Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Pünktlich zum Wochenende blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Dieses Mal: Lehrstunden, Streitgespräche und andere Highlights.
Wissen Sie noch, dieser Ukraine-Krieg? Anscheinend dauern die Kämpfe immer noch an, obwohl der ukrainische Präsident vor der Chamber sprach und dort die uneingeschränkte Solidarität des mächtigsten und wohl russlandfreundlichsten Steuerparadieses der Welt erfuhr. Und was braucht die Ukraine zurzeit am meisten? Schwere Waffen? Ein Öl- und Gasembargo? Den EU-Kandidatenstatus? Das ist alles zweitrangig, dachten sich unsere Politiker. In erster Linie benötigt Kiew natürlich Lektionen und gute Ratschläge.
So sah es zumindest der Premier, der Wolodymyr Selenskyj im Parlament ein paar exklusive Tipps mit auf den Weg gab. Man müsse etwa aufpassen, nicht « russophob » zu werden, nur weil Putin einem den Krieg erklärt und Tausende Russen seit Monaten im eigenen Land herummorden. Oder Selenskyj sollte auch mal bei den afrikanischen Staaten vorsprechen, der Besuch in Luxemburg war ja quasi sinnlos, weil die Regierung die Ukraine eh unterstützen würde, so Bettel.
Freeze it like Luxembourg!
Und tatsächlich: Zumindest beim Einfrieren von Konten ist Luxemburg absolute Weltklasse. 90 Personen und 1.100 Gesellschaften habe Luxemburg bereits sanktioniert. Wow! Dabei umfasst die offizielle Sanktionsliste nur 90 Gesellschaften! Luxemburg war also übereifrig beim Einfrieren. Wait a minute… Oder besser gesagt, wait a day… Dann ist auch dem Finanzministerium aufgefallen, dass hier irgendwas nicht stimmt. Ein dummer « Zahlendreher » war da der Pressestelle von Yuriko Backes unterlaufen. Natürlich sollte es heißen: 90 Gesellschaften und 1.100 sanktionierte Personen.
Doch auch nach der Klarstellung bleibt es eine beachtliche Zahl! Das heißt, dass quasi alle sanktionierte Personen in Luxemburg Geld parken (nicht weiter verwunderlich) und auch alle bereits eingefroren sind (sehr verwunderlich). Und dabei ist nur ein Beamter zuständig für das fleißige Einfrieren! Eine absolute Glanzleistung!
Wäre da nicht das kleine Problem, dass das alles so nicht stimmt. Im Wortlaut des Ministeriums: « À la demande du ministère des Finances, le Luxembourg Business Register (LBR) a identifié les sociétés immatriculées au Registre de commerce et des sociétés (RCS) pour lesquelles sont renseignées des personnes reprises dans les listes de sanctions. Jusqu’à présent, plus de 1.100 personnes et 90 entités légales ont été désignées. » Offensichtlich bezieht sich der letzte Satz auf die Sanktionsliste und nicht darauf, wie viel bereits ausfindig gemacht wurde. #Ooopsi
Eternal Tango mit dem Chefredakteur
Aber dem nicht genug. Auch ein Teil der Presse dachte sich, dass man den Ukrainern mal so richtig auf den Zahn fühlen sollte. So führte der Chefredakteur des « Tageblatt » diese Woche ein (selbst so genanntes) « Streitgespräch » mit der ukrainischen Vize-Außenministerin. Aber Achtung, vor dem Klick: Das Interview dauerte offenbar zweieinhalb Tage – und wie sich das für die südliche Qualitätspresse mittlerweile gehört, darf man bei der Verschriftlichung kein einziges Wort redigieren. Das Gesprochene wird einfach eins zu eins abgedruckt – zur Not werden dafür acht bis drei Seiten in der Printversion freigeschaufelt.
Dabei kam es zu – nennen wir es mal – kommunikativen Pattsituationen. Ein Auszug: « Ich frage Sie… Ich antworte Ihnen … Sie hören mich nicht… Ich höre Sie… » Dann wollte der Inquisitor-in-Chief noch wissen, wie genau die Ukraine den Wiederaufbau organisieren möchte. Die Ministerin wollte aber nicht antworten. Tja, blöde Situation. Also fragte der Journalist mal anders: « Können Sie etwas ‘off the record’ sagen? » Die Antwort: « Nein, kann ich nicht. » Wir fragen uns: Können Sie das nicht einfach aus der Finalversion des Interviews rauslassen, weil ja nichts gesagt wurde und ‘off the record’ sowieso ‘off the record’ wäre? Nein, kann er nicht.

