. „Wir sind uns zu hundert Prozent sicher, dass unser System funktioniert,“ so der Direktor des Centre des Technologies de l’Information de l’Etat (CTIE). Der staatliche Informatikdienst, betreibt die Online-Plattform MyGuichet.lu, über die Bürger Verwaltungsprozeduren erledigen können. Für die Parlamentswahlen war es erstmals möglich die Briefwahl über diesen Weg zu beantragen.
Doch das neue System steht in der Kritik. Das Tageblatt berichtete am Freitag von mehreren Personen, die ihre Wahlzettel nicht rechtzeitig erhalten haben, obwohl sie einen Antrag bei MyGuichet ausgefüllt hatten. REPORTER sind ähnliche Fälle bekannt. Das Ausmaß des Problems ist aber schwer einzuschätzen, denn weder das CTIE, noch die zuständigen Ministerien, führen Statistik über die eingehenden Beschwerden.
Mehrere Gemeinden bestätigen auf Nachfrage, dass sie entsprechende Reklamationen erhalten haben. „Bei uns haben sich ungefähr 10 Leute gemeldet,“ so Yves Zwally von der Gemeinde Esch/Azette am Montag. In Hesperingen sprechen die Gemeindeverantwortlichen derweil von „drei Dutzend“ solcher Fälle, in Differdingen von „einem Dutzend“, und in Ettelbrück von drei Fällen. Die Stadt Luxemburg, wo bei weitem am meisten Wähler registriert sind, wollte keine Angaben machen und verwies an das CTIE.
Briefwähler-Rekord
Der Direktor des Informatikdienstes macht Prozedurfehler für die fehlgeschlagenen Anfragen verantwortlich. „Die meisten Leute haben beim Ausfüllen des Online-Formulars wohl eine Etappe vergessen. Sie haben ihre Anträge entweder nicht richtig abgeschickt, oder sie haben sie nicht elektronisch unterschrieben,“ so Gilles Feith: „Das ist so, als würden Sie einen Brief abschicken, ihn dann aber auf dem Küchentisch liegen lassen.“
Bei den letzten Wahlen kam der Briefträger um 8:37 Uhr, dadurch konnten wir früh mit dem Öffnen der Briefumschläge beginnen. »Jean Thomas, Präsident des Hauptwahlbüros Ettelbrück
Wie viele Briefwahl-Anträge auf diese Weise gescheitert sind, kann er nicht sagen. Sein Dienst habe nämlich nur Zugriff auf jene Anträge, die korrekt eingereicht wurden. „Natürlich bin ich nicht froh darüber, dass einige Leute Probleme hatten. Wir werden deshalb versuchen, die Prozedur in Zukunft noch übersichtlicher zu gestalten,“ gibt Feith zu verstehen. „Sollte es nicht geklappt haben mit der digitalen Anmeldung, hat man weiterhin die Möglichkeit seine Stimme am Sonntag im Wahlbüro abzugeben.“
Trotz Schwierigkeiten bei der Online-Anmeldung, werden bei den Parlamentswahlen am Sonntag so viele Wähler per Post abstimmen wie nie zuvor. Insgesamt sind 40 400 Briefwähler in den Wahllisten eingetragen. Einer ersten Schätzung zufolge, wurde rund ein Viertel dieser Anfragen erfolgreich über MyGuichet eingereicht. Der vereinfachte Zugang zur Briefwahl, der im März im Parlament verabschiedet wurde, gilt damit als voller Erfolg. Denn im Vergleich zu den letzten Parlamentswahlen im Jahr 2013, hat die Zahl der Briefwähler sich mehr als verdoppelt.
Verzögerungsgefahr
Die ungewohnt hohe Zahl an Briefwählern bringt aber auch zusätzliche logistische Herausforderungen mit sich. In einigen Gemeinden wird befürchtet, dass das Auszählen der Stimmen sich verzögern könnte.
„Bei den letzten Wahlen kam der Briefträger um 8:37 Uhr, dadurch konnten wir früh mit dem Öffnen der Briefumschläge beginnen“, erinnert sich Jean Thomas. Wann die Wahlzettel am Sonntag ankommen, weiß der Präsident des Hauptwahlbüros in Ettelbrück noch nicht genau: „Ich schätze, dass es dieses Mal etwas länger dauern wird. Vielleicht ein bis anderthalb Stunden.“
Wegen der hohen Zahl an Briefwähler, müssen in diesen beiden Büros jetzt aber deutlich mehr Stimmen ausgezählt werden, als in unseren regulären Wahllokalen. »Roland Flenghi, Bürgeramt Differdingen
Sollten die ausgefüllten Wahlzettel später eintreffen, könnte sich auch das Auszählen der Stimmen hinausschieben. Wahlzettel, die per Post eintreffen, werden nämlich registriert und in eine Urne geworfen, bevor sie ab 14 Uhr zusammen mit den restlichen Stimmzettel ausgezählt werden. Sind bis 14 Uhr nicht alle Zettel registriert, kann erst später mit der Auszählung begonnen werden.
Die meisten größeren Gemeinden richten Wahllokale ein, in denen ausschließlich Stimmen aus der Briefwahl ausgezählt wird. „Wir haben die 1.065 Differdinger Briefwähler auf zwei Lokale aufgeteilt,“ erklärt Roland Flenghi vom Bürgeramt Differdingen. „Wegen der hohen Zahl an Briefwähler, müssen in diesen beiden Büros jetzt aber deutlich mehr Stimmen ausgezählt werden, als in unseren regulären Wahllokalen. Ich hoffe dass wir dadurch nicht in Verzug geraten.“
Ob es dazu kommt, wird letztlich auch davon abhängen, wie viele Bürger, den beantragten Wahlzettel tatsächlich zurückschicken. Vergleichswerte zur Wahlbeteiligung unter Briefwählern gibt es nicht. 2013 waren 18 238 Briefwähler in die Wahllisten eingetragen. Das Staatsministerium konnte auf Nachfrage keine Angaben dazu machen, wie viele der verschicken Stimmzettel vor fünf Jahren in einer Urne gelandet sind.