Die internationale Recherche „Shadow Diplomats“ zeigt: Viele Honorarkonsuln sind in Straftaten oder andere Skandale verwickelt. Auch in der Liste von jenen Ehrenbotschaftern, die Luxemburgs Interessen in der Welt vertreten, ist Reporter.lu fündig geworden.

Eines der Hauptmerkmale von Diplomatie ist, dass sie im Verborgenen stattfindet. Hinter dieser Schattenwelt, in der Berufsdiplomaten die Geschicke der Außenpolitik managen, gibt es ein zweites, noch diskreter agierendes Netzwerk: das der Honorarkonsuln. Diese sind zwar keine offiziell anerkannten Diplomaten. Sie verfügen aber über einen Titel, der sie in den Genuss gewisser Privilegien bringen kann und der sie vor allzu eifrigen Justiz- und Polizeibehörden schützt.

Eine Recherche des « International Consortium of Investigative Journalists » (ICIJ) und « ProPublica » deckt nun auf, dass einige dieser ehrenamtlichen Hilfsbotschafter in kriminelle Machenschaften verwickelt sind. Darunter befinden sich Betrüger, Vergewaltiger, Waffenhändler oder Finanziers von Terrororganisationen. Hinzu kommen Personen, die im Verdacht stehen, fragwürdige Beziehungen zu Diktatoren zu unterhalten oder im eigenen finanziellen Interesse zu handeln.

Auch Recherchen von Reporter.lu über Luxemburgs Honorarkonsuln in Russland und in Kasachstan zeigten bereits, dass die Nominierungen nicht immer über alle Zweifel und politische Kritik erhaben sind.

Botschafter mit Offshore-Kompetenz

Eine genauere Analyse der insgesamt 163 Ehrenbotschafter, die Luxemburg im Ausland vertreten, zeigt: Bei der Auswahl haben fast immer wirtschaftliche Interessen Vorrang. Rund 128 bekleiden eine Stellung im Finanzwesen – oft mit Verbindungen nach Luxemburg. 49 von ihnen betreiben selbst Geschäfte oder haben Interessen am Finanzplatz. 23 Ehrenkonsuln tauchen mit Offshore-Geschäften in den « Panama Papers » oder den « Pandora Papers » auf.

Periodische ‘Screenings’ seitens der Botschaft oder des Ministeriums sind nicht vorgesehen. »Luxemburger Außenministerium

Zu Letzteren gehört auch Gilles Schanen, Luxemburgs früherer Honorarkonsul auf den Bahamas. Der ehemalige « Consul honoraire », der sich selbst auf seiner Facebook-Seite mit Jachten, Privatjets oder Luxusautos in Szene setzt, war CEO der « Pasche Bank & Trust » auf den Bahamas. Die im 19. Jahrhundert gegründete Schweizer Privatbank wurde 2016 von der in Luxemburg ansässigen « Bank Havilland » übernommen. Dokumente aus den « Panama Papers » legen nahe, dass die « Pasche Bank & Trust » Geschäfte über die panamaische Anwaltskanzlei « Mossack-Fonseca » abwickelte – unter anderen mit Gilles Schanen als Vermittler.

2017, ein Jahr nachdem seine Bank unter luxemburgische Flagge wechselte, begannen die Probleme für den Ehrenbotschafter: Die Bank Havilland zeigte Gilles Schanen und zwei seiner Mitarbeiter wegen Verletzung vertraglicher Pflichten an. Es folgte ein jahrelanger Rechtsstreit vor der bahamaischen Justiz. Das Urteil, das Reporter.lu von der zuständigen Richterin zugeschickt wurde, legt nahe, dass der Honorarkonsul keinen besonderen Wert auf Kooperation legte: Er tauchte zu mehreren Terminen nicht auf und über Web-Konferenzen antwortete er « rather sporadically », so die Anmerkung der Richterin. Erst 2021 wurde eine Einigung zwischen den Streitparteien erzielt.

Gilles Schanen selbst wollte die Fragen von Reporter.lu nicht beantworten. Auf Nachfrage teilt das Außenministerium mit, dass der Honorarkonsul seinen Posten 2019 « aus gesundheitlichen Gründen » aufgeben wollte – also zwei Jahre nach der Anzeige durch seinen Arbeitgeber.

