Die Piraten kritisieren gerne polemisch die Widersprüche der Grünen. Eigene Lösungsansätze beim Klimaschutz formulieren sie dagegen nur sporadisch. Jetzt will sich die Partei stärker mit konkreten Maßnahmen hervortun. Das Konzept ist aber noch unausgereift.

Es ist ein merkwürdiger Wandel, den Luxemburgs Piraten durchgemacht haben. In ihrem letzten Wahlprogramm spielte der Umwelt- und Klimaschutz kaum eine Rolle. Auf wenigen Seiten war dort fast ausschließlich von Innovationen als Maßnahme gegen den Klimawandel die Rede. Fotovoltaikstraßen oder „Hyperloops“ sind nur zwei der Stichworte, die sich im Programm von 2018 wiederfinden. Hyperloops sind Hochgeschwindigkeitssysteme, die Menschen in einer Kapsel durch ein Vakuumrohr transportieren sollen. Also in der Tat eine Innovation.

Heute gibt man sich bei den Piraten aber durchaus selbstkritisch. „Als Partei, die sich stark für digitale Themen interessiert, setzten wir vielleicht zu viel Hoffnung auf eine technologische Lösung für den Klimawandel. Jetzt wissen wir: Das reicht nicht aus“, sagt Sven Clement im Gespräch mit Reporter.lu. In den vergangenen drei Jahren sei das Bewusstsein über den Ernst der Krise bei den vornehmlich jungen Mitgliedern gewachsen. Dadurch hätten sich auch die Positionen der Partei gewandelt. Wobei Innovation weiterhin ein starker Bestandteil des Programms bleibe, so der Abgeordnete.

Politik mit latenter Grünen-Obsession

Dennoch sind die Überraschungswahlgewinner von 2018 nicht unbedingt für ihre tiefgründige programmatische Arbeit bekannt. Das gilt auch für den Kampf gegen den Klimawandel. Der klimapolitische Diskurs der Piraten wirkt meistens wie eine Mischung aus polemischer Regierungskritik und sporadischen Ideen, die man aus dem Ausland oder den Medien aufgegriffen hat und mitunter ohne eigenes Zutun in die politische Arena wirft. Oft genug schaffen es auch spontan in der Presse gemachte Äußerungen von Sven Clement prompt zum Programmpunkt der Partei.

Wir können nicht länger auf einen gesellschaftlichen Konsens warten, es ist an uns, ihn zu schaffen. »Sven Clement, Abgeordneter der Piraten

Dabei weiß die Oppositionspartei die offenen Flanken der Grünen in Sachen Klimaschutz auszunutzen. Mehrmals forderte Marc Goergen im Parlament etwa die Einstellung von Kurzstreckenflügen und stellte damit die grünen Minister, die darauf keine überzeugende Antwort hatten, bloß. Während der Pressekonferenz zur Bilanz des parlamentarischen Jahres im Juli legte Clements Parteikollege nach. „Wie lange sind die Grünen jetzt in der Regierung? Seit mittlerweile acht Jahren und es ist nichts im Klimaschutz passiert. »

Die pauschale Kritik an der grünen Regierungsbilanz deckt sich mit der generellen, immer wieder aufflammenden Polarisierung des Diskurses durch die Piraten. Bereits zuvor machte die Partei mit zweifelhaften Methoden Stimmung gegen die grüne Umweltministerin Carole Dieschbourg. In einem polemischen Video gaben die Piraten der Ministerin persönlich die Verantwortung für eine staatliche Jagd auf Mufflons. Von etlichen Hasskommentaren, die durch das Video hervorgerufen wurden, distanzierte sich die Partei erst spät und halbherzig.

Der Klimaschutzdiskurs ähnelt jenem des Tierschutzes. Darüber hinaus sind die Initiativen der Piraten aber überschaubar. Abgesehen von der Förderung von Nachtzügen, der Einstellung von Kurzstreckenflügen oder höheren Prämien für bestehende Klimaschutzmaßnahmen setzten Clement und Goergen im Parlament bis heute kaum ernsthafte Akzente im Bereich des Klimaschutzes. Vor allem mangelt es an Inhalten, die nicht in der ständigen Abgrenzung zu den Grünen vorgetragen werden. Glaubt man Sven Clement, soll sich das in Zukunft aber ändern.

