Erst Frau, jetzt Mann: Jan Berlo wurde als Mädchen geboren, fühlt sich aber dem männlichen Geschlecht zugehörig. Das weiß er schon lange, wollte es aber nicht mit seinen Mitmenschen teilen – bis er sich schließlich im Alter von 19 Jahren outete. Ein Porträt.
« Ich hatte mir vorgenommen, alles für mich zu behalten. Und dann mit 25 alleine zu leben, damit ich so sein kann, wie ich will. » Jan Berlo hatte seinen Traum klar vor Augen – der war aber unrealistisch. Sich zu verschanzen war nie eine Option, das weiß er heute. Also musste er es anders machen.
Jan Berlo ist ein Transmann und wurde 1997 als Mädchen geboren. Er war weiblich, fühlte sich aber als Junge. Er spürte das, es zeigte sich aber auch bei Äußerlichkeiten. « Wenn ich mich für die Schule angezogen habe, war das für mich wie Fasching », sagt Jan. Jeden Tag ein Kostüm überwerfen, jeden Tag Theater spielen.
Von dem Mädchen von früher ist heute nicht mehr viel übrig: Vielleicht noch die weichen Gesichtszüge und die weiblichen Geschlechtsorgane. Doch langsam aber sicher verschwindet das alles. Anfang September lässt Jan sich Brüste und Gebärmutter entfernen. Ein nächster wichtiger Schritt für den 21-Jährigen.
Ein « Outing » per Videobotschaft
Als Kind wusste er, dass er anders war – konnte dieses Gefühl aber noch nicht richtig einordnen. Als Teenager fand er auf Youtube und anderen Onlineplattformen schließlich Menschen, die ähnliches durchlebten wie er. Jugendliche, die ähnliches fühlten, aber nicht wussten, wie sie es zeigen oder leben sollten. Doch online konnten sie darüber sprechen. Das half.
Die meisten Menschen sind von Geburt aus eine bestimmte Person in einem bestimmten Körper, mit einem bestimmten Geschlecht. Bei mir war das nicht so. Warum? »
Mit etwa 15 sagte er Freunden und Familie erst, er sei lesbisch. Dabei wusste er, dass es nicht seine sexuelle Orientierung war, die ihn beschäftigte. Mit 19 drehte er schließlich ein Video. So wollte er seinem Umfeld sagen, dass er sich als Junge fühlt. « Ich habe das Video gemacht, damit ich es nicht jedem einzeln erklären muss », sagt er.
Wie viele Transgender-Personen in Luxemburg leben, ist nicht bekannt. Nicht jeder will sich outen, nicht jeder weiß, dass er auch transgender ist. Zahlen gibt es deshalb keine. Bei seinem Coming Out seien die Reaktionen alle positiv gewesen, sagt Jan. « Ich weiß nicht, ob meine Eltern vorher etwas geahnt haben – darüber gesprochen haben wir nie. Doch sie haben Verständnis gezeigt. » Daraus wurde später aktive Unterstützung. Sie werden Jan zu seiner OP begleiten.
Gleicher Körper, anderes Lebensgefühl
2017 begann Jan mit seiner Anpassung. Anfang des Jahres besuchte er einen Psychiater – ein obligatorischer Termin, um eine Namensänderung beantragen zu können. Am 10. Oktober 2017 erhielt Jan seinen neuen Personalausweis. Vom Gesetz, das es Personen ermöglicht, schneller Namen und Geschlecht zu ändern, konnte er noch nicht profitieren. Es wurde erst letztes Jahr im Parlament verabschiedet. Die Prozedur, die er durchlief, dauerte Monate.
Am 17. März 2017 ist dann Jans « T-Day », wie er sagt. Es ist der erste Tag, an dem er Hormone nimmt. Das Testosteron trägt er in Form von Gel auf den Körper auf. Ein Päckchen enthält 50 Gramm. Die Anpassung war eingeleitet.

Von jetzt an würde auch sein Körper sich ändern, Jan geht offen damit um. Die Entwicklungen hält er auf Instagram fest. Seine Stimme wird tiefer, der Haarwuchs stärker, die Haut unreiner. Er durchläuft noch einmal die Pubertät – dieses Mal als Junge und im Zeitraffer.
Heute macht seine Stimme noch kleine Sprünge wenn er auflacht, dann wird sie kurz heller. Und auch der Bartwuchs kommt – wenn auch nicht so schnell, wie er es sich wünscht. « Abgesehen vom Bart bin ich heute behaarter als mein Bruder und mein Vater », sagt Jan.
