Das Schicksal der neuen Verfassung ist ungewiss. Auch die Frage, ob die große Reform am Ende per Referendum verabschiedet werden soll, bleibt umstritten.
Wenn es nach dem Koalitionsprogramm von Blau-Rot-Grün geht, hätte das Referendum über die neue Verfassung längst stattgefunden. Im Laufe des Jahres 2015 sollten die Bürger zunächst über (damals noch geplante) vier « essentielle Fragen » abstimmen. « Ende 2015 » sollte das Volk dann nach einer ersten Abstimmung im Parlament über die gesamte Reform befinden. Es kam bekanntlich etwas anders, als es die reformfreudigen Koalitionäre nach dem Regierungswechsel vorhatten.
Heute befindet sich das Land in einer völlig anderen Situation. Die Arbeiten zur neuen Verfassung sind zwar vorangeschritten. Die Verabschiedung der Reform ist aber auf Eis gelegt. Nach dem für die Regierung ernüchternden Ausgang der Volksbefragung vom 7. Juni 2015 kündigte Oppositionschef Claude Wiseler auf einem Parteikonvent im Oktober 2016 an, dass die CSV ein Referendum nicht mehr in dieser Legislaturperiode mittragen werde. Da für eine Verfassungsreform eine Zweidrittelmehrheit im Parlament benötigt wird, über die die Koalitionsparteien nicht alleine verfügen, war klar: Das Projekt des neuen Grundgesetzes wird auf die Zeit nach den Wahlen vom 14. Oktober 2018 vertagt.
Schon länger hatten sich die Parteien dabei für eine Verabschiedung der neuen Verfassung per Volksabstimmung ausgesprochen. Dazu kann es aber erst kommen, wenn das Parlament die Reform in einer ersten Abstimmung gut heißt. Erst dann könnte es zum Referendum über den ganzen Text kommen, das dann die reguläre zweite Abstimmung im Parlament ersetzt. Damit wäre das Ergebnis auch in jedem Fall bindend.
Die ewige Reform
Die Anfänge der neuen Verfassung gehen auf 1999 zurück. Kurz vor den Wahlen erklärte das Parlament damals fast alle Artikel der aktuellen Verfassung für revisionsbedürftig und öffnete damit den Weg für eine umfassende Reform. Bereits zu diesem Zeitpunkt versprachen CSV und DP in ihrem Koalitionsabkommen ein abschließendes Referendum.
Unzählige Änderungen am ursprünglichen Text von 1868 führten zu einem Flickwerk. Viele Artikel entsprechen nicht mehr der politischen Realität im Land – gerade was die Aufgaben und Rechte des Großherzogs betrifft. Anfangs war das offizielle Ziel eine „Abänderung und Neustrukturierung“. Doch die Arbeiten der parlamentarischen Verfassungskommission gingen schnell darüber hinaus. Ab 2015 – unter der jetzigen Koalition – heißt es ganz offiziell, dass Luxemburg eine völlig neue Verfassung bekommt.
Die Grundfesten des Luxemburger Staates bleiben jedoch. Vieles wird im aktuellen Entwurf klarer geregelt, ohne dass es zu fundamentalen Änderungen kommt. Die einzige Ausnahme ist die Trennung von Kirche und Staat, die endgültig festgeschrieben wird. Ansonsten geht es um Grundrechte, die ausgeweitet und modernisiert werden. Auch die Rolle des Großherzogs wird klarer definiert, wenn es auch im Großen und Ganzen beim Status quo bleibt. Das Parlament bekommt aber etwa ein Vetorecht bei der Thronfolge.
Und schließlich sieht der Entwurf eine Reihe von sogenannten Verfassungszielen vor. Als Beispiele: Jeder hat den Anspruch auf eine angemessene Wohnung (Art. 42) und der Staat achtet auf das Wohlergehen der Tiere (Art. 43). Das sind allerdings vor allem Absichtserklärungen, denn einklagbar sind sie nicht.
Eine heiße Phase
Vergangene Woche wurde die Frage, ob Referendum oder nicht, wieder akut. Auf Radio 100,7 äußerte der CSV-Abgeordnete und Verfassungsexperte Paul-Henri Meyers seine « persönlichen Bedenken » gegenüber einer Volksabstimmung. Claude Wiseler (CSV) und Alex Bodry (LSAP) halten jedoch prinzipiell an der Idee eines Referendums fest. Auch Claude Adam (Déi Gréng) und Simone Beissel (DP) sind nicht dagegen, sind aber skeptisch, was den Ausgang angeht.
Auch der Termin eines Referendums ist nicht unproblematisch. Das entsprechende Gesetz sieht vor, dass keine Abstimmung drei Monate vor und nach Wahlen stattfinden darf. Angesichts der Nationalwahlen diesen Herbst und den Europawahlen im Frühling 2019 wäre das frühstmögliche Datum laut Meyers Herbst 2019.
Die Debatte wird gerade wieder aktueller, weil die Verfassungskommission ihre Arbeiten fast abgeschlossen hat. So stellt sich nun die Frage im Vorwahlkampf, wie die Parteien sich positionieren. Ob Referendum oder nicht, ist dabei die Frage – auch innerhalb der REPORTER-Redaktion. Für Christoph Bumb ist es eine Frage der Glaubwürdigkeit der Politik, dass sie am Referendum festhält. Laurent Schmit meint jedoch, dass das Parlament die Reform so verbockt hat, dass ein Referendum gefährlich ist.