Ein persönliches CO2-Budget

„Wir Piraten stehen hinter dem Verursacherprinzip und sind für eine CO2-Steuer. Aber diese muss so gestaltet werden, dass sie die Ungerechtigkeit nicht weiter verschärft“, sagte Sven Clement während der Debatte zum Klimagesetz im vergangenen Dezember. Es ist eine Phrase, die fast von jeder Partei in unterschiedlichen Variationen zu hören war. Anders als der Großteil der politischen Konkurrenz verschließt sich der Ehrenpräsident der Piraten einer Erhöhung des CO2-Preises allerdings nicht.

„Laut den Wissenschaftlern müsste der Preis auf 80 bis 120 Euro pro Tonne angehoben werden. Angenommen, wir halten letzteren Preis fest, dann sollte jeder Bürger zu Beginn des Jahres einen Freibetrag erhalten, der dem zulässigen CO2-Konsum entspricht“, erklärt Sven Clement. Um die Klimaziele zu erreichen, müsse der CO2-Ausstoß pro Kopf auf höchstens fünf Tonnen pro Jahr reduziert werden, rechnet der Pirat vor. Demnach könne bei einem Preis von 120 Euro pro Tonne jeder Einwohner ein jährliches CO2-Budget von 600 Euro erhalten.

Die Wirtschaft ändert sich stets, vor ein paar Jahrzehnten war Luxemburg auch noch von der Stahlindustrie abhängig. Als Politik müssen wir diesen Wandel strategisch begleiten. »Sven Clement, Abgeordneter der Piraten

Wissenschaftler rechnen für Deutschland allerdings eher mit einem CO2-Budget von drei Tonnen. Angesichts des hohen Ressourcenverbrauchs Luxemburgs ist zudem anzunehmen, dass der Wert hierzulande noch tiefer liegen müsste. Laut einer Berechnung von „showyourbudget“ müsste das Großherzogtum bereits in diesem Jahr Netto-Null-Emissionen erreichen, um das 1,5 Grad Ziel mit einer 50-prozentigen Wahrscheinlichkeit einzuhalten.

Die Berechnungen sind pessimistischer als die des Weltklimarates, da auch der Flugverkehr und Rückkopplungseffekte berücksichtigt werden. Zum Beispiel werden durch das Auftauen des Permafrosts zusätzliche Emissionen freigesetzt, die beim IPCC-Bericht nicht in die Analyse miteinbezogen werden. Laut Eurostat liegt der CO2-Ausstoß pro Kopf in Luxemburg noch bei über 20 Tonnen pro Jahr. Es ist ein europaweiter Höchstwert.

Wissenschaftler sind sich allerdings inzwischen auch einig, dass kein Weg an technologischen Lösungen vorbei führt. Da die Regierungen erst sehr spät gegensteuern, müssen Technologien entwickelt werden, um CO2 aus der Atmosphäre zu binden. Genau so stellt sich Sven Clement eine wirksame Klimapolitik vor. „Dann kann das CO2-Budget auch entsprechend erhöht werden. Die Frage ist nur, ob die aktuellen Methoden auch im großen Stil eingesetzt werden können“, so der Parlamentarier.

Investitionen und andere Ideen

„Ich bin mir sicher, dass das eine soziale Maßnahme ist“, meint Sven Clement. Da Geringverdiener auch für weniger CO2-Emissionen verantwortlich sind, würden sie ihr persönliches CO2-Budget kaum oder langsamer aufbrauchen. Wohlhabende Vielflieger würden allerdings umso tiefer in die Tasche greifen müssen – wenn diese Steuer auch auf den Flugverkehr ausgeweitet wird. Es ist eine der wenigen einschneidenden Maßnahmen für Bürger, die der Piraten-Politiker vorsieht. Ansonsten will auch er die Bevölkerung über finanzielle Anreize zu mehr Klimaschutz bewegen.

