Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Pünktlich zum Wochenende blickt unsere Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Dieses Mal: Spitzenkandidaten in ihrem Element und andere Zauberkünstler.

Grauer Himmel. Andauernder Regen. 16 Grad Höchsttemperatur: Das ist Luxemburg im August 2023. Wer kann es den Politikern da verdenken, dass sie das Weite suchen, um vor dem anstrengenden Wahlkampf noch einmal Energie zu tanken. Vor allem nach einer solch anstrengenden Legislatur. Man schlug sich nicht nur mit der Pandemie und all den anderen Krisen herum. Die wirklich wichtigen Dinge mussten auch noch angesprochen werden.

Parlamentarische Anfragen sind wohlweislich ein beliebtes Instrument des gemeinen Luxemburger Volksvertreters, – wir erinnern uns an ein homosexuelles Känguru, an dem sich mancher ADR-Politiker störte (Retrospect berichtete). Da verwundert es nicht, dass in den vergangenen fünf Jahren rund 8.200 solcher Anfragen gestellt wurden. Doppelt so viele wie in der vorigen Legislatur. Da soll noch jemand sagen, Parlamentarier würden nicht arbeiten und die Chamber diene der Selbstinszenierung.

Dass die meisten Anfragen nicht von den Abgeordneten selbst, sondern von ihren Mitarbeitern verfasst werden (müssen), sei dahingestellt. Auch die Relevanz der Fragen ist hier und da nicht so ganz ersichtlich. Das ist aber zweitrangig. Auch in der Abgeordnetenkammer gilt: Quantität geht vor Qualität. Auch beim Sitzungsmarathon vor der Sommerpause galt diese Devise. Was soll’s, wenn man sich unter Koalitionären mal nicht so einig war (es ging ja nur um die künftige Gesundheitsversorgung des Landes): Man muss als Liberale mal beide Augen zu- und das Gesetz durchdrücken. Koalitionsräson oblige. Der Urlaub kann nicht warten.

„Cool“ & the Gang

Wohin es die Politiker in der Sommerpause verschlägt, – also wenn sie uns nicht gerade mit Selfies von der „Welleschter Kirmes“, Fußballspielen, Radrundfahrten oder sonstigen Places-to-be in Wahlkampfzeiten beglücken, – das verrieten sie den wissbegierigen Kollegen von „L’Essentiel“, oder auch nicht. Die „Entourage“ von Xavier Bettel ließ nämlich lediglich verlauten, dass der Premier drei Wochen mit dem Auto in Urlaub fuhr und die Reise „nach Europa“ ging. Dort wollte Xav bekanntlich immer schon mal hin.

Auskunftsfreudiger war da die neue Radsportskanone der CSV. Luc Frieden hat eigenen Angaben zufolge mit seiner Familie einen Wanderurlaub in den Bergen geplant, „gefüllt mit sportlichen Aktivitäten“ und mutmaßlich mit seinem neuen Lieblingsfortbewegungsmittel, dem Fahrrad.

Mit diesem hatte er sicher auch seinen Abstecher nach Walferdingen gemacht. Sie wissen schon, der Ort, hinter dem bekanntlich das Ösling anfängt. Bei herrlichem Sommerwetter – wo Luc ist, scheint halt immer die Sonne – blickte der Messias der CSV, umringt von lokalen Parteijüngern, auf die Alzette. Auf Facebook stellte er später messerscharf fest: „D’Renaturéierung vun eise Flëss ass wichteg.“ Nicht einmal die Grünen hätten es treffender ausdrücken können.

Übers Wasser gehen, spart sich Messias Luc für September auf. (Foto: Facebook/Luc Frieden)

Ganz abschalten kann Luc aber auch im Sommer nicht: „Natürlich werde ich aktuelle Ereignisse weiter aufmerksam verfolgen“, droht er. Die politische Konkurrenz ist also gewarnt. Jang ist das egal. Während Luc noch seinen Helm festzurrt, ist dieser beim ewigen Außenminister längst angewachsen und Jang bereits auf dem Weg zum Gipfel des Mont Ventoux.

Streberhafter als Luc – dem seine Kinder laut „Télécran“ nun abermals attestierten, jetzt viel cooler zu sein als früher – ist selbstverständlich nur Sven Clement. Den Gernegroß der Luxemburger Politik zieht es nämlich in die USA, „in erster Linie jedoch geschäftlich, es erwartet mich nämlich ein Geschäftstreffen“, so der stets bescheidene Piraten-Politiker. Etwas Zeit für die Familie soll dann aber doch bleiben. Ein Urlaub am Strand oder in den Bergen werde es aber nicht. Der nächste richtige Urlaub stehe erst in den Weihnachtsferien an, schätzte Svenni, der dabei offensichtlich vergaß, dass dann für ihn wichtige Regierungsgeschäfte anfallen könnten.

Paulettes Märchenstunde

Bis dahin muss Paulette Lenert die Regierungsgeschicke regeln. Ausspannen will sie erst Ende August. Wo es hingeht, weiß Paulette Nationale schon. „Ech hunn d’Gefill genau ze wëssen, wou ech hi wëll“, sagte die entscheidungsfreudige Spitzenkandidatin. Und zwar im traditionellen Sonntagsinterview bei „RTL“ vor passender Kulisse im Bettemburger Märchenpark. Bei der Frage, „Mier oder Bierger“ fiel sie dann doch wieder in den guten, alten Paulette-Zaudermodus : „Dat ass schwéier, ech hu béides gär.“

Immerhin weiß Paulette, was sie als Erstes tun würde, wenn sie denn tatsächlich Premierministerin wird. Soziale Ungerechtigkeiten abschaffen? Das Klima retten? Den Index abschaffen – pardon, darüber nachdenken? Weit gefehlt: „Dat éischt, wat ech géif maachen, ass mat der Ekipp mech zesummesetzen a kucken, wéi schaffe mir als Ekipp, wéi stelle mir eis op, wéi funktionéiere mir. Dat ass mir ganz wichteg“, so die ach so erfrischend pragmatische Quereinsteigerin.

Der Teamgeist liegt Paulette sehr am Herzen und da will sie auch von niemandem einen Keil zwischen die blau-rot-grünen Partner treiben lassen, auch wenn sie es, gesetzt den Fall, wenn das Glas eher halbvoll als halbleer ist, auch mal, vielleicht, also ganz eventuell mit anderen versuchen würde: „Do hunn ech keng Präferenz. Ech mengen, ech ka mat ville Leit eens ginn. Mir funktionéieren am Moment ganz gutt als Ekipp, muss ech wierklech soen. Et gëtt ëmmer probéiert dat auserneen ze dréinen. Dat ass net de Fall. Et ass eng ganz gutt Ambiance. Mä ech denken, dass ech mat anere Leit och kéint funktionéieren.“

Minister Houdini

Apropos „aner Leit“: Anders als Paulette Lenert hat Franz Fayot einen ganz besonderen Trick parat, um im Wahlkampf „Klartext“ zu sprechen. Diese Woche forderte Franco di Montalcino jedenfalls ganz lässig einen „Mentalitätswechsel“ in der Wohnungsbaupolitik der Regierung. Dass er selbst dem Vernehmen nach Mitglied dieser Regierung sein soll, ist dabei nicht weiter problematisch. Er spreche heute nicht als „Minister“, sondern als „Co-Autor“ des Reflexionspapiers der sozialistischen „Fondation Robert Krieps“, so der glaubwürdigste Sozialist seit Etienne Schneider sein Leben zurückbekam.

So einfach geht das also. Als Freunde des gepflegten politischen Bullshit sehen wir das ganz ähnlich. Dass der sozialistische Firlefranz den Leuten weismachen will, dass man selbst entscheiden kann, wann man als Minister spricht und wann nicht, ist natürlich überhaupt kein gequirlter Schwachsinn. Das Prinzip kennen wir bereits von diversen Auslandsreisen, bei denen der joviale Freizeit-Franz seine Crew zu Brunellos und Gin Tonics à gogo einlädt, nur um beim Bezahlen der Rechnung wieder in die Rolle des „Ministers“ zu schlüpfen. #SmartSocialism

Roys Freiheitskämpfer

Das politische Funktionieren mit anderen hat aber auch seine Grenzen. Eine Zusammenarbeit mit der neuen „Bewegung“ von Roy Reding scheint wohl unwahrscheinlich. Auf den Listen von „Liberté – Fräiheet!“ (mit Ausrufezeichen!) versammelt der Rächer aller Ungeimpften nämlich all jene selbsternannten Freiheitskämpfer, von denen man glaubte, sie seien mit dem Coronavirus in der Versenkung verschwunden. Doch offensichtlich gibt es sie noch. Das zeigen die hochprofessionellen und gestochen scharfen Bewerbungsfotos auf Facebook. Eine derartige Social-Media-Kompetenz müssen selbst Insta-Queen Taina und #Luc neidlos anerkennen.

Der Wahl im Oktober dürfte bei dieser Außendarstellung, gepaart mit einer ausgefeilten politischen Rhetorik, eigentlich nichts im Wege stehen. Bleibt nur zu hoffen, dass wir keine erneute Pandemie erleben. Nicht, dass den Freiheitsliebenden am Ende wegen profaner 2G-Regeln der Zutritt zum Parlament verweigert wird. Wobei: Bekanntlich ist auch ihr Vordenker Roy ein passionierter Anhänger einer Politik des leeren Stuhls.


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