Plötzlich wird weltweit darüber diskutiert: Über Menstruation, Binden, Tampons – und was das alles kostet. Das Thema der „Tampon-Steuer“ ist auch in Luxemburg angekommen. Bis sich an der Steuer für Hygieneartikel etwas ändert, kann es aber noch dauern.
Über Sex reden? Das ist schon lange kein Tabu mehr. Über Gendervielfalt? Eigentlich auch nicht. Und über die Periode? Da wird es schwierig. In einer Welt, die sich als offen und aufgeklärt versteht, gilt die Regelblutung immer noch als Tabuthema. Einerseits sprechen Frauen nicht gerne darüber, andererseits wollen Männer nicht viel davon hören. Also wird geschwiegen.
Zumindest war es bis vor kurzem so. In den Sechzigerjahren war die Enttabuisierung von Sex, Verhütungsmitteln und der Periode bereits Thema – danach verstummte die Debatte wieder. Jetzt wurde wieder eine Art „Revolution“ losgetreten. Weltweit setzen sich (meist) Frauen für eine Enttabuisierung der Periode und damit einhergehend für eine Abschaffung der sogenannten „Tampon-Steuer“ ein.
Seit ein paar Jahren beschäftigt das Thema auch Luxemburg. 2016 reichte die wohltätige Organisation „Planning Familial“ eine Petition im Parlament ein und forderte eine „Senkung der Mehrwertsteuer auf Hygieneartikel für Frauen“. Die Petition erreichte die nötigen 4.500 Stimmen nicht, trotzdem wird seitdem in der Gesellschaft und der nationalen Politik darüber diskutiert. An der Besteuerung hat sich bisher allerdings nichts getan.
Binden und Tampons als Luxusartikel?
2015 wurde die Mehrwertsteuer in Luxemburg von 15 auf bei 17 Prozent angehoben. Produkte und Dienstleistungen wurden demnach teurer. Ausgeschlossen von diesen 17 Prozent sind aber Produkte, die für die Menschen als „notwendig“ eingestuft werden. Darunter fallen unter anderem Wasser, Kinderkleidung, Esswaren.
Für diese notwendigen Produkte gilt der sogenannte „Taux de TVA super-réduit“, also ein besonders stark reduzierter Steuersatz von drei Prozent. Davon ausgeschlossen sind aber Hygieneartikel, wie beispielweise Tampons oder Binden. Sie werden mit 17 Prozent besteuert.
Dass Tampons und Co. als Luxusprodukte gehandhabt werden, ist eine erhebliche Diskriminierung der Frauen. »Tilly Metz, Déi Gréng
Sind Hygieneartikel also Luxusartikel? Die Periode der Frau ist ein natürlicher Prozess und Frauen sind auf Pads, Tampons oder Menstruationstassen angewiesen. Notwendig sind sie demnach. „Natürlich sind sie das“, so Fatima Rougi, Sekretärin des Verwaltungsrats vom „Planning Familial“ im Gespräch mit REPORTER. „Deshalb setzen wir uns auch für eine Reduzierung der Steuer ein.“ Dass diese Diskussion überhaupt geführt werden muss, ist für sie „absurd“. Sie sei eher schockiert darüber, dass es nicht mehr Reaktionen aus der Politik zu diesem Thema gebe.
Doch die politische Lage ist komplexer als manche Aktivistinnen annehmen.
Tampon-Steuer ist ein Punkt der Koalitionsverhandlungen
Komplett geht das Problem aber nicht an der Politik vorbei. Unter anderem fordern Déi Jonk Gréng den „Taux de TVA super-réduit“ für Hygieneartikel, also eine Reduzierung von 17 auf 3 Prozent. „D’Regel ass kee Luxus“ titeln sie in einem Facebook-Post. Auch in ihrem Manifest ist diese Forderung verankert. „Frauen werden ganz klar diskriminiert und das ohne Grund“, so Catia Fernandes von Déi Jonk Gréng.
Auch LSAP und die Grünen hatten das Thema in ihren Wahlprogrammen aufgegriffen und angekündigt, über eine Reduzierung der TVA auf 3 Prozent nachzudenken. Tilly Metz von déi Gréng findet im Gespräch mit REPORTER klare Worte: „Dass Tampons und Co. als Luxusprodukte gehandhabt werden, ist eine erhebliche Diskriminierung der Frauen. Es ist eine schreiende Ungerechtigkeit, dass Frauen diesbezüglich bestraft werden. Schließlich handelt es sich um ‚produits de première nécessité‘.“
Unter einer neuen blau-rot-grünen Regierung könnte sich aber etwas tun. Wie es aus dem Wirtschaftsministerium heißt, soll die steuerliche Anpassung von Hygieneprodukten ein Punkt der Koalitionsverhandlungen werden.
Wenn der Wunsch nicht der Realität entspricht
Die Idee einer Senkung der Mehrwertsteuer für Hygieneartikel ist an sich nicht neu. Andere EU-Staaten haben sie bereits gesenkt. In Belgien ist sie in diesem Jahr von 21 auf 6 Prozent gesunken, in Frankreich wurde sie 2015 von 20 auf 5,5 Prozent gesetzt. „Luxemburg gibt sich selbst gerne das Image eines modernen Landes. Bei diesem Thema sind wir aber ganz schön altmodisch“, kritisiert Fatima Rougi.
Die Idee des „Taux de TVA super-réduit“ von drei Prozent für Hygieneartikel hat in Luxemburg allerdings einen Haken. Nämlich, dass das gar nicht umsetzbar ist. Eine EU-Richtlinie verbietet es Luxemburg, im Alleingang auf drei Prozent zu senken.
Auch ein kleiner Sieg ist ein Sieg. »Fatima Rougi, Planning Familial
Nur die Produkte, die in einer spezifischen Liste aufgeführt werden, dürfen einen Satz von 3 Prozent haben – Hygieneartikel sind nicht dabei. Laut Richtlinie dürfte die Steuer bei diesen Waren aber immerhin auf fünf Prozent gesenkt werden, ähnlich wie in Belgien und Frankreich.
Dass es diese Regelung einer Reduktion auf maximal fünf Prozent und nicht drei Prozent gibt, scheint an vielen vorbeigegangen zu sein. „Wichtig ist, dass es überhaupt eine Reduzierung gibt. Drei Prozent, wie auf anderen Produkten hierzulande wäre natürlich ideal, aber Hauptsache es passiert etwas. Fünf Prozent wären auch gut. Es geht uns auch um die Symbolik“, sagt Catia Fernandes von Déi Jonk Gréng.
Gegen „Period Poverty“ – Stadt Aberdeen verteilt kostenlose Tampons und Binden
Binden und Tampons kosten Geld: Glaubt man Berechnungen der Huffington Post, geben Frauen im Leben durchschnittlich etwa 4.500 US-Dollar (3.900 Euro) für ihre Hygieneartikel aus. Für manche werden diese Ausgaben zu einem Problem. In Großbritannien bleiben Schülerinnen während ihrer Periode zuhause, weil sie sich Binden und Tampons nicht leisten können und Angst haben, sich ihre Kleidung in der Schule vollzubluten. Erwachsene Frauen, mit geringem Einkommen würden teilweise auf Zeitungen und alte Kleidung zurückgreifen, weil sie sich die Produkte nicht leisten können, heißt es im Guardian.
In Großbritannien hat das Problem deshalb einen Namen: „Period Poverty“ – Periodenarmut. Die schottische Stadt Aberdeen verteilt deshalb kostenlose Binden und Tampons. Sie werden seit 2016 in öffentlichen Gebäuden wie Gemeindezentren oder auch noch Schulen in den Toilettenräumen angeboten.
Fatima Rougi schiebt die Schuld auf die Politik. „Dass drei Prozent nicht möglich sind, hat uns nie jemand erklärt“, sagt sie. Man sei sich dessen nie bewusst gewesen, dass nur ein Steuersatz von fünf Prozent möglich sei. Aber auch damit kann sie sich anfreunden. „Darüber wären wir glücklich. Auch ein kleiner Sieg, ist ein Sieg.“
Sowohl Rougi als auch Fernandes könnten sich außerdem vorstellen, dass künftig an einigen Orten wie öffentlichen Toiletten kostenlose Hygieneartikel angeboten werden, „damit auch jedem der Zugang für Binden und Tampons ermöglicht wird“, so Fernandes. In anderen Ländern sei das schließlich bereits umgesetzt worden (siehe Infokasten).
Null Prozent Mehrwertsteuer könnte kommen
Ganz untätig ist die Politik – auf nationaler und auf EU-Ebene – nicht. Die EU-Kommission will bei ihrer Regelung nachbessern und den einzelnen Mitgliedstaaten bei der Besteuerung mehr Flexibilität einräumen. Im Januar dieses Jahres beschloss die Kommission deshalb eine Reform der Mehrwertsteuer-Werte. Geht die Reform durch, hätten die Staaten die Möglichkeit, die Mehrwertsteuer für Hygieneprodukte so anzupassen, wie sie es wollen. Auch in einem Mehrwertsteueraktionsplan aus dem Jahr 2016 war bei der Kommission bereits von mehr Freiraum für die einzelnen Staaten die Rede.
Finanzminister Pierre Gramegna (DP) lässt zumindest hoffen. In einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der damaligen grünen Fraktionschefin Viviane Loschetter sagte er 2016, die Regierung wolle prüfen, ob Tampons künftig steuerfrei sein könnten. Einzige Bedingung dafür: Die Reformvorschläge der Kommission müssen Realität werden.