Dies soll einerseits durch eine viel stärkere Förderung von erneuerbaren Energien und andererseits durch mehr Transparenz erreicht werden. „Der Klimaschutz muss keinem schaden“, sagt Sven Clement. Für die Unternehmen würde sich klimaschädliches Verhalten langfristig ohnehin nicht lohnen. „Die Wirtschaft ändert sich stets, vor ein paar Jahrzehnten war Luxemburg auch noch von der Stahlindustrie abhängig. Als Politik müssen wir diesen Wandel strategisch begleiten“, so der Abgeordnete. Und damit meint er sowohl Verbote, als auch ein groß angelegtes Investitionsprogramm.

Wir müssen den Ernst der Lage deutlich kommunizieren und den Menschen klar machen, dass weniger Treibhausgase nicht unbedingt mehr Verzicht bedeuten, sondern mehr Lebensqualität. »Sven Clement, Abgeordneter der Piraten

Mittlerweile haben die Piraten auf Nachfrage weitere konkrete Ideen parat. Die klimaschädlichen Investitionen des Pensionsfonds sollten laut Sven Clement etwa in ein nationales Fotovoltaik-Projekt fließen. Die Solarpanels würden kostenlos auf den Dächern installiert werden, aber im Gegenzug könnten die Bewohner den eigenen Strom erst nach einer bestimmten Frist nutzen. In der ersten Phase würden sie die Stromrechnung noch an den Fonds zahlen, damit dieser weiterhin eine Rendite erzielen könnte.

Währenddessen müsse den Menschen das klimaschädliche Verhalten auch stärker bewusst werden, fordert Sven Clement. Die Piraten haben im Parlament bereits eine Motion eingereicht, um den CO2-Ausstoß auf jedem Flugticket ersichtlich zu machen. Gleiches gilt für den Fleischkonsum, dort solle vor allem der Preis den tatsächlichen Wert stärker widerspiegeln. Eine umweltschonende Landwirtschaft könne etwa nicht weiter auf Massentierhaltung setzen.

Den gesellschaftlichen Konsens schaffen

„Wir müssen den Ernst der Lage deutlich kommunizieren und den Menschen klar machen, dass weniger Treibhausgase nicht unbedingt mehr Verzicht bedeuten, sondern mehr Lebensqualität“, sagt Sven Clement. Es ist ein Versuch, den die Grünen bereits seit Jahren mit mäßigem Erfolg betreiben. Der Klimaschutz soll positiv besetzt werden – auch, wenn es ganz ohne Verzicht nicht geht.

Der Verbrennungsmotor hat für Sven Clement keine Zukunft. Seine Partei wolle aus dieser traditionellen Technologie „so schnell wie möglich“ aussteigen. Zwar habe er auch seine Bedenken hinsichtlich der sozialen Rechte der Arbeiter, die die Metalle für die Batterieproduktion von Elektroautos fördern, aber die Vorzüge einer Batterie würden hier überwiegen.

Sven Clements Motto lautet: Genau wie die Wirtschaft im Wandel zur CO2-Neutralität begleitet werden soll, soll dies auch für die Bürger gelten. „Wir können nicht länger auf einen gesellschaftlichen Konsens warten, es ist an uns, ihn zu schaffen“, sagt der Abgeordnete in Anlehnung an eine Aussage der Umweltministerin, wonach für künftige Klimaschutzmaßnahmen erst ein gesellschaftlicher Konsens bestehen müsse.

Es bleibt also dabei: Die Piraten wollen dort punkten, wo die Grünen bis jetzt gescheitert sind. Ob tatsächlich allein eine transparente Angabe des CO2-Ausstoßes auf einem Flugticket die Menschen abhält, dieses Transportmittel zu nutzen, ist jedoch zweifelhaft. Auch die Idee, darauf aufmerksam zu machen, welche Welt man einer kommenden Generation hinterlassen will, hat man im politischen Diskurs schon oft gehört. So richtig innovativ ist das alles also noch immer nicht.


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