Die Abgeordneten nutzen die Verfassungsreform, um ihre eigene Rolle zu stärken. Das Parlament und besonders die Opposition sollen durch die Reform mehr Rechte zur Kontrolle der Exekutive erhalten. Und auch die Bürger erhalten durch die Volksinitiative mehr Einflussmöglichkeiten.
„Elle (La Chambre des Députés, Anm. d. Red.) contrôle l’action du Gouvernement.“ Es ist dieser Satz, den Charles Margue (Déi Gréng) als „neues Moment“ bezeichnet. Der Berichterstatter der Kapitel der Verfassungsreform über das Parlament und den Staatsrat erkennt in diesem Satz die Leitlinie seines Reformvorschlags. „Während der Covid-Krise war die Regierung öfters verärgert über die parlamentarischen Anfragen. In Zukunft muss sie allerdings liefern“, so der Abgeordnete.
Die neue Formulierung soll die Regierung dazu verpflichten, gegenüber den Parlamentariern Rechenschaft abzulegen. Die Exekutive müsse „auf alle Fragen der Abgeordneten antworten.“ Zudem müssten „alle Informationen und Dokumente, die zur Ausübung des Mandats des Abgeordneten benötigt werden, an die Abgeordneten weitergereicht werden“, so der Reformvorschlag.
Da die Kontrolle der Regierung eine Aufgabe der demokratisch legitimierten Parlamentarier ist, könnte die Abgeordnetenkammer diesen neuen Artikel in Zukunft weit auslegen. Auch diese Passage war im eigentlichen Entwurf für eine neue Verfassung noch nicht vorgesehen und wurde erst im Sommer 2019 vom Institutionenausschuss gutgeheißen.
Opposition erhält mehr Rechte
Die restlichen Artikel übernahm der Berichterstatter aus dem ursprünglichen Entwurf der neuen Verfassung. Bereits im damaligen Vorschlag wurde die parlamentarische Opposition in mehreren Artikeln in ihrer Kontrollfunktion gestärkt. Demnach kann zukünftig ein Drittel der Abgeordneten beschließen, einen Untersuchungsausschuss einzuberufen. Zurzeit wird noch eine einfache Mehrheit benötigt. Dafür müssten Oppositionspolitiker also Abgeordnete der Regierungspartei überzeugen, für einen entsprechenden Antrag zu stimmen.
Wie schwierig das in der Praxis ist, zeigte sich erst vor zwei Wochen. Die Opposition forderte einen Untersuchungsausschuss, um die Affäre um den Satelliten „LUXEOSys“ weiter aufzuarbeiten – allerdings ohne Erfolg. Die Mehrheitsparteien stellten sich gegen den Antrag und verhinderten somit eine weiter gehende Kontrolle durch die parlamentarische Opposition.
Zusätzlich soll das Parlament laut dem Reformvorschlag den Staatsrat beauftragen können, einen Text zu begutachten. Auch dies ist vor allem für Oppositionspolitiker von Bedeutung. Als Premierminister Xavier Bettel (DP) etwa per Erlass die neue Verwaltung des Großherzogs schuf, forderten die Oppositionsparteien, dass der Text auch vom Staatsrat begutachtet werden solle. Als Parlamentarier besitzen sie allerdings zurzeit nicht die entsprechende Befugnis, den Staatsrat damit zu beauftragen. Nun soll in der Verfassung zumindest die Möglichkeit dafür geschaffen werden. Details sollen per Gesetz festgelegt werden.
Neues Initiativrecht für Bürger
Eine weitere Neuerung betrifft auch die sogenannte Volksinitiative – ein Instrument, das in einem entscheidenden Punkt über das Petitionsrecht hinausgeht. Eine Gruppe von 125 Bürgern kann dem Parlament demnach einen regulären Gesetzestext vorschlagen. Erhält dieser mehr als 12.500 Unterschriften, muss die Abgeordnetenkammer öffentlich über den Vorschlag beraten. Eine Verpflichtung, den Text anzunehmen oder ihn den Bürgern als Referendum vorzulegen, gibt es jedoch nicht. Auch hier soll ein Gesetz in Zukunft Klarheit schaffen und eine Prozedur für diese neue Form der Bürgerbeteiligung vorsehen.
Charles Margue rechnet damit, dass der Ausschuss seinen Vorschlag schon in den kommenden Wochen verabschieden könnte. Es wäre die vorletzte Etappe der Verfassungsreform. Anschließend steht nur noch das Kapitel über die Grund- und Menschenrechte aus, das von Co-Berichterstatterin Simone Beissel (DP) verantwortet wird.
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