Die öffentliche Hand soll mehr Mietwohnungen zu erschwinglichen Preisen bauen, sagt Sam Tanson (Déi Gréng). Über den Einfluss des Staates auf die Preisentwicklung am gesamten Wohnungsmarkt macht sich die neue Ministerin jedoch keine Illusionen.

Interview: Laurence Bervard

Sam Tanson, Ihr Vorgänger Marc Hansen (DP) sprach immer davon, dass die Hauptkompetenz des Wohnungsbauministeriums darin liege, staatliche Zuschüsse zu verteilen. Wie sehen Sie Ihre Mission?

Ein großer Teil besteht darin, andere zu motivieren, damit sie Dinge umsetzen. Ich denke aber auch, dass man Impulse geben kann für neue Wohnformen, Wohnungsgenossenschaften, einen legalen Rahmen für die Vermietung und die Untervermietung, eine gerechtere Aufteilung der Vermittlungsgebühren. Der Hauptakzent im Koalitionsabkommen und meine Analyse der Situation ist, dass wir unbedingt mehr erschwinglichen Wohnraum schaffen sollen. Hier gibt es einen Mangel. Der Bau durch die öffentliche Hand soll sich demnach nicht auf den Bau von Sozialwohnungen oder Wohnungen zum Verkauf beschränken. Viele Menschen können sich den Kauf einer Wohnung einfach nicht mehr leisten. Die Priorität soll auf erschwinglichen Mietwohnungen liegen, die unter dem Marktpreis angeboten werden.

Ein Ziel dieser Koalition ist in der Tat die Schaffung eines größeren Angebots an erschwinglichen Mietwohnungen. Wie wollen Sie das erreichen?

Bei Mietwohnungen muss der Preis an das individuelle Einkommen gebunden sein. Wenn die öffentliche Hand baut und vermietet, müssen wir auch schauen, was sich jeder individuell leisten kann. Die zu zahlende Miete muss dementsprechend berechnet werden. Wir analysieren derzeit, wie individuell diese Berechnungen sein können. Und was überhaupt umsetzbar ist. Aber die Preise sollen auf jeden Fall nach Einkommenskategorie festgehalten werden. So könnte es also in einem selben Wohnviertel Mietwohnungen für Menschen mit unterschiedlichen Einkommenskategorien geben.

Auch wenn das vielleicht für einige defätistisch klingt: Ich sehe nicht, dass die Regierung durch gezielte Maßnahmen einen Einfluss auf die Preisentwicklung nehmen und dazu beitragen könnte, die Preise massiv herunterzusetzen. »

Soll dieser erschwingliche Wohnraum ausschließlich von öffentlichen Bauträgern angeboten werden?

Ich verschließe mich nicht der Idee, dass wir auch den Privatmarkt einbinden können, wenn wir die richtigen Bedingungen und Kontrollen dafür schaffen. So oder so muss das Gesetz von 1979 zu den staatlichen Wohnungsbeihilfen reformiert werden. Das wird eine der größten Baustellen dieser Legislaturperiode. Das betrifft einerseits die Wohnungsbauhilfen für Bürger, aber auch staatliche Zuschüsse für Gemeinden, nicht gewinnorientierte Vereinigungen und auch bereits heute private Bauherren.

Es sollen also strengere Regeln für die Vergabe der Gelder her?

Wenn der Staat eine Wohnung mitfinanziert, bin ich der Ansicht, dass diese später zu einem erschwinglichen Preis angeboten werden muss und dass dieser Preis dem Einkommen der Bewohner entsprechen soll. Auch die Modalitäten des Vorkaufsrechts müssen geprüft werden. Sollten die von uns mitfinanzierten Wohnungen zu einem späteren Zeitpunkt verkauft werden, möchte der Staat die Wohnung natürlich nicht zum vollen Marktpreis zurückkaufen. Eine Idee wäre es, jene Summen, die der Staat mitfinanziert hat, vom späteren Verkaufspreis abzurechnen.

Auch die Rolle der Gemeinden als Bauträger soll gestärkt werden. Wie wollen Sie sie zum Bauen ermutigen, ohne Quoten von zu bauenden Wohnungen einzuführen?

Das Stichwort heißt: Pacte Logement, genauer gesagt die Neuauflage des Pacte Logement. Wir prüfen in einer Arbeitsgruppe, wie die staatlichen Hilfen direkt in den Wohnungsbau, genauer gesagt in den erschwinglichen Wohnungsbau fließen können.

Genau das ist beim jetzigen Pacte Logement nicht der Fall. Von den bezuschussten 380 Millionen Euro flossen lediglich zwei Prozent in den Wohnungsbau. Der Großteil der Gelder wurde in den Bau von kommunalen Infrastrukturen investiert. Ist der jetzige Pacte Logement gescheitert? 

Ich möchte nach vorne schauen aber man muss natürlich aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. Bei einer Neuauflage müssen wir zusehen, dass tatsächlich der Wohnungsbau bezuschusst wird. Der neue Pacte Logement muss zielorientierter werden. Es reicht nicht, mehr Wohnungen zu bauen und dafür staatliche Hilfen beziehen zu können. Das entspricht nicht meiner Sicht der Dinge. Für mich soll erschwinglicher Wohnraum gebaut werden.

Wie ist es zu rechtfertigen, dass Sie mehr mit den Gemeinden bauen wollen, obwohl diese in den vergangenen Jahren im Vergleich zu den öffentlichen Bauträgern sehr wenig gebaut, aber verhältnismäßig mehr Geld dafür bekommen haben?

Wir haben als Staat eine begrenzte Anzahl von Grundstücken und von öffentlichen Akteuren. Die Gemeinden sitzen an der Quelle. Sie sind oft Besitzer von Grundstücken und wissen, wo es innerhalb der Gemeinde Bauland gibt. Sie haben eine Handhabung auf die kommunale Landesplanung und die Bebauungspläne und können diesbezügliche Entscheidungen treffen.

Einige Bürgermeister hegen Ängste bezüglich des sozialen Wohnungsbaus, weil sie da möglicherweise schlechte Erfahrungen gemacht haben. Diese Angst möchte ich ihnen nehmen. »

Wie wollen Sie die Gemeinden zum Bauen dieser erschwinglichen Wohnungen motivieren?

Ungefähr die Hälfte der Gemeinden hat bisher noch nicht mit uns gebaut. Man muss sich fragen, woran das liegt und viel gezielter auf Gemeinden zugehen. Generell wollen wir schauen, wo die Gemeinden uns brauchen. Braucht es mehr Überzeugungsarbeit oder scheitert es für sie an der Logistik? Welches Know-how können wir ihnen zur Verfügung stellen? Einige Bürgermeister hegen Ängste bezüglich des sozialen Wohnungsbaus, weil sie da möglicherweise schlechte Erfahrungen gemacht haben. Diese Angst möchte ich ihnen nehmen. Ich denke, dass sie sich beim erschwinglichen Wohnungsbau keine Sorgen machen müssen, sondern froh sind, wenn sie ihren Mitbewohnern eine Gesamtkategorie von erschwinglichen Wohnungen anbieten können.

Gegenwärtig werden 51 Prozent der staatlich bezuschussten Wohnungen in Planung zum Verkauf angeboten. Welche Rate von Mietwohnungen wollen Sie anstreben?

Ich sage keineswegs, dass man nur noch Mietwohnungen bauen muss. Immerhin möchten die Menschen ja kaufen und zu Eigentümern werden. Es sollen sowohl Wohnungen zum Verkauf als auch zur Miete angeboten werden, die Priorität soll aber auf erschwinglichen Mietwohnungen liegen.

Ist es realistisch, dass die Schaffung von erschwinglichen Mietwohnungen einen Einfluss auf die Preisentwicklung auf dem freien Markt haben wird?

Die Preise sind ganz sicher ein Riesenproblem. Auch wenn das vielleicht für einige defätistisch klingt: Ich sehe nicht, dass die Regierung durch gezielte Maßnahmen einen Einfluss auf die Preisentwicklung nehmen und dazu beitragen könnte, die Preise massiv herunterzusetzen. Die öffentliche Hand kann aber eine Alternative zum teuren Wohnungsmarkt bieten. Ich glaube und hoffe auch, dass wenn wir das lange und intensiv machen, das auch einen Einfluss auf die Wohnungspreise haben wird.


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