Internationale Recherchen zeigen: Die Familie des Putin-nahen Oligarchen Wladimir Jakunin tätigte fragwürdige Immobiliendeals in ganz Europa. Ein Großteil des Netzwerks läuft über Luxemburg. Jakunin ist auch bekannt als Sponsor rechter Bewegungen.
Mitte August veröffentlichten unabhängige Journalisten aus Deutschland, Österreich, Großbritannien und Russland Resultate einer jahrelangen Recherche über die Netzwerke von Wladimir Jakunin in Europa. Es geht um zwielichtige Immobiliendeals, die über den Sohn des Oligarchen gelaufen sein sollen. Dabei stehen Hotels in Europa und in Russland im Mittelpunkt. Hinter den Investments steckt ein komplexes Netzwerk von Firmen. Luxemburg ist dabei ein wichtiger Knotenpunkt, wie Recherchen von Reporter.lu zeigen.
Unter den im Westen bekannten Oligarchen ist Wladimir Jakunin eher ein Unbekannter. Er besitzt keine Fußballclubs und ist kein berüchtigter Partygänger. Sein Geld legt der 74-Jährige trotzdem gerne im Westen an.
Ein Luxemburger Fonds als Herzstück
Seine Nähe zum Kreml ist kein Geheimnis. Wladimir Putin und Wladimir Jakunin eint eine gemeinsame Karriere beim Geheimdienst KGB in Zeiten der Sowjetunion. Ganze 22 Jahre lang hat Jakunin dort gedient und sich mit dem jungen Putin angefreundet. Nach einer Karriere in der Diplomatie übernahm er 2005 die Leitung der russischen Eisenbahngesellschaft – eine Stelle, die er bis 2015 innehatte.
Damals stand er bereits unter US-Sanktionen, wegen seiner Nähe zu Putin und seiner Haltung zur Annexion der Krim. Seit 2022 sind seine Vermögenswerte auch im Vereinigten Königreich eingefroren. Die langjährige britische Labour-Abgeordnete Margaret Hodge erklärte Jakunins Präsenz auf der Sanktionsliste folgendermaßen: „Nach den Schätzungen von [Alexei] Navalny haben er und seine Familie fast vier Milliarden Dollar in Vermögenswerten und Kommissionen aus der russischen Eisenbahngesellschaft abgeführt. » Das meiste von diesem Vermögen würde mittlerweile von seinem in London lebenden Sohn verwaltet.
Dabei spielt ein in Luxemburg registrierter Investmentfonds eine wichtige Rolle. Laut Angaben des Luxemburger Handelsregisters ist der Sohn Andrey Jakunin als Verwalter der Gesellschaft „VIY Managers“ eingetragen. Andrey Jakunin hat Behauptungen, er würde das Vermögen seines Vaters verwalten, immer zurückgewiesen.
Die Gesellschaft „VIY Managers“ steht wiederum in Beziehung zu zwei weiteren Fonds, von denen einer Hotels entwickelt. Neben dem Golfresort „Antognolla“ in Umbrien ist dies das „Radisson Blu Park Royal Palace Hotel Vienna“. Beide Fonds wurden Ende 2020 abgewickelt. Andere Fonds, die dem Jakunin-Netzwerk zugerechnet werden können, halten Tochtergesellschaften in Zypern, deren Wert laut Jahresberichten bei über 350 Millionen Euro liegt. Welchem Zweck diese Firmen dienen, ist allerdings schwer zu ermitteln.
Musterbeispiel für Oligarchen-Deals
Im „Registre des bénéficiaires effectifs“ taucht der Name Jakunin jedoch nicht auf. In allen Gesellschaften findet sich lediglich der Name der Geschäftsführerin mitsamt der immer gleichen Adresse. Mit dem Vermerk, dass die Besitzverhältnisse so gestaltet sind, dass keiner der Eigentümer über 25 Prozent verfügt. Dies ist ein legales Schlupfloch, das es erlaubt, die Namen der Besitzer nicht aufzuführen, und diese durch die der Verwalter zu ersetzen.
Der Name der Verwalterin, die seit 2015 in Luxemburg lebt und vorher für eine „Big Four“-Auditfirma in Russland gearbeitet hat, taucht auch in den Handelsregistern von Zypern und Österreich auf – immer in Verbindung mit der Familie Jakunin. Ein Eintrag in Österreich führt zu einer „Verwertungsgesellschaft“ für ein Grundstück im Herzen Wiens. Die Adresse stimmt mit einem Hotel überein, das im Mittelpunkt der Recherchen über Jakunins Immobiliendeals steht.
Wie die Recherchen der deutschsprachigen Medien nun aufdeckten, ist dieses Hotel, das 2019 von „VIY Managers“ verkauft wurde, ein Musterbeispiel für die Vorgehensweise von russischen Oligarchen. Über Immobiliengeschäfte in Europa werden Gelder nicht nur vermehrt. Vor allem können die wirklichen Besitzer hinter Kaskaden von Firmen und Fonds versteckt werden.
Nähe zur österreichischen Politik
Dabei spielt auch die österreichische Politik und vor allem der sozialdemokratische Kurzzeit-Kanzler Alfred Gusenbauer eine Rolle – dessen Nähe zu Wladimir Jakunin ist öffentlich belegt. Das Areal, auf dem das Hotel gebaut wurde, gehörte dem österreichischen Staat, der es 2007 entwickeln lassen wollte. Nachdem eine aus dem Nichts aufgetauchte Kleinfirma den Zuschlag erhielt, um in Zusammenarbeit mit dem benachbarten Technischen Museum Wien ein Technologiezentrum zu errichten, zog diese sich kurze Zeit später zurück.
Der Grund ist nicht bekannt, die Firma selbst ist im Handelsregister gelöscht. Danach ging die Entwicklung des Areals an den österreichischen Großindustriellen Gerald Schweighofer, der das Hotel bauen ließ. Nach einer pompösen Einweihung im Jahr 2012 änderten sich erneut die Besitzverhältnisse und die „VIY Gruppe“ trat auf den Plan. Diese kaufte den Hotelkomplex über die luxemburgischen Firmen und wechselte mit „Radisson Blu“ auch den Betreiber.
2019 dann veräußerte „VIY“ das Hotel – für 66,5 Millionen Euro. Der Käufer nennt sich „Echo Group“. Hinter dieser Struktur steht ein weiteres schweizerisch-luxemburgisches Firmengeflecht, an dessen Ende die Spur wieder zu Wladimir Jakunin selbst führt. Die Stiftung „Nevastar Finance“ verwaltet nämlich neben den Hotel-Anteilen auch andere Aktivitäten von Jakunin Senior.
Diese Aktivitäten sind besser bekannt als die Immobiliengeschäfte. Denn Wladimir Jakunin ist nicht nur ein Profiteur aus den engsten Machtzirkeln des Kremls. Er gilt auch als ein ideologischer Botschafter Wladimir Putins. In diesem Sinn finanziert er seit Jahren Bewegungen deren Ziel es ist, Instabilität in den westlichen Demokratien gedeihen zu lassen.
188,2 Millionen gegen « Genderpolitik »
Ein Bericht des « European Parliamentary Forum for Sexual & Reproductive Rights » (EPF) offenbart das Ausmaß dieser Operationen zum Teil. So sollen zwischen 2009 und 2018 insgesamt 188,2 Millionen Dollar aus Russland alleine an konservative NGOs geflossen sein, die sich gegen die Gleichstellung homosexueller Menschen, gegen Abtreibungsrechte und für ein konservatives Familienbild einsetzen. Zum Vergleich: Im selben Zeitraum gab es auch Spenden aus christlich-fundamentalistischen Kreisen in den USA, deren Summe lag bei 81,3 Millionen Dollar.
Hinter den Spenden aus Russland sollen zwei Oligarchen stehen. Der ultra-orthodoxe Meinungsmacher Konstantin Malofejew und Wladimir Jakunin, der sich mit seinen Stiftungen in Europa gegen die „westliche Dekadenz“ einsetzt. An der Spitze seiner Stiftungen steht der „Istoki-Endowment-Fund“. In dessen Verwaltungsrat findet sich unter anderem der von der EU sanktionierte Oligarch Dmitry Pumpiansky.
Dieser Fonds unterstützt seinerseits die „St. Andrew the First Called Foundation“, die eins der Hauptinstrumente ist, mit denen Jakunin Geld in Europa verteilt. Dem EPF-Bericht zufolge finanzierte er so mehrere Veranstaltungen des „World Congress of Families“. Dabei handelt es sich um eine Organisation, die sich vorgeblich für das Wohl von Kindern und Familien einsetzt, deren Aktivitäten sich aber auch gegen westliche Werte wie Gleichheit und Toleranz richten.
Gastredner bei einem Kongress 2019 im italienischen Verona waren der damalige Vizepremier Matteo Salvini von der rechtsextremen „Lega Nord“ und Ignacio Arsuaga, Präsident der umstrittenen NGO „CitizenGO“, die in verschiedene Finanzskandale verwickelt war und deren Verwaltungsratsmitglied Luca Volontè 2021 zu einer Gefängnisstrafe wegen Korruption durch aserbaidschanische Politiker verurteilt wurde.
Zwischen Dialog und Propaganda
Eine weitere Organisation, die von Wladimir Jakunin gesponsert wurde, ist inzwischen nicht mehr aktiv. Der „Dialogue of Civilisations“ sollte den Ost-West-Dialog fördern, geriet aber immer wieder unter Verdacht, ein Kreml-Propaganda-Instrument zu sein. Hier wurden vor allem Kontakte auf höchster politischer Ebene gefördert. So erhielt der ehemalige österreichische Bundeskanzler Alfred Gusenbauer – der den Verkauf des Areals des Hotels in Wien bewilligt hatte – kurz danach einen Preis der Stiftung.
Wladimir Jakunin stilisiert sich gerne als Intellektueller und Verfechter der Annäherung zwischen den « Zivilisationen ». Kritiker sehen ihn dagegen als eine Art „Anti-Soros“, bezogen auf den Finanzier George Soros, der als Philanthrop Stiftungen und Bewegungen unterstützt, die sich weltweit für Menschenrechte einsetzen, und der deshalb den rechten Bewegungen und Verschwörungstheoretikern ein Dorn im Auge ist.
Aber nicht nur das: Durch seinen politischen Aktivismus erfüllt er das alte KGB-Muster der politischen Destabilisierung des Gegners. Durch gezielte Stärkung der Extreme sollen Parteien der Mitte und demokratische Institutionen geschwächt werden. Um an diesem Ziel zu arbeiten, kann das Netzwerk um Wladimir Jakunin auch auf die Offenheit des Luxemburger Finanzplatzes setzen.




