Ein neues Leak deckt die Inhaber Tausender Konten der « Credit Suisse » auf. Laut der « Suisse Secrets »-Recherche von 48 Medien aus aller Welt, darunter Reporter.lu, befinden sich unter den Bankkunden auch Kriminelle, die über diesen Weg ihr Vermögen verbergen konnten. 

Über 100 Milliarden US-Dollar, mehr als 30.000 Kunden, darunter Unternehmer, Politiker sowie Personen, die wegen diverser Straftaten verurteilt wurden: Die „Suisse Secrets“ erlauben Einblicke in die Geschäftspraktiken der Schweizer Großbank « Credit Suisse » und offenbaren, wie das Finanzinstitut jahrzehntelang selbst höchst dubiose Kunden akzeptierte und deren Konten verwaltete.

Der Recherche liegen Daten zugrunde, die der « Süddeutschen Zeitung » von einer anonymen Quelle zugespielt wurden. Die abgedeckte Zeitspanne reicht von den 1940er Jahren bis in das vergangene Jahrzehnt, zum Teil sind die Konten noch heute aktiv. Mehrere Monate arbeiteten Journalisten von insgesamt 48 Medien, darunter Reporter.lu, die Daten auf.

Verurteilte Kriminelle unter den Kunden

Das Ergebnis: Die « Credit Suisse », eines der größten Finanzinstitute der Welt, führte Konten, deren Inhaber aus diversen Gründen als Hochrisiko-Kunden galten. „Von außen gesehen hält sich die Bank an eigene Regeln und erlegte Gesetze auf, aber in Wirklichkeit ist der Umfang ihres Vermögens ausschlaggebend. Wenn der Betrag stimmt, dann schauen sie weg », sagte eine ehemalige Führungskraft der Bank dem « Organized Crime and Corruption Reporting Project » (OCCRP). « Im Private Banking können Kunden ab fünf Millionen Dollar einsteigen, denen wird dann auch auf die Finger geschaut. Aber wenn ein Banker der « Credit Suisse » die Aussicht hat, ein 200-Millionen-Dollar-Konto zu managen, ist es ihm egal, wie blutig das Geld ist. »

Zu den dubiosen Kontoinhabern, die durch die „Suisse Secrets“ enthüllt wurden, gehören ein überführter Menschenhändler, ein wegen Bestechung verurteilter Aktienbroker aus Hong Kong, der frühere Siemens-Manager Eduard Seidel sowie Drogendealer, Betrüger, korrupte Politiker und Beamte aus aller Welt, wie etwa die « Süddeutsche Zeitung » und « The Guardian » ausführlich berichten. Die Staaten mit den meisten in den Daten auftauchenden Kunden sind Venezuela, Ägypten, Thailand und die Ukraine.

Bankgeheimnis und missachtete Pflichten

Die internationalen Recherchen deuten darauf hin, dass die « Credit Suisse » viele Jahre lang die grundlegende Sorgfaltspflicht in Bezug auf die Überprüfung ihrer Kunden missachtete. Wieso dies möglich war, erklärt der Whistleblower der „Suisse Secrets“ in einem Statement: „Ich glaube, dass das Schweizer Bankgeheimnis unmoralisch ist. Der Vorwand, die finanzielle Privatsphäre zu schützen, ist lediglich ein Feigenblatt, um die schändliche Rolle der Schweizer Banken als Kollaborateure von Steuerhinterziehern zu verschleiern.“ Die wirkliche Verantwortung für diesen Zustand liege allerdings « nicht bei den Schweizer Banken, sondern beim Schweizer Rechtssystem », so die anonyme Quelle.

Es ist wahrscheinlich, dass eine signifikante Zahl dieser Konten mit der einzigen Absicht gegründet wurden, das Vermögen der Kontoinhaber vor Steuerbehörden zu verstecken. »Whistleblower der « Suisse Secrets »

Laut dem Whistleblower müsse man die Daten auch durchaus differenziert betrachten: „Es ist mir bewusst, dass es nicht notwendigerweise auf Steuerhinterziehung oder andere Finanzverbrechen hindeutet, wenn man ein Schweizer Bankkonto besitzt. » Dennoch sei es « wahrscheinlich, dass eine signifikante Zahl dieser Konten mit der einzigen Absicht gegründet wurden, das Vermögen der Kontoinhaber vor Steuerbehörden zu verstecken und/oder Steuern auf Kapitaleinträge zu vermeiden.“

« Credit Suisse », eine skandalerprobte Bank

Das „Suisse Secrets“-Projekt ist beispiellos, da es noch nie ein Leck einer Schweizer Bank gegeben hat. Die „Swiss Leaks“ aus dem Jahr 2015 betrafen zwar eine Genfer Bankfiliale – die der « HSBC » – aber keine Schweizer Institution. Die « Credit Suisse » war bereits in einige Skandale verwickelt. Allein in den vergangenen zehn Jahren taucht die Bank in einigen der größten globalen Finanzaffären auf. Dazu gehören etwa Korruptionsskandale in Brasilien und Venezuela. Im Skandal um den malaysischen „1MDB“-Fonds, der bis nach Luxemburg reichte, musste « Credit Suisse » wegen der Missachtung von Anti-Geldwäsche-Regeln eine Geldstrafe zahlen.

Aktuell steht die Bank zum ersten Mal im eigenen Land vor Gericht. Seit Anfang Februar müssen sich das Finanzinstitut, eine ehemalige Anlageberaterin und zwei bulgarische Staatsbürger vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona verantworten. Der Vorwurf: Zwischen 2004 und 2007 sollen die Angeklagten zwischen 40 und 70 Millionen Schweizer Franken aus dem Kokainhandel weißgewaschen haben.

Reaktion auf « Medienanschuldigungen »

Mit den „Suisse Secrets“-Recherchen konfrontiert, reagierte die Bank mit mehreren Statements. Der Tenor: Die aufgedeckten Skandale seien nahezu alle in der Vergangenheit angesiedelt. In der Zwischenzeit seien die Gesetze schärfer geworden und auch die Regeln innerhalb der Bank seien angepasst worden. Die in den journalistischen Publikationen beschriebenen Fälle könnten demnach unter heutigen Umständen gar nicht mehr vorkommen.

« Credit Suisse »

Die « Credit Suisse » wurde 1856 ursprünglich als „Schweizerische Kreditanstalt“ gegründet. Nach einer Reihe von Fusionen deckt sie heute sowohl Private Banking, Versicherungen, Immobilienmanagement, Vermögensverwaltung und Investment Banking ab und gehört zu den größten globalen Finanzdienstleistern. « Credit Suisse » ist mit 49.000 Angestellten in 50 Ländern vertreten, auch in Luxemburg. Bekannte Investoren, die mehr als fünf Prozent der Anteile der Schweizer Großbank halten, sind etwa die „Qatar Investment Authority“ oder „Black Rock Incorporated“.

In der Tat tauscht auch die Schweiz mittlerweile Bankinformationen mit anderen Staaten aus. Laut dem 2017 in Kraft getretenen „Automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten“ (AIA) müssen Schweizer Banken die Kontendaten ihrer ausländischen Kunden unter bestimmten Umständen preisgeben und automatisch an Behörden im Ausland übermitteln – sofern das Herkunftsland ein Abkommen mit der Schweiz hat. Auch Luxemburg hat durch die EU ein solches Abkommen mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft.

Allerdings setzte die « Credit Suisse » in Reaktion auf die „Suisse Secrets“ auch auf eine Verteidigungslinie, die in Luxemburg nicht unbekannt ist: „Diese Medienanschuldigungen scheinen eine abgestimmte Anstrengung zu sein, um die Bank und den Schweizer Finanzplatz zu diskreditieren, die in den letzten Jahren erhebliche Änderungen vorgenommen haben“.


Die „Suisse Secrets“ sind eine journalistische Zusammenarbeit, die auf Daten beruht, die der « Süddeutschen Zeitung » von einem Whistleblower zugespielt wurden. Journalistinnen und Journalisten von insgesamt 48 Medien, darunter Reporter.lu, überprüften Tausende Bankbelege, sprachen mit Insidern und bedienten sich der Daten aus anderen Leaks, um ihre Recherchen zu belegen.

Mehr zu den « Suisse Secrets » lesen Sie bei der « Süddeutschen Zeitung » sowie auf der Webseite des OCCRP.


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