Alle sechs Monate geht er zum Endokrinologen, um seine Blutwerte und seinen Hormonspiegel prüfen zu lassen, außerdem geht er regelmäßig zu seiner Frauenärztin. Das führt zu Verwirrungen. « Als ich letztens da war, hat das eine Frau komplett aus der Fassung gebracht », sagt er. « Man hat es ihr regelrecht angesehen. »
Seine Hormonbehandlung wird von der Krankenkasse übernommen. Dafür braucht Jan aber Belege von Psychiatern und diversen Ärzten. Die sammelt er auch in Vorbereitung für Anfang September. In einer Klinik bei Hamburg werden Jan die Brüste und die Gebärmutter samt Eierstöcken entfernt. Auch dafür kommt die Gesundheitskasse auf. Momentan flacht er seine Brüste noch mit einem eng anliegenden Top ab. Das sei zwar unangenehm, bis zur OP aber die einzige Option. Jan ist aufgeregt. Im positiven Sinne. Der Arzt sei gut und für die Operationen bekannt. Ein Jahr lang musste Jan auf den Termin bei ihm warten.
Auch den Aufbau eines Penis will er irgendwann machen lassen. Dafür muss er fünf bis sechs Operationen einplanen. Die Eingriffe sind schwierig, die Kosten hoch. Erst einmal will Jan aber die Operation im September machen, dann seine Ausbildung zum psychiatrischen Krankenpfleger abschließen. Die dauert zwei Jahre – danach schaut er weiter.
Der unangenehme Gang zur Toilette
Jan erzählt aus seinem Alltag und schließt so gut wie jeden Satz und jede Geschichte mit einem Lächeln ab. So, als sei alles nur halb so kompliziert, halb so schwierig, wie man es sich als Außenstehender vorstellt. « Was habe ich denn für eine Wahl? », fragt er – und lacht wieder. « Ich kenne es nicht anders. » Er sagt aber auch: « Die meisten Menschen bekommen das bei der Geburt geschenkt. Sie sind von Geburt an eine bestimmte Person in einem bestimmten Körper, mit einem bestimmten Geschlecht. Bei mir war das nicht so. Warum? »

Was die anderen in ihm sehen oder zu sehen glauben, sieht er als deren Problem an. Derjenigen, die in Schubladen denken. Wie sie denken, hat er aber auch schon zu spüren bekommen. Von Leuten, die ihn weiterhin mit seinem alten Namen rufen, obwohl sie genau wissen, dass er jetzt Jan heißt. Oder die, die ihn nach seinem Sexleben oder seinem Regelzyklus bei Untersuchungen fragen, obwohl das überhaupt nichts mit seiner Behandlung zu tun hat.
Und dann gibt es diese kurzen Momente in der Öffentlichkeit, die unangenehm sind. Der einfache Gang zur Toilette kann Aufsehen erregen, je nachdem für welche sich Jan entscheidet. « Ich habe mich schon öfter gefragt, ob ich wirklich gehen soll oder nicht. Ich weiß, dass ich dafür Blicke ernte », sagt er. Heute ist das aber besser geworden, der Bartwuchs hat geholfen.
Als Junge in der Mädchenschule
In der Schule war alles einfacher. « Meine Klasse war super offen », sagt Jan. Wie es der Zufall will, war er auf einer Mädchenschule – der St. Anne in Ettelbrück. Seine Eltern wollten, dass er dorthin geht. Als Junge in einem Mädchenkörper gefangen und dann auch noch in einer Mädchenschule. Jan war zunächst nicht « amused », wie er sagt. « Ich dachte, ich müsse mich anpassen und einem bestimmten Bild entsprechen », sagt er. Er wollte nicht ausgeschlossen werden.
Als er dann sagte, dass er lesbisch sei, dachten manche, er würde plötzlich auf die ganze Schule stehen. Die Wahrheit war dann für alle einfacher: Als er sich vor seiner Klasse outete, gab es zwar viele Fragen, aber kein Unverständnis.
Er hat die Fragen der anderen beantwortet, Details zu seiner Anpassung erklärt. « Wenn ich etwas erklären kann, mache ich das gerne », sagt er. Man würde beispielsweise « Anpassung » sagen und nicht « Umwandlung » oder « Verwandlung ». Das würde sich so nach Zauberei anhören, sagt er und gestikuliert wie ein Zauberer mit den Fingern vor sich.
Jan weiß, dass er viel er- und aufklären muss. Auch, weil andere Menschen in Kategorien denken. « Ich stehe auf einen Menschen », sagt er. « Ob der jetzt ein Mann, eine Frau oder ein Transgender ist, ist doch egal », sagt er. Bisher fühlte er sich zu Mädchen hingezogen, hatte auch schon eine Freundin, wollte experimentieren. Ob das so bleibt, weiß er nicht. Es sei auch nicht wichtig, sagt Jan Berlo. Jedenfalls nicht so wichtig, wie endlich er selbst sein zu können.
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