Verbindungen zum Cum-Ex-Skandal

Auch an anderen Offshore-Standorten hat Luxemburg Honorarkonsulate, obwohl dort kaum « in Not geratene Luxemburger » stranden. Letztere sind laut dem Ministerium der Hauptgrund, warum es die Ehrenbotschafter überhaupt gibt. Diese sind etwa in Barbados, Monaco, Andorra oder Liechtenstein angesiedelt. Sämtliche Konsuln an diesen Standorten sind mit dem hiesigen Finanzplatz vernetzt.

« Eine Vielzahl der von Luxemburg ernannten Honorarkonsuln sind im wirtschaftlichen Bereich tätig und werden wegen ihres beruflichen Netzwerks und ausgezeichneter Kenntnisse der örtlichen und regionalen Verhältnisse vorgeschlagen und ernannt », antwortet das Außenministerium in diesem Punkt auf Nachfrage von Reporter.lu. Diese Ernennungen würden denn auch meistens « in Koordination mit dem Wirtschaftsministerium » erfolgen.

Was ist ein Honorarkonsul?

Zuletzt definiert wurde die Funktion in der Wiener Konvention im Rahmen der Vereinten Nationen. Diese legte die Grundsätze für die Nachkriegsdiplomatie fest und regelte auch die Rechte und Pflichten der Ehrenkonsuln. Luxemburg unterschrieb die Konvention 1964 und ratifizierte sie 1972. In Wien wurde festgehalten, dass die diplomatische Immunität von Honorarkonsuln nur im Rahmen ihrer konsularischen Tätigkeiten gilt. Die Honorarkonsuln erhalten keinen « blauen » – also diplomatischen – Pass, der sie von Grenzkontrollen ausnehmen würde. Auch verrichten sie ihre Tätigkeit unentgeltlich. Ihre Büroräume und die Korrespondenz, die sie in diesem Rahmen nutzen und tätigen, sind aber vor Durchsuchungen geschützt.

Wie viel die Ernennungen mit der Wirtschaft und vor allem dem Finanzplatz zu tun haben, zeigt allein, dass 78 Prozent der Honorarkonsuln mit dem Finanzwesen in Verbindung stehen – sei es als Geschäftsanwalt, Notar, Fonds-Verwalter oder Banker. Auch in diesem Bereich kann es problematische Fälle geben, wie der Fall von Dr. David Lohmann, Luxemburgs Honorarkonsul in Hannover, nahelegt.

David Lohmann wurde 2012, ein Jahr nachdem er seinen Vorstandsposten bei der Luxemburger Filiale der « Warburg-Bank » aufgegeben hatte, zum Honorarkonsul in Hannover ernannt. Dort wechselte er in den Vorstand des Bankhauses « Hallbaum », das zur Warburg-Bank gehört. Seit 2020 ist er Geschäftsführer der « Warburg-Invest » und seit 2022 Vorstand der Mittelstands- und Wirtschaftsunion Hannover.

Die Warburg-Bank steht im Mittelpunkt des internationalen « Cum-Ex »-Skandals. Auch David Lohmann wird laut Informationen von Reporter.lu von der Staatsanwaltschaft Köln in den Cum-Ex-Ermittlungen als Beschuldigter geführt. Dies betrifft unter anderem seine Rolle bei der Warburg-Filiale im Großherzogtum. Eine Durchsuchung seiner Büros und E-Mails wurde angeordnet.

Der Banker und Luxemburger Ehrenbotschafter ließ Interview-Anfragen von Reporter.lu unbeantwortet. Das Außenministerium verweist auf die Unschuldsvermutung, stellt aber auch klar: « Sollte ein Honorarkonsul wegen eines schwerwiegenden Vergehens vor Gericht strafrechtlich verurteilt werden, würde dies zu einer Aberkennung seines Mandats führen. »

Nebensache Menschenrechte?

Ein weiteres Beispiel ist der Hamburger Reeder Hermann Ebel, Luxemburger Honorarkonsul in der Hansestadt und Geschäftsführer der « Hansa Treuhand AG ». Ende Januar 2021 durchsuchte das Landeskriminalamt Hamburg Büroräume von Hamburger Reedern, unter ihnen auch Ebel. Der Vorwurf: Die illegale Abwrackung von Schiffen in Indien und Bangladesch.

Diese « Beaching » genannte Prozedur, bei der Schiffe direkt am Strand auseinandergenommen werden, verstößt sowohl gegen Umweltverordnungen als auch gegen Arbeitsrechte. Die Ermittlungen ins Rollen gebracht hatten Berichte der NGO « Shipbreaking-Platform », wonach Hermann Ebels Firma in den Top-Ten der schlimmsten Umweltsünder landete. Der Honorarkonsul wollte sich auf Nachfrage von Reporter.lu nicht dazu äußern.

Das Außenministerium erklärt seinerseits, dass es « keine Stellung zu Verdächtigungen durch die Presse oder NGOs » beziehen werde. « Sollte es Beweise über konkrete Verfehlungen geben, würde das Außenministerium angemessene Maßnahmen treffen », so ein Sprecher von Außenminister Jean Asselborn (LSAP).

Die gleiche Antwort gilt für den Honorarkonsul von Monaco, Edmond-Patrick Lecourt. Der CEO der Makler-Agentur « Savent Brokers » und Nachkomme einer Seifenhersteller-Dynastie aus Marseille, macht vor allem Geschäfte mit Weizen aus Afrika. Eine 2019 veröffentlichte Recherche des Magazins « AfricaIntelligence » legt nahe, dass Lecourt andere Nebenverdienste hat. Der Vorwurf: Er sei afrikanischen Oligarchen bei der Gründung monegassischer Firmen behilflich, um Geld aus ihren Heimatländern verschwinden zu lassen. Auch Edmond-Patrick Lecourt ließ eine Interviewanfrage von Reporter.lu unbeantwortet.

« Shadow Diplomats »

Das « International Consortium of Investigative Journalists » (ICIJ), zusammen mit der amerikanischen NGO « ProPublica », hat sich die Welt der Ehrenkonsuln genauer angeschaut. Die Recherche basiert nicht auf einem Leak, sondern auf öffentlich zugänglichen Dokumenten. Das Resultat: Eine Liste von 500 Ehrenkonsuln weltweit, die entweder in kriminelle Machenschaften verstrickt sind oder zumindest unter Verdacht stehen. Es wurden Unterstützer der Terrororganisation Hisbollah gefunden, Vergewaltiger, Betrüger und weitere Kriminelle, die das Amt des Honorarkonsuls missbrauchten, um sich entweder zu schützen oder um Zugang zu gewissen Kreisen zu erlangen. Die Liste erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, sondern reflektiert die Arbeit von 160 Journalisten aus 46 Ländern, die sich an der monatelangen Recherche beteiligt haben.

Dies sind nur einige Beispiele von Honorarkonsuln, die mit dem Gesetz oder den Menschenrechten in Konflikt geraten sind. Reporter.lu hatte in einer vorausgegangenen Recherche bereits darauf hingewiesen, dass der Honorarkonsul in Nursultan in Kasachstan, Aldiyar Kaztayev, « Deputy CEO » von « Eurasian Natural Resources » (ERG) ist. Ein Unternehmen, das nicht nur in der kasachischen Steppe wertvolle Mineralressourcen ausschöpft, sondern auch Kobalt und Kupfer in Afrika abbaut. Kaztayev ist inzwischen selbst zurückgetreten, da er die kasachische Staatsbürgerschaft aufgegeben hat. Auch dem Konzern ERG hat er inzwischen den Rücken gekehrt.

Nähe zu politischen Eliten

Inwiefern ist das Außenministerium über die nicht immer ehrenwürdigen Aktivitäten seiner Ehrenbotschafter im Bilde? Auf die Frage nach einer Überwachung der Honorarkonsuln heißt es: « Periodische ‘Screenings’ seitens der Botschaft oder des Ministeriums sind nicht vorgesehen, weil die verschiedenen Honorarkonsuln ja im Prinzip mit den Botschaften oder dem Außenministerium zusammenarbeiten. »

Doch auch jenseits legaler Unstimmigkeiten wirft die Liste der Honorarkonsuln Fragen auf. In mehreren Ländern, in denen die Demokratie unstabil scheint, hat Luxemburg Vertreter ernannt, die der dortigen politischen Macht nahestehen. So etwa in Sri Lanka, wo Suwanitha Senanayake das Großherzogtum vertritt. Die Unternehmerin, die im Verwaltungsrat des Konzerns « Freudenberg Shipping » sitzt, ist eine Nachfahrin von D.S. Senanayake, der die Unabhängigkeit der Insel von den Briten herbeiführte. Der Familienclan besitzt bis heute ein gewisses Gewicht in der Politik des Landes, zwei Verwandte von Suwanitha Senanayake waren bis vor Kurzem Minister – in einem Land, das immer noch von einem blutigen Bürgerkrieg zwischen sri-lankischer Bevölkerung und tamilischer Minderheit geprägt ist.

Das Vermögen eines Kandidaten hat nichts mit der Auswahl eines Honorarkonsuls des Großherzogtums Luxemburg zu tun. »Luxemburger Außenministerium

Ähnlich sieht es in Honduras aus. Dort stammt der Honorarkonsul von Luxemburg aus einer der reichsten und einflussreichsten Familien des Landes. Henri Kafie ist dabei nur einer von fünf Honorarkonsuln aus dem Clan: Andere Familienmitglieder repräsentieren Finnland, Jordanien, Lettland und Jamaika. Die Kafie-Familie kontrolliert die Tankstellen, die Lebensmittelzufuhr und die Medikament-Importe des zentralamerikanischen Staates – ein Bericht der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahre 2020 bezeichnet sie als « eine der mächtigsten Familien des Landes ».

Auch in der Türkei hat sich Luxemburg eine Honorarkonsulin ausgesucht, die der wirtschaftlichen und politischen Elite angehört. Suzan Sabanci, laut dem Magazin « Forbes » selbst Milliardärin, gehört in dritter Generation dem Sabanci-Clan an, der mit der gleichnamigen Holding-Gesellschaft eines der größten Konglomerate des Landes kontrolliert. Auch wenn Forscher der « Sabanci-Universität » den autokratischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in der Vergangenheit manchmal kritisch darstellten, so ist es schwierig, in der Türkei an einer Zusammenarbeit mit dem Staat vorbeizukommen. Andere Mitglieder ihrer Familie unterstützten den Aufstieg des AKP-Leaders explizit, wie ein Auszug aus einer Dokumentation zur Partei belegt.

Luxemburgische Interessen

Zur Frage, warum so viele Honorarkonsuln aus politischen und wirtschaftlichen Eliten stammen oder diesen zumindest nahestehen, ist die Argumentation des Ministeriums zweideutig: Einerseits « darf ein Honorarkonsul kein politisches Mandat ausüben und keinen Beruf, der zu Konflikten im Zusammenhang mit seinen ehrenamtlichen Aufgaben führen könnte ». Andererseits « sollen die Honorarkonsuln natürlich gut vernetzt sein, aber nicht ausschließlich politisch ». Die Tatsache, dass viele von denen, die Luxemburg im Ausland vertreten, Millionäre oder Milliardäre sind, sieht das Ministerium als nebensächlich: « Das Vermögen eines Kandidaten hat nichts mit der Auswahl eines Honorarkonsuls des Großherzogtums Luxemburg zu tun », heißt es.

Welches Bild geben die Honorarkonsuln von Luxemburg in der Welt ab? Offiziell gilt, dass für die Ernennung « spezifische Kriterien betrachtet » würden. Diese orientierten sich « an den Interessen Luxemburgs in einem bestimmten Land ». Auffällig ist, dass Luxemburgs Vertreter zur großen Mehrheit nicht aus der weiteren Zivilgesellschaft stammen. Nur sieben Konsuln sind Ärzte, sechs lehren an einer Universität und zwei sind im Kulturbereich tätig.

Demnach scheinen Luxemburgs Interessen größtenteils in der Vernetzung seines Finanzplatzes zu liegen und sekundär anderen wirtschaftlichen Interessen zu dienen. Eine kulturelle oder demokratische Mission scheinen die wenigsten Honorarkonsuln zu haben. Das Außenministerium sieht jedoch keinen Grund, die bisherige Praxis infrage zu stellen. Die Honorarkonsuln würden « eine wichtige Hilfe » bleiben, « um die Stimme Luxemburgs über die Hauptstädte hinaus in andere Regionen zu tragen ».


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