Der Chefredakteur, der in das ganze Gespräch mit der berechtigten Frage einstieg, ob die Ukraine diesen Krieg eigentlich gewinnen will, wurde dann aber noch ein bisschen pampig. « Stellen Sie mir diese Frage? Ich stelle Ihnen die Fragen. » Pfff, diese ungehobelten Ukrainer aber auch. Nicht nur, dass sie den Krieg gewinnen und dabei Luxemburgs Hilfe haben wollen, jetzt fangen sie auch noch an, einfach ohne Erlaubnis Fragen zu stellen. #UndankbaresPack
Neben der schieren Länge und dem inszenierten Streit über absolutrengguernäischt lebt das Interview aber auch von den eingestreuten, absolut atemberaubenden szenischen Elementen. (kurze Pause) Also… (denkt nach) … wie sollen wir es sagen… (denkt immer noch nach, holt sich einen Kaffee, schlürf) … So, weiter im Text.
Die Retrospect-Redaktion ist zu diesem Zeitpunkt vom Thema Ukrainekrieg zur LSAP übergegangen. Ein konstruktives Redaktionsmitglied mischt sich ein: « Ist das wirklich noch nötig? » Ein anderes Mitglied entgegnet ihm: « Nein, nein, stoppe es nicht. Das ist in Ordnung. »
Paulette-Monitor
Völlig in Ordnung ist auch, dass die Leitmedien alle paar Monate das gleiche Spiel spielen: Paulette Lenert wird zur beliebtesten Politikerin des Landes gekrönt. Knapp hat man sich an die neue Tradition gewöhnt, muss man aber wieder zur alten zurückkehren. Denn: Jang is back! Der Minister auf Lebenszeit hat Parteifreundin Paulette zwar nicht « physisch eliminiert », aber er teilt sich wieder den Spitzenplatz in der wohl besten und aussagekräftigsten Politumfrage, seit es Politumfragen gibt.
Wie konnte das nur passieren? Ganze sieben Punkte verlor die Gesundheitsministerin. Dabei gibt es ja absolut, aber auch wirklich rein gar keinen Grund, die einzige Hoffnung der LSAP für irgendetwas zu kritisieren. Nur beim « Luxemburger Wort » scheint man das absolute Übel an Paulette Nationale’s Politik schon vor einem guten Monat erkannt zu haben.
Aber der Politmonitor war nicht die einzige Demütigung, die die LSAP in der letzten Woche erleben musste. Nein, auch Innenministerin Taina Bofferding musste sich im Parlament latent majestätsbeleidigende Fragen gefallen lassen. Gilles Roth, der adrett gekleidete Kettenhund der CSV, warf der Innenministerin fehlenden Respekt für den Rechtsstaat vor und fragte, ob die Ministerin LSAP-geführte Gemeinden bevorzuge. Hintergrund war eine kommunale Pattsituation in Diekirch. Der damalige Bürgermeister und jetzige Minister Claude Haagen soll ein Urteil des höchsten Verwaltungsgerichts nicht umgesetzt haben und sich bei der Abstimmung dreist enthalten haben. Taina Bofferding tolerierte die Scharade und schritt nicht ein.
« Moien TikTok »
Doch wenigstens musste sich die Ministerin vor der Chamber nicht alleingelassen fühlen. Denn dafür gibt es schließlich Dan Kersch. Der Ex-Minister hat schnell in seine neue Parlamentarier-Rolle gefunden: War er als Minister noch dafür da, Politik zu gestalten, oder zumindest so zu tun, hat er sich nun den Posten des vorlauten Zwischenrufers gesichert. Als etwa Gilles Roth seine Ministerin mitten in ihren Erklärungen anging, kläffte Kersch ihm entgegen: « Dir hutt net nogelauschtert. Dir hutt Är Iddi am Kapp an Dir lauschtert net no. » Inspiriert durch Kersch – seine Fans nennen ihn Erdodan – dreht auch die Innenministerin zum Schluss noch ein wenig auf. Der Klüngel-Vorwurf gegen Sie, sei « eng riise Frechheet. A ganz éierlech, dat hätt Dir Iech kéinte spueren. »
Auch in der « Affäre Da Costa » machte die LSAP diese Woche übrigens eine Super-Figur. « Ech kenne weder den Här Jeff Da Costa nach den Här Guy Schumann vun RSS Hydro perséinlech. Ech hat menges Wëssens och nach ni perséinlech Kontakt mat hinnen. Ech hunn och ni intervenéiert oder Drock gemaach fir datt een Employé vun der Firma soll entlooss ginn », schrieb der auf einer offiziellen Afrika-Reise weilende Wirtschafts- und Kooperationsminister bei Twitter. In der Tat wies der Minister auf eine Schwäche in der Affäre hin: Denn wer glaubt, dass der nette Herr Fayot dazu fähig ist, politischen Druck auszuüben, der glaubt auch noch an den Nikolaus. Nicht nur deshalb sind wir uns sicher: Macht die LSAP so weiter, dann ist diese Affäre nun wirklich, ganz, ganz sicher gegessen.
Um im kommenden Wahljahr aber nicht nur alle politischen Affären im Keim zu ersticken, sondern auch bei der jungen Bevölkerung zu punkten, ist die LSAP neuerdings auch auf TikTok. Mit einem leidenschaftlichen « Moien TikTok » verabschieden wir uns dann aber auch und wünschen Ihnen ein schönes Wochenende.
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