Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Pünktlich zum Wochenende blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Dieses Mal: Xav glaubt weiter an Wladimir und andere Aha-Erlebnisse.
Die Tripartite ist vorbei, der soziale Frieden und der Wohlstand der Wohlständigen gerettet. Der harte Winter kann kommen. Möglich machte das eine Regierung, die mal wieder überaus großzügig die unbezifferte Zeche berappte. Portemonnaie auf, Gießkanne raus, es lebe der Luxemburger Sozialdialog! Obwohl, wait a minute… Wenn der Staat die Rechnung zahlt, dann sind das doch… Steuergelder… also wir alle. Naja, egal. Hauptsache Einigung!
Doch so einfach war es streckenweise dann doch nicht. Also, echt. Was erlauben Sozialdialog? Trotz Milliard(en?)-Ausgaben der Regierung wollten Arbeitergeber und -nehmer einfach immer weiter verhandeln. Fast bis tief in die Nacht mussten sich auch die draußen wartenden Journalisten mit Sandwiches und großzügig verteilten Dessertresten von den Verhandlern bei Laune halten. Dienstags gegen 23 Uhr stieg dann endlich weißer Rauch über Schloss Senningen auf. Ob für die Rauchsignale luxemburgische Staatsanleihen geopfert werden müssen, war indes bis Redaktionsschluss ungeklärt.
Friedenspremier in Aktion
Damit war nicht nur die Tripartite gerettet, sondern – noch wichtiger – auch die Reisepläne des Premierministers. Denn Xav hatte wirklich Wichtigeres zu tun, als bis « Mokuchsdag » grüne und sozialistische Ideale auf der koalitionären Schlachtbank zu opfern. Vergangene Woche war « His Excellency, Mr. Xavier Bettel, Prime Minister of Luxembourg », nämlich nach New York geladen, um dort eine Rede vor der UN-Vollversammlung zu halten. Oder wie die anderen Staaten der Welt den Termin informell nennen: Kaffeepause.
Wie elementar wichtig die Rede des Premierministers für die UN war, zeigt dabei schon, wer kurz vor Xav das Diplomaten-Publikum beglücken durfte: EU-Sommelier Charles Michel. Und inhaltlich so? Krieg ist anscheinend ganz schlimm, Frieden wäre besser, sagte der Premier. Auch alle weiteren verblüffenden Weisheiten seiner Rede verdeutlichten, dass dieser Termin definitiv um einiges wichtiger war, als zu Hause in aller Gründlichkeit die Krise zu managen.
Hoffnung auf ein Happy End
Denn wie wir alle wissen: Ohne das mächtige Luxemburg läuft nichts auf der Weltbühne. Das gilt auch für den Ukrainekrieg, der trotz wohlklingender Appelle aus dem Großherzogtum offenbar immer noch andauert. Mit direktem Blick zur russischen Delegation setzte der Premierminister vor der UN also noch einmal seine leidenschaftliche Friedensmimik auf und berichtete von seinen offenherzigen Telefonaten mit einem gewissen Wladimir Wladimirowitsch Putin:
« Je ne les regrette pas. Mais je suis déçu du résultat. Et les discussions que j’avais eu avec le Président Poutine sont des discussions que j’ai apprécié. L’échange, la franchise. Mais aujourd’hui je dois vous dire que je remarque que commencer une guerre c’est quelque chose de facile. Mais la grandeur d’un homme politique c’est de savoir les terminer. »
Mais quelle franchise! Einen unfassbar unnötigen Krieg beginnen, Zivilisten töten und diverse Kriegsverbrechen begehen, ist für Xav also easy peasy. Die wirkliche Sorge gilt dem Aggressor, der sich noch als « grand homme politique » erweisen könnte. Die Worte des Luxemburger Premiers dürften den Lauf der Geschichte entscheidend prägen. Zumindest Xav hat die Hoffnung aber noch nicht aufgegeben, dass der nette Herr Putin doch noch als großer Staatsmann in die Geschichte eingehen wird. #HopeWeCanBelieveIn
Trotzdem fand Claude Meisch, dass Xavier Bettel für seine Rede vor der UN Lob verdient hat. In einer Textnachricht an den Premier, die der Retrospect-Redaktion vorliegt, schrieb der Bildungsminister: « Xav, du hast laut und deutlich zur UN-Vollversammlung gesprochen. Gut war auch, dass du Blickkontakt gehalten und dein Thema sehr gut verständlich gemacht hast. Du hast viele Bilder benutzt und frei präsentiert. Sehr gut. Bis nächstes Jahr. »
„Royal Reveal Party“
Weit mehr Beachtung als Xavs Rede in New York erhielt diese Woche die großherzogliche Familie. Der Liebling der Altenheimbewohner, Prinz Charel, erhält nämlich bald schon hausgemachte Unterstützung und muss nicht mehr allein die Bomis des Landes mit seinem majestätischen Wesen beglücken. Oder wie das « Luxemburger Wort » es ausdrückt: „Das Kind soll im kommenden Frühjahr, im April 2023, als neuer Erdenbürger begrüßt werden können.“
Wer sich über den schmalzigen Satz wundert, bieten wir eine kleine Nachhilfe in den Tugenden der Monarchie. Das Protokoll sieht eine klare Prozedur vor: Nach Bekanntwerden der Schwangerschaft muss das Paar nach dem obligatorischen « RTL »-Interview eine „Royal Reveal Party“ abhalten. Dabei geht es nicht um das Geschlecht, sondern darum, ob es sich beim Kind um einen Normalsterblichen – also einen Außerirdischen (grün), der zum Erdenbürger wird – oder um wahres royales Blut (blau) handelt.
Die Zeremonie hat große Tradition und hat auch diese Woche stattgefunden. Energieminister Claude Turmes kam dabei nicht nur die Ehre zu, den Ballon aufzufangen, sondern auch mit einer Rede über die grüne Regierungspolitik so viel heiße Luft zu produzieren, um diesen auch zu füllen. #AllRespekt

Von heißer Luft will Marc Spautz indes nichts wissen. Für den Schifflinger Abgeordneten zählen nur purer Stahl und eiserner Willen. Denn der Südpolitiker mutiert immer mehr zum Rocky Balboa der CSV. Jedenfalls, wenn man seinen Facebook-Posts Glauben schenken darf. #NoPainNoGain

Ob sich Rocky Balboa allerdings wahltechnisch als Vorbild eignet, wagen wir zu bezweifeln. Denn bekanntlich hat sich der Italian Stallion zwar die Herzen des 80er-Jahre-Publikums erkämpft, musste sich aber am Ende doch schwer ramponiert Apollo Creed geschlagen geben. Als Omen für die obsolet gewordene – formerly known as alt-ehrwürdige – CSV wäre ein Spitzenkandidat Marc « Rocky » Spautz jedenfalls durchaus geeignet. Nach dem Desaster von Dr. Claude « Dolittle » Wiseler von 2018 kann es fast nicht schlimmer kommen.
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