Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Pünktlich zum Wochenende blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: Pläuschchen mit Putin und ähnlich geglücktes politisches Timing.

Xavier Bettel hat Wort gehalten. « Schwätzen, schwätzen, schwätzen », wollte unser Premier und damit den blutigen Krieg in der Ukraine quasi im Alleingang wegschwadronieren (Retrospect berichtete). Wie angekündigt schwätzte Bettel denn auch mit Wladimir Putin über dessen « special military operation » in der Ukraine und postete dazu – wie man das so macht – ein fesches Foto in den sozialen Medien.

Ernst dreinblicken für den Frieden: Premier Xavier Bettel.

Dabei verurteilte der Premier die russische Aggression in der Ukraine eigenen Angaben nach « in strongest terms ». Viel mehr ist über das Telefongespräch mit dem netten Mann aus Moskau leider nicht bekannt. Doch wie wir längst wissen: Angriffskrieger mit Tausenden einsatzbereiten Atomwaffen sind üblicherweise schwer beeindruckt von moralischen Appellen Luxemburger Regierungschefs. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis Putin sich dem Druck des Geschwätzes beugt.

At his Dictator’s request

Irgendwann nach seinem sozial-medialen Prahlen über das Telefongespräch mit dem « Kriegsverbrecher » (Joseph Robinette Biden, Jr.) muss Bettel dann aber doch aufgefallen sein, dass es vielleicht auch noch andere sinnvolle Gesprächspartner in dieser Krise geben könnte. So wie den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, den er nach dem Gespräch mit Putin auf sein Geheiß, also « at his request », anrief. Wessen « request » das nun genau war, Putins oder Selenskyjs, ist dabei freilich missglückt übersetzte Nebensache. Denn wie wir alle wissen: englische Sprache, schwere Sprache. Und vor allem: Hauptsache « schwätzen, schwätzen, schwätzen. »

Schön, dass wir mal darüber geredet haben, dürfte sich Xavier Bettel denn auch gedacht haben, als er sah, dass Wladimir Putin nicht einfach, wie am Telefon vereinbart, den Krieg und das Morden an der ukrainischen Zivilbevölkerung beendete. Welche Unverschämtheit aber auch! Vielmehr setzte der große – also, naja – Diktator noch einen drauf und kündigte die überfällige « self-purification » der eigenen Bevölkerung an. Grund genug, dachte sich unser Friedenspremier, an diesem Wochenende noch einmal in Moskau durchzuklingeln.

Für Außenstehende könnte es jetzt zwar so aussehen, dass Bettels Anrufe die Kriegslage nur verschlimmern. Und dass Telefonate mit jemandem, der in den vergangenen Wochen weniger Wert auf « Schwätzen, schwätzen, schwätzen » als auf « Hetzen, Bombardieren und Zivilisten ermorden lassen » legte, wenig bringt – ja, dass solche Anrufe vielleicht sogar den Kriegstreiber legitimieren. Wir finden dennoch: Nicht aufgeben, Xav! Beim nächsten Pläuschchen wird der Telefonfreund aus Moskau es sicher endlich einsehen. Und bald kann unsere Regierung dann auch endlich aufhören, so zu tun, als ob man ernsthaft die EU-Sanktionen im eigenen Land umsetzt. #WaitForIt

Neues von #FeelTheFern

Dass Luxemburgs Liberale lieber einmal zu viel schwätzen, und sinnvolle Politik lieber andeuten als zu machen, weiß auch Fernand Etgen. Der beste Chamberpräsident, seit es knuffige Öslinger Ex-Minister gibt, ist immer für ein nettes Wörtchen zu haben. Durchsetzungsvermögen und demokratisches Selbstbewusstsein eines Parlaments gehören zwar nicht zu seinen Stärken. Doch darum geht es auch nicht. Denn, was bisher nur wenige Eingeweihte wissen, Fernand – stage name: #FeelTheFern – Etgen, ist eigentlich Satiriker, der durch sein Wirken als « Parlamentspräsident » nur die absurd anmutende Unmündigkeit von Luxemburgs Volksvertretung humoristisch brandmarken will. Wir finden seit jeher: Durchaus erfolgreich. Aber wenn es um liberalsatirische Slapstick-Comedy geht, sind wir auch wenig objektive Fans der ersten Stunde.

Etgens neuester Sketch ereignete sich vergangene Woche beim Besuch der Präsidentin des Europäischen Parlaments, noch so einer latent satirischen Vereinigung. Mit den scherzhaften Worten « C’est un horreur … un honneur pour moi de vous accueillir… » leitete #FeelTheFern seine neueste Stand-Up-Comedy-Staffel ein, bevor er der ehrwürdigen Abgeordneten « Madame Kartheiser » das Wort für deren, leider nicht mehr so lustig gemeinte, erzkonservative Äußerungen erteilte.

From Dubai with love

Damit also zurück zum Ernst des Lebens. Erinnern Sie sich noch an die dunkelsten Tage der rezenten Luxemburger Geschichte? Richtig, am Donnerstag vor einer Woche stiegen Benzin- und Dieselpreise erstmals über die Zwei-Euro-Grenze. Im Parlament war man sich des Ernstes der Lage natürlich sofort bewusst. Schließlich war plötzlich jemand in Gefahr, in den man sich mit dem läppischen Durchschnittsgehalt eines Berufspolitikers mühelos hineinversetzen kann: « De klénge Mann. » Und weil der kleine Mann in Luxemburg am allerliebsten mit dem « Süvchen » fährt, ist es natürlich wahlentscheidend, dass er sich in Zukunft den Tank noch leisten kann. Sonst müsste er am Ende noch mit dem Bus, Zug oder – Gott bewahre! – mit dem Fahrrad fahren.

Prompt diskutierte das Parlament also mögliche Lösungsansätze und entschied sich für das einzig Richtige in Zeiten von drohender Energieknappheit und Klimawandel. Genau: Am Samstag flog eine Delegation aus der Chamber nach Dubai. Nein, nicht um sich über Menschenrechte oder nachhaltige Energiefragen auszutauschen. Auch nicht, um von da aus einen Solidaritätsabstecher in die Ukraine zu machen. Der Premier hatte die Sache ja schon per Telefon geklärt.

Nein, es ging natürlich zur Weltexpo, um unseren Pavillon zu besuchen. Also quasi « just for fun ». Mit von der Partie war die kürzlich erst einberufene parlamentarische Taskforce VCPT (« Very Clever Political Timing ») bestehend aus Marc Spautz, Yves Cruchten, Simone Beissel und – wer sonst? – Fernand Etgen.

An dieser Stelle fällt uns leider sonst auch nichts mehr ein. Und überhaupt müssen wir uns von dem ganzen « Schwätzen, schwätzen, schwätzen » erst mal erholen. In diesem Sinne: ein schönes, möglichst emissions- und gesprächsarmes Wochenende.


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