Luxtram will jene Geschäftsleute der Hauptstadt entschädigen, die unter der Tram-Baustelle leiden. Doch ist die Prozedur langwierig und für Geschäftsinhaber mit viel Ungewissheit verbunden. Unklar ist zudem, auf welche Kompensation sie überhaupt hoffen können.

In der Hauptstadt macht sich die Kundschaft seit einigen Monaten rar. Für einige Geschäftsinhaber besteht kein Zweifel daran, dass der Kunden- und Umsatzrückgang mit den Baustellen vor ihrer Haustür zusammenhängt, wie REPORTER jüngst berichtete. Die Einbußen der Unternehmer würden zwischen 20 und 50 Prozent liegen, sagte der Präsident der „Union commerciale de la Ville de Luxembourg“ (UCVL), Guill Kaempff, vergangene Woche im Interview mit « Radio 100,7 ».

Einige der betroffenen Geschäftsinhaber wollen demnächst einen Entschädigungsantrag bei Luxtram S.A. einreichen. Der Tram-Betreiber ist für die Kompensationszahlungen zuständig. Doch viele machen sich diesbezüglich keine Illusionen. Der Geschäftsführer des Modegeschäfts Extrabold, Antoine Weber, rechnet nicht damit, dass er kurzfristig entschädigt wird. Und auch nicht damit, dass die mögliche Entschädigung angesichts seiner Geschäftszahlen auch nur ansatzweise ins Gewicht fallen werde. Unklar ist, welche Summe ihm überhaupt zusteht.

Höhe der Entschädigungen nicht definiert

Auch Guill Kaempff gab im Interview mit « Radio 100,7″ keine Details, die die Sorgen der Geschäftsleute lindern könnte. „Als UCVL sind wir froh darüber, die Entschädigungen gemeinsam mit der Stadt Luxemburg bei Luxtram verhandelt zu haben, und dass uns eine gewisse Summe zugesprochen wurde. Im Moment sind wir mit dem zufrieden, was wir erreicht haben“, so der Präsident des Geschäftsverbands der Hauptstadt. Um welche Summe es sich handelt, sagte er nicht.

Welche Hilfen können sich Geschäftsleute überhaupt erwarten? Und welche Gesamtsumme stellt Luxtram zur Verfügung? In einer schriftlichen Antwort auf unsere Nachfrage heißt es von Luxtram: „L’envergure du préjudice détermine l’indemnisation qui est décidée au cas par cas selon les dommages subis. Il faut un lien de causalité direct avec les travaux du tram. Il n’y a pas d’enveloppe budgétaire globale. Il n’y a pas de forfait ou d’indemnisation automatique. » Das Budget für die Ausgleichszahlungen sei Teil des Gesamtbudgets des Unternehmens von 345,78 Millionen Euro für die Strecke Kirchberg-Bahnhof.

Dabei heißt es in der internen Geschäftsordnung von Luxtram ausdrücklich: „Luxtram procède au règlement des indemnités décidées par le Conseil d’administration sur proposition du Comité d’indemnisation. Une enveloppe financière est prévue à cet effet pour la durée du chantier du tramway. Un seuil maximal d’indemnisation est fixé.“

Der zuständige Erste Schöffe der Hauptstadt, Serge Wilmes (CSV), hat sich noch nicht mit der Frage befasst. « Als Handelsschöffe bin ich darauf gespannt, welche Entschädigung die Geschäftsleute erhalten werden », sagte er jüngst im Gespräch mit REPORTER. Auch die Bürgermeisterin Lydie Polfer (DP), die im Verwaltungsrat von Luxtram sitzt, konnte diesen Punkt auf Nachfrage nicht beantworten. Die Höhe der Entschädigungen sei nicht im Verwaltungsrat besprochen worden, sagt sie.

Tram-Betreiber will Schäden selbst beziffern

Auf Nachfrage von REPORTER erklärt der Finanzdirektor von Luxtram, Frédéric Guinchan, dass in der Gesetzesvorlage für den Bau der Tram von Kirchberg bis zum Bahnhof rund 20 Millionen Euro für unerwartete Ereignisse vorgesehen sind. Die Entschädigung der Geschäftsleute falle unter diese Kategorie der „Imprévus“. Ein genaueres Budget sei nicht festgehalten worden, bestätigt er. Bei den 20 Millionen Euro handelt es sich um sechs Prozent des Gesamtbudgets – eine eher geringe Summe, wenn man mögliche weitere Unwägbarkeiten beim Bau dieser Tram-Trasse bis Ende 2020 bedenkt.

Es ist unser Ziel, die Pleite der Geschäftsleute aufgrund unserer Baustelle zu verhindern. »Frédéric Guinchan, Finanzdirektor von Luxtram

Warum man bisher kein konkretes Budget für die Ausgleichszahlungen festgelegt habe, erklärt der Finanzdirektor folgendermaßen: „Die Höhe der Entschädigungszahlungen ist vom unmittelbar erlittenen Schaden abhängig. Wir entschädigen die Gesamtheit der erlittenen Schäden, die direkt auf die Tramarbeiten zurückzuführen sind. Wir können also nicht im Vorfeld festlegen, dass wir eine Maximalsumme von 1.000 Euro festlegen, wenn der erlittene Schaden 10.000 Euro beträgt.“ Luxtram habe laut Frédéric Guinchan aber letztlich keine andere Wahl, als den ganzen Schaden zu erstatten, wenn man Gerichtsverfahren vermeiden wolle.

(Foto: Eric Engel)

Nicht die Geschäftsleute, sondern Luxtram beziffert die Schäden. „Wir entschädigen nicht den Einbruch des Umsatzes, sondern den Einbruch der Marge“, betont der Finanzdirektor von Luxtram. Dabei handelt es sich um den Unterschied zwischen dem Verkaufspreis und dem Einkaufspreis nach Abzug der Ausgaben für Personal, Miete und andere Betriebskosten.

Eine solche Berechnung würde bedeuten, dass Unternehmern, die ihre Ausgaben in Voraussicht der Einbußen präventiv gesenkt haben, um hohe Verluste ihrer Geschäfte zu vermeiden, geringere finanzielle Ausgleichshilfen zustehen. Dies gilt auch für Geschäftsinhaber, die möglicherweise die Anzahl ihres Personals reduziert haben. Bei geringeren Ausgaben fällt ein niedrigerer Umsatz bei der Berechnung der Marge weniger ins Gewicht.

Entschädigungen wurden bisher nicht gezahlt

Wie sehr die Geschäftsleute auf diese Ausgleichszahlungen angewiesen sind, ist auch dem Finanzdirektor klar: „Es ist unser Ziel, die Pleite der Geschäftsleute aufgrund unserer Baustelle zu verhindern. Wir wollen ihnen helfen, diese schwierige Periode zu überbrücken und vermeiden, dass sich die Geschäftsleute in einer verzweifelten oder katastrophalen Situation befinden.“ Luxtram S.A. gehört zu zwei Dritteln dem Staat, die Stadt Luxemburg hält das restliche Drittel der Anteile.

Wie die Kommunikationsdirektorin von Luxtram, Françoise Frieden, im Gespräch mit REPORTER bestätigt, wurde bisher noch niemand entschädigt. Bisher seien bei der Firma fünf Anträge eingegangen – drei davon seien aber nicht komplett gewesen. Ein weiteres Dossier wurde als „non-éligible“ verworfen.

Für eine Entschädigung durch Luxtram kommen nur Geschäfte infrage, die sich unmittelbar an der Tram-Trasse befinden und deren Aktivität im Zeitraum der Bauarbeiten im Vergleich zu vorher nachweislich gesunken ist. Lediglich ein einziger Geschäftsmann kann jüngsten Informationen zufolge darauf hoffen, im kommenden Herbst entschädigt zu werden.

Luxtram will Einblick in alle Geschäftszahlen

Die Anforderungen von Luxtram zum Einreichen eines Entschädigungsdossiers sind alles andere als selbsterklärend. Insgesamt hat der Betreiber eine Liste von acht Kriterien ausgearbeitet, die simultan erfüllt sein müssen, um einen Ausgleich zu rechtfertigen.

Hinzu kommt die Offenlegung der Geschäftszahlen. So verlangt die Firma beispielsweise die Darlegung des monatlichen Umsatzes und der jährlichen Marge – diese Zahlen müssen unter allen Umständen für die drei vergangenen Jahren vorgelegt werden. Hinzu kommt eine detaillierte Anfrage bezüglich der Geschäftsbilanz, die über jene Angaben hinausgeht, die im Handelsregister veröffentlicht werden. Angaben also, die von den meisten Geschäftsführern als Betriebsgeheimnis gewertet werden. Nur wer alle Angaben offen mit dem Unternehmen Luxtram teilt, kann überhaupt hoffen, in den Genuss der Entschädigung zu kommen.

Wie es seitens von Luxtram heißt, sollen solch detaillierte Angaben Betrugsversuchen vorbeugen. Der Finanzdirektor von Luxtram erklärt, dass der Firma irreführende Anträge im Ausland bekannt seien. Diese Vorgangsweise soll etwa verhindern, dass Geschäfte tiefrote Geschäftszahlen vortäuschen könnten. Dieses Risiko bestehe insbesondere bei Firmen, die als Mitglied einer großen Gruppe, einen Teil des Ertrags auf dem Papier über andere Filialen verbuchen könnten, um ihre Verluste zu übertreiben.

Die Kehrseite der Prozedur ist jedoch, dass vor allem kleinere Betriebe den Antrag auf Entschädigung aus Zeitgründen und mangelnden Ressourcen scheuen könnten. Denn selbst bei einem einwandfreien Antrag ist eine Kompensation nicht garantiert, wie die bisherigen Anfragen zeigen. Geschäftsleute, die mit der Berechnungsmethode nicht zufrieden sind, steht es laut den Luxtram-Verantwortlichen unterdessen frei, die Abfindungssumme abzulehnen und ein Rechtsverfahren einzuleiten.

Etwas Geduld bleibt weiterhin erfordert

Am Höhepunkt der Baustellen sind die Geschäftsleute indes noch nicht angelangt. In der Avenue de la Liberté soll die Baustelle noch bis ins kommende Jahr andauern. Die Arbeiten konzentrieren sich dabei immer auf unterschiedliche Straßenabschnitte. In einer nächsten Phase sollen die Arbeiten am Boulevard Royal ausgedehnt werden – diese sollen mehrheitlich während der Sommermonate erfolgen.

Geschäftsleute, die sich in der künftigen Shopping-Mall Royal-Hamilius in unmittelbarer Nähe der Baustelle niederlassen, werden aller Logik nach nicht entschädigt. Einbußen im Vergleich zum Zeitpunkt vor den Baustellen werden sie aufgrund ihrer Geschäftseröffnung während den Arbeiten nicht nachweisen können. Auch Geschäftsinhaber, die unter einer anderen Baustelle als die der Tram leiden, werden nicht entschädigt. Der Erste Schöffe der Stadt Luxemburg, Serge Wilmes, bestätigte im REPORTER-Interview, dass dies im Schöffenrat der Hauptstadt bisher kein Thema gewesen sei.


Lesen Sie mehr zum Thema: