Die Schlussfolgerungen aus dem Waringo-Bericht betreffen auch die Verfassungsreform. Dabei sei die Rolle des Großherzogs in den Änderungsvorschlägen schon klar definiert, heißt es aus dem Parlament. Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit. Ein Überblick.
Wer das Staatsoberhaupt Luxemburgs ist, bestimmt zurzeit ein Dokument aus dem Jahr 1783. Es handelt sich um den sogenannten „Pacte de la famille de Nassau“. In dem Text legt die großherzogliche Familie die Thronfolge fest. Vor zehn Jahren änderte Großherzog Henri per Dekret diesen Text. Die Nachfolge des Throns gestaltet sich seitdem unabhängig vom Geschlecht des Erstgeborenen. Regierung und Parlament wurden in die Reform nicht eingebunden.
Künftig soll sich das ändern. Die Abgeordneten der Regierungsparteien und die CSV konnten sich auf eine Liste von 31 Änderungsvorschlägen einigen. Dabei geht es unter anderem um die zukünftige Rolle des Großherzogs. Seine Rechte sollen teilweise eingeschränkt werden. Durch die Debatten im Lichte des Waringo-Berichts könnten die Debatten im Parlament aber noch einmal eine neue Dynamik erhalten.
Parlament legt Thronfolge fest
Die Parteien sind sich zunächst einig, dass die Verfassung nicht mehr auf den Familienpakt verweisen soll. Stattdessen soll sie festlegen, dass die Thronfolge von Großherzog Adolphe per Erstgeburtsrecht vererbbar sei. Erstmals soll auch formal in der Verfassung die Möglichkeit eingeräumt werden, auf die Thronfolger zu verzichten. In „außergewöhnlichen Umständen“ kann das Parlament zudem Mitglieder der Familie Nassau von der Thronfolge ausschließen. Dazu benötigt es eine Zweidrittelmehrheit. Welche Umstände damit gemeint sind, wird jedoch nicht ausdrücklich erklärt.
Sollte nach Abdanken oder Tod des Großherzogs kein Nachfolger feststehen, muss das Parlament innerhalb von 30 Tagen zusammenkommen. Mit einer Zweidrittelmehrheit muss das Parlament dann ein neues Staatsoberhaupt wählen.
Kontrolle des Großherzogs
Das Staatsoberhaupt hat keine weiteren Befugnisse als jene, die ihm von der Verfassung oder vom Gesetz verliehen wurden. Dieser Grundsatz soll künftig noch klarer in der Verfassung verankert werden. Dem Großherzog wäre somit auch die Möglichkeit genommen, weitere Dekrete eigenständig zu verabschieden. Im luxemburgischen Recht sind diese auch eigentlich nicht vorgesehen, wie der Verfassungsrechtler Luc Heuschling einst in einem Beitrag im « Land » schrieb.
Laut Verfassung müssen jegliche großherzogliche Verfügungen auch jetzt schon von einem Regierungsmitglied gegengezeichnet werden. Da es sich bei den Dekreten jedoch um Änderungen am Familienpakt handelt, beschloss der Großherzog dies im Alleingang zu verantworten.
Souveränität liegt in der Nation
Des Weiteren soll er künftig zusammen mit der Regierung die Exekutive bilden. In der aktuellen Verfassung übt der Großherzog – zumindest formal – noch allein die Exekutivgewalt aus. Zurzeit heißt es auch noch, dass die Souveränität in der Nation liegt und vom Großherzog ausgeübt wird. Bei den Änderungsvorschlägen wurde nun nur der erste Teil des Satzes zur Souveränität übernommen.
Der neue Text soll auch klar festlegen, dass nur das Staatsoberhaupt, frühere Staatsoberhäupter, sein designierter Nachfolger oder Regent jährlich in den Genuss von staatlichen Geldern kommt. Außerdem soll das Staatsoberhaupt seine Verwaltung selbst organisieren und im Interesse des Volkes handeln. Besonders in diesen Punkten wird der Bezug zur von der Regierung geplanten Modernisierung des großherzoglichen Hofes offensichtlich.
Zurzeit könnte der Großherzog auch jederzeit das Parlament auflösen. Dies soll in Zukunft nur noch auf Antrag des Parlaments möglich sein. Neuwahlen würden dann drei Monate später stattfinden.
Absetzung des Staatsoberhaupts
Falls der Großherzog seinen, in der Verfassung festgelegten Pflichten nicht nachkommt, soll das Parlament ihn auch mit einer Zweidrittelmehrheit abwählen können, sieht die Verfassungsreform vor. Die Regierung muss dann einen entsprechenden Antrag einreichen, der vom Staatsrat überprüft werden muss.
Sollte der Großherzog nur für eine kurze Zeit unfähig sein, seinen Pflichten nachzukommen, hat die Regierung die Möglichkeit, das Parlament über die Unfähigkeit des Staatsoberhaupts zu informieren. Das Parlament muss dann innerhalb von zehn Tagen die Unfähigkeit feststellen und die Regentschaft temporär übernehmen.
Nicht nur rein symbolische Rolle
Die Rechte des Großherzogs werden mit den Verfassungsänderungen klar beschnitten. Seine Rolle wird jedoch auch weiterhin über die reine Symbolik hinausgehen. Bereits in der neuen Verfassung wurde vorgesehen, dass der Großherzog „unverletzlich“ ist – mit anderen Worten: Er kann nicht polizeilich verfolgt werden.
Zudem behält der Großherzog die Möglichkeit, in Zeiten einer Krise selbst Gesetze zu verabschieden. Diese können auch gegen jetzige Gesetze verstoßen – sie dürfen allerdings nur für drei Monate gelten. Die neue Verfassung nannte mehrere Beispiele, was unter den Begriff der Krise fällt. Die Rede war von „schweren Verstößen gegen die öffentliche Sicherheit“ oder „realen Bedrohungen für grundlegende Interessen der Bevölkerung“. In der aktuellen Verfassung gibt es keine Definition.
Einige Punkte konnten auch auf Druck von der CSV beibehalten werden. Sollte der zuständige Ausschuss im Parlament ihren Forderungen Rechnung tragen, wird in der Endfassung der Verfassung, wie jetzt auch schon, nicht mehr die Rede vom Staatsoberhaupt sein, sondern nur noch vom „Großherzog“. Außerdem behalte er das Recht, die Sitzung des Parlaments offiziell zu eröffnen und zu schließen.
Bereits jetzt konnte die Oppositionspartei sich in einem Punkt durchsetzen. Der parlamentarische Ausschuss für die Verfassungsreform hat festgehalten, dass die Urteile weiterhin im Namen des Großherzogs gesprochen werden sollen.