In einigen Seniorenresidenzen besteht der Verdacht, dass Betreiber die Gutgläubigkeit von älteren Menschen für ein lukratives Geschäft ausnutzen. Jetzt will Familienministerin Corinne Cahen durchgreifen und gewisse Missbräuche per Gesetz verhindern.

670.000 Euro für eine 110-Quadratmeter-Wohnung in Berdorf, 900.000 Euro für eine ähnlich große Wohnung in Diekirch: REPORTER hatte im Juli von überteuerten Seniorenwohnungen berichtet, und darüber, wie Immobilienmakler Rentner täuschen können.

Einige Seniorenresidenzen sind dabei besonders problematisch. Ins Kreuzfeuer der Kritik sind besonders jene Betreiber geraten, die Wohnungen zum Kauf anbieten und mit einer 24-stündigen Pflege werben, obwohl sie kein eigenes Pflegepersonal in ihren Häusern beschäftigen. Sie greifen auf externe Pflegedienste zurück. Ihren Bewohnern stellen einige von ihnen anschließend jeden Monat feste Kosten für den Bereitschaftsdienst dieser Pflegekraft in Rechnung. Dabei werden den Senioren solche Zusatzkosten beim Kauf der Wohnung nicht immer transparent mitgeteilt. Zahlen müssen alle Bewohner – auch wenn einige die Pflegedienste überhaupt nicht nutzen.

Im Gespräch mit REPORTER erwähnten Betroffene Summen von 1.200 bis 1.600 Euro, die in bestimmten Wohnungen pro Monat für den externen Pflegedienst fällig werden. Welcher Pflegedienst für das gesamte Haus zuständig ist, wird dabei von der Eigentümergemeinschaft entschieden. Oft kann sich ein Bewohner in besagten Residenzen seinen eigenen Pflegedienstleister nur dann selbst aussuchen, wenn er zusätzliche Kosten stemmen kann oder diese von der Pflegeversicherung übernommen werden. Die für Senioren zuständige Familienministerin Corinne Cahen (DP) will diese Praxis nun unterbinden.

Ministerium wusste Bescheid

Bereits vor den Wahlen im vergangenen Oktober hatte sich die Ministerin mit dem Verbraucherschutzverband ULC und dem Dachverband der Pflegedienstleister COPAS über die Problematik der nicht reglementierten Seniorenwohnungen ausgetauscht. Gegen einen bestimmten Immobilienmakler hat die COPAS im November 2018 eine Klage wegen vergleichender, irreführender und abwertender Werbung erstellt.

« Uns ist aufgefallen, dass es Probleme bei einigen Seniorenresidenzen gab, bei denen den Menschen die Katze im Sack verkauft wurde », sagt Corinne Cahen nun im Gespräch mit REPORTER. « Es gibt einige Immobilienmakler, die den Menschen das Blaue vom Himmel versprechen. »

Im neuen Gesetz wollen wir sicherstellen, dass kein Betreiber seinen Bewohnern einen Pflegedienst aufzwingen kann. »Familienministerin Corinne Cahen

Dabei nuanciert die DP-Ministerin: « Es gibt aber nicht nur Missbräuche. Ich gehe davon aus, dass die Mehrheit der Fälle keine Missbräuche darstellen. Viele Seniorenresidenzen funktionieren sehr gut. »

(Foto: Matic Zorman)

Die Ministerin betont zudem, dass der Staat ältere Menschen nur bedingt vor dem Kauf einer Wohnung mit zweifelhaftem Angebot und vor einem möglichen Missbrauch schützen kann.

« Der Staat kann nicht in den eigenen Willen der Senioren eingreifen. Jeder muss für sich wissen, was er unterschreibt und wo er sich eine Wohnung kauft, um sich nicht täuschen zu lassen », sagt dazu Corinne Cahen. « Wir können lediglich aufklären, so wie wir Senioren auch im Rahmen anderer Kampagnen aufklären und ihnen sagen ‘Looss dech net beducksen’. »

Es gibt einige Immobilienmakler, die den Menschen das Blaue vom Himmel versprechen. »Familienministerin Corinne Cahen

Dennoch soll das Gesetz für Betreiber von Seniorenwohnungen überarbeitet werden. « Im neuen Gesetz wollen wir sicherstellen, dass kein Betreiber seinen Bewohnern einen Pflegedienst aufzwingen kann. Jeder pflegebedürftige Mensch muss sich seinen Pflegedienst selbst aussuchen dürfen », erklärt Cahen. « Jeder muss diesbezüglich seine eigenen Entscheidungen treffen dürfen. »

Wie die Ministerin betont, wird dann kein Betreiber den Menschen einer Seniorenresidenz feste Nebenkosten mehr vorschreiben können, um einen Pflegedienst mitzufinanzieren. Wann die Reform im Parlament eingereicht werden kann, ist noch ungewiss.

Eine umstrittene Bezeichnung

Dass sich einige ältere Leute beim Ministerium über ihre Seniorenresidenz beklagen und schildern, wie sie « Opfer von Missbrauch » wurden, hängt auch mit der Bezeichnung « Logement encadré » zusammen, die einige Betreiber fälschlicherweise benutzen.

Diese Bezeichnung bedarf nämlich einer ministeriellen Zulassung. Allerdings ist sie für Anbieter auch mit Auflagen verbunden. Einige Betreiber verzichten deshalb freiwillig auf die ohnehin nicht obligatorische Zulassung und bieten dennoch eine sehr ehrenwerte Versorgung an. Andere benutzen ihrerseits die luxemburgische (« Betreit wunnen ») oder deutsche Übersetzung (« Betreutes Wohnen »), die im Gegensatz zur französischen Variante « Logement encadré » rechtlich nicht geschützt ist und zur Gutgläubigkeit der älteren Bevölkerung beitragen kann.

Die Bezeichnung « Logement encadré » will die Familienministerin deshalb künftig abschaffen. „Wir werden diese Bezeichnung aus dem Gesetz streichen, denn sie bringt überhaupt nichts. Sobald Betreiber ihr Wohnungsangebot für Senioren anders umschreiben, haben wir als Ministerium keine Handhabung darauf“, so Corinne Cahen. Konkret heißt das, dass nach dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes keine solche Zulassungen mehr vom Familienministerium genehmigt werden.

Ich denke, dass die Bezeichnung ‚logement encadré‘ dem Staat über den Kopf gewachsen ist. Diese Zulassung ist in meinen Augen längst überflüssig und bringt den Betreibern nichts. »Ein Leiter mehrerer Seniorenresidenzen

Dass die Bezeichnung « logement encadré » abgeschafft werden soll, findet ein befragter Leiter von mehreren Seniorenresidenzen begrüßenswert. « Ich denke, dass die Bezeichnung ‚logement encadré‘ dem Staat über den Kopf gewachsen ist. Diese Zulassung ist in meinen Augen längst überflüssig und bringt den Betreibern nichts“, sagt der Leiter, der seinen Namen nicht in der Presse lesen will.

Im neuen Gesetz soll auch wegfallen, dass in einer Seniorenresidenz lediglich Menschen wohnen dürfen, deren Pflegebedarf die Pflegestufe von 12,5 Stunden Hilfestellung pro Woche nicht übersteigt. Bisher mussten pflegebedürftige Menschen über diese Pflegestufe hinaus in ein Alten- oder Pflegeheim umziehen.

Ministerium hat bereits durchgegriffen

Vor der Veröffentlichung unseres letzten Artikels zum Thema, versicherten das Familienministerium und das Ministerium für Verbraucherschutz, dass man sich die Webseiten der Anbieter von Seniorenresidenzen genauer anschauen wolle. Man werde jene Anbieter verwarnen, die den Begriff « Logement encadré » ohne Zulassung nutzen und so zur Verwirrung der älteren Bevölkerung beitragen würden.

Das ist mittlerweile passiert. Die von einem Immobilienmakler betriebene Homepage logementencadre.lu gibt es heute nicht mehr unter dieser Domain. Der Inhalt dieser Webseite wurde nun auf die Webseite logementadapte.lu verlagert. Wie das Familienministerium bestätigte, verfügte dieser Anbieter nicht über die für diesen Begriff nötige Zulassung.


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