Was war los in der EU? Und was hat das alles mit Luxemburg zu tun? Charlotte Wirth blickt aus Brüssel auf die politischen und medialen Top-Themen der vergangenen Wochen zurück. Dieses Mal: Jean Asselborns Vision von Europa und ein neues Kapitel im Brexit-Debakel.
Am Mittwoch hat Jean Asselborn vor den Luxemburger Abgeordneten die großen Züge der hiesigen Europa-und Außenpolitik vorgestellt. Der Außenminister blieb sich dabei treu und nahm vor allem einen Lagebericht vor: Brexit, Populismus, ein Zerbröckeln der europäischen Werte, schwindende Solidarität. Kurz: Der EU geht es zur Zeit nicht besonders gut, doch ein Weg aus dem Schlamassel ist nicht in Sicht.
Asselborn wünscht sich ein sozialeres Europa und spricht sich – im Gegensatz zur deutschen CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer – für einen europäischen Mindestlohn aus. Europa soll offen und sozial sein, und geschlossen die eigenen, demokratischen Werte verteidigen.
Das gilt insbesondere für außenpolitische Fragen, wo das Einstimmigkeitsprinzip laut Asselborn ein lähmendes Problem darstellt. Allerdings nur für die Außenpolitik. In Steuerfragen sei die Einstimmigkeit völlig legitim, legte Asselborn nach.
Dementsprechend hat die Abgeordnetenkammer vergangene Woche einen Antrag über das Einstimmigkeitsprinzip in Steuerfragen abgelehnt. „Well se komplett iwwerflësseg war“, kommentierte der DP-Abgeordnete Eugène Berger auf Twitter. Die Position Luxemburgs in dieser Frage sei schließlich glasklar.
…well se komplett iwwerflësseg war, well Positioun vun der Regierung kloer ass
— Berger Eugène (@BergerEugene) March 14, 2019
Das Brexit-Debakel geht weiter
Natürlich ging es bei der Rede des Außenministers auch um den Brexit. Die EU müsse bereit sein für einen No-Deal, sagte Asselborn am Mittwoch. Nach den jüngsten Abstimmungen im britischen Parlament bleibt jedenfalls weiterhin unklar, unter welchen Bedingungen Großbritannien die EU verlässt.
Ein kurzer Rückblick: Am Montag versuchte Theresa May in Straßburg bis zuletzt am Brexit-Abkommen zu feilen, das London mit der EU ausgehandelt hatte. Vor dem entscheidenden Votum herrschte eine Stimmung, wie kurz vor dem Weltuntergang: Es sei dieser Deal oder keiner, twitterte Jean-Claude Juncker und betonte: « Das schulden wir der Geschichte ».
Our agreement provides meaningful clarifications & legal guarantees to the Withdrawal Agreement & #backstop. The choice is clear: it is this deal, or #Brexit may not happen at all. Let’s bring the UK’s withdrawal to an orderly end. We owe it to history. https://t.co/lfy9eehEZi pic.twitter.com/XCqcLwZV7V
— Jean-Claude Juncker (@JunckerEU) March 11, 2019
The deal that MPs voted on in January was not strong enough on the backstop. And legally binding changes were needed to get it right. We have now agreed them. pic.twitter.com/7HozA0VcHS
— Theresa May (@theresa_may) March 12, 2019
Doch die Rettungsversuche waren vergebens. Theresa May konnte die Parlamentarier nicht davon überzeugen, dass der in letzter Minute nachgebesserte Deal nun besser sei, als jener, der letzten Monat im Unterhaus durchgefallen war. Am Dienstag stimmte das britische Parlament mehrheitlich gegen das Abkommen.
Doch auch ein No-Deal schmeckte den britischen Abgeordneten nicht. Gegen diesen stimmte London am Mittwoch – wenn auch mit äußerst knapper Mehrheit: 321 zu 278.
Wie schlecht die Stimmung spätestens zu diesem Zeitpunkt war, zeigte der verzweifelte Versuch Theresa Mays, sich Gehör zu verschaffen. Sie hatte inzwischen ihre Stimme verloren. Aus der Symbolik wurde ein Symptom.
WATCH LIVE: PM @Theresa_May makes a statement following the no-deal vote in @HouseOfCommons https://t.co/X1EQDt46Wi
— UK Prime Minister (@10DowningStreet) March 13, 2019
In die Verlängerung?
Der Votum-Marathon setzte sich am Donnerstag fort: Dann nämlich wurde über eine Verschiebung des EU-Austritts Großbritanniens abgestimmt. Das Unterhaus antwortete mehrheitlich mit „Ja“. Wer aber bereits auf ein neues Brexit-Referendum hoffte, wurde enttäuscht. Ein solches lehnten die Abgeordneten ab.
Sie überlassen somit weiterhin Theresa May die Kontrolle. Die Premierministerin soll es richten und bis Juni einen besseren Deal aushandeln. May solle endlich ein Abkommen vorlegen, welches die Mehrheit der Abgeordneten mittragen kann, so die Devise. Ein Ende des Brexit-Dramas ist also immer noch nicht in Sicht.
Doch erst einmal muss die britische Premierministerin die EU27 von der Verlängerung überzeugen. Der Ball liegt nämlich vorerst wieder im Feld der EU Staaten. Sie müssen die Brexit-Verschiebung einstimmig billigen.
Nochmal EU-Wahlkampf?
Doch die Forderung Londons wird wohl oder übel an Bedingungen geknüpft werden. Jean Asselborn etwa machte bei seiner Erklärung am Mittwoch klar: Die Verschiebung muss an Initiativen gekoppelt sein, „di eis weiderbréngen. […] D’Verlängerung kann net zum Zil hunn, de Backstop nees vun ënnen no uewen opzerullen.“
Die Frage, wann die Briten denn nun austreten wollen, ist derweil eng an die Europawahlen gebunden. Treten sie erst nach dem Juni aus, müssen die Briten bei den Wahlen antreten: Am zweiten Juli nämlich wird das neugewählte EU-Parlament das erste Mal zusammentreten. Sind die Briten dann noch Mitglied der EU, müssen sie dort mit 73 Abgeordneten vertreten sein.
Auch in Brüssel ist man sich indes nicht einig. Ratspräsident Donald Tusk wünscht sich eine lange Verlängerung, Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker tendiert zu einem kurzen Aufschub. Wie in so vielen Fragen muss Brüssel die gemeinsame Linie erst finden. Da hilft auch Asselborns Aufruf zu mehr Geschlossenheit nicht.
During my consultations ahead of #EUCO, I will appeal to the EU27 to be open to a long extension if the UK finds it necessary to rethink its #Brexit strategy and build consensus around it.
— Donald Tusk (@eucopresident) March 